Schulbeginn um 8.40 Uhr? Forscher fordern Umdenken, Lehrer halten dagegen

Nein, sie ist nicht neu. Die Diskussion darum, ob man es Schülern zumuten kann, um acht Uhr quadratische Gleichungen zu lösen, schwebt seit Jahren über Lehrern, Eltern und den Schülern selbst. Heerscharen von Wissenschaftlern gehen der Frage nach, warum der frühe Vogel den Wurm nicht immer fängt – und in der ersten Stunde die Mitarbeit gern gen Null tendiert. Schlafforscher raten deshalb dazu, den Unterricht erst um neun Uhr starten zu lassen. Der Deutsche Lehrerverband hält dagegen – zu den Gründen kommen wir später. Die Schüler hängen irgendwo dazwischen. Denn klar ist auch: Wer später kommt, muss länger bleiben.

Schlafforscher warnen: Kein Licht, keine Leistung

Nähern wir uns der Sache zunächst wissenschaftlich: „Frühtypen macht das frühe Aufstehen eher keine Probleme“, sagt der Kinder- und Jugendarzt Alfred Wiater von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Allerdings verändere sich bei vielen Menschen in der Pubertät die innere Uhr – in Richtung Spättyp. „Sie werden abends später müde, können erst später einschlafen und brauchen morgens länger Schlaf, um ihren physiologischen Schlafbedarf zu decken“, erklärt Wiater. „Schlafmangel schränkt die Leistungsfähigkeit ein, führt zu Konzentrations- und Ausdauerstörungen und macht schlechte Laune.“ Gleich vier Gründe, die dagegen sprechen, Schüler morgens um acht Uhr zum Mathe- oder Englischunterricht zu zitieren. Einen fünften Grund kennt der Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums in Nürnberg. Nicht die Uhrzeit, beeinflusse die innere Uhr, sondern die Zeit, die man dem Sonnenlicht ausgesetzt ist, sagt Joachim Ficker. „Es soll möglichst viel natürliches Licht auf die Netzhaut treffen.“ Das mache wacher und leistungsfähig. Eine perfekte Kombination – für alle Beteiligten. Wenn es doch so einfach wäre …

Lehrer skeptisch: Unterricht nach dem Mittagessen?

Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbandes, ist Rektor am Robert-Koch-Gymnasiums in Deggendorf und kennt das Leid mit unausgeschlafenen Schülern. Gleichzeitig benennt er die Probleme, die sich aus einem späteren Start ergeben. Das wären zunächst die Schulbusse, vor allem auf dem Land, die Schüler in einem großen Umkreis einsammeln und oft mehrere Schulen anfahren. Wenn die alle zu unterschiedlichen Zeiten beginnen, sei das problematisch. Zudem bedeute ein späterer Schulbeginn auch, dass man in die Mittagszeit hineinkomme. „Sie müssten eine Mittagsversorgung anbieten und nach der Mittagspause noch mal Unterricht machen. Das findet wenig Akzeptanz.“ Davon ist Meidinger überzeugt. 

Im US-amerikanischen Seattle probierte man es einfach aus. Der Unterrichtsbeginn wurde an mehreren Schulen um gut eine halbe Stunde auf 8.45 Uhr nach hinten verschoben. Forscher der University of Washington, die das Projekt begleiteten, vermeldeten erstaunliche Ergebnisse. Demnach schliefen die Schüler durchschnittlich 34 Minuten länger, ihre Leistungen verbesserten sich und die Fehlzeiten waren geringer. Also vielleicht doch?

Schüler unsicher: 8.40 Uhr ja – bis 14 Uhr Schule? Nein.

Nun, was sagen eigentlich die Schüler selbst? Erst im September veröffentlichte der Kika, ein TV-Sender für Kinder und Jugendliche, eine Studie unter 1300 Erst- bis Sechstklässlern. Demnach wünschten die sich im Schnitt einen Schulstart um 8.40 Uhr. Wer privat herumfragt, bekommt zunächst große Zustimmung. Traumhaft. Doch gleich darauf folgt der entsetzte Rückzieher: „Aber dann würde die Schule ja bis 14 Uhr dauern.“ Und nun die alles entscheidende Frage: Lieber morgens später aufstehen oder am Nachmittag eine Stunde länger Freizeit? Für Rektor Meidinger ist klar. „Der freie Nachmittag ist den Jugendlichen wichtiger, als das späte Aufstehen.“ 

Sommerzeit, Dunkelheit: Lehrerverband sauer

Da kommt es gerade recht, dass am 27. Oktober die Uhren eine Stunde zurückgestellt werden. 60 Minuten mehr Schlaf. Für alle. Aus acht Uhr wird sieben Uhr und morgens ist es für einige Wochen wieder früher hell. Dass ab Ende März 2020 wieder die Sommerzeit gilt und das vielleicht für länger, schmeckt dem Lehrerverband überhaupt nicht. „Die Kinder müssten dann viele länger im Dunkeln zur Schule gehen“, wettert Meidinger.

Diesen Weg – egal ob hell oder dunkel – sollten Schüler übrigens zu Fuß gehen. „Das reicht, um die innere Uhr zu synchronisieren und dem Körper ein klares Startsignal zu geben“, sagt Schlafmediziner Joachim Ficker. Das Signal lautet: „Jetzt ist Morgen, jetzt ist Tag, jetzt geht es los!“

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