Insiderbericht: Ärzte und Apotheker sollen mit Scheinrezepten Milliarden ergaunert haben

Sie verkaufen Medikamente nur zum Schein, rechnen Leistungen ab, die nie erbracht wurden, schicken Ungelernte ans Krankenbett, verwandeln leichte Kranke zu Schwerstpatienten oder Gesunde in Pflegefälle. Um an die Milliarden der Krankenkassen zu kommen, sind die Betrüger sehr einfallsreich. Und: Sie werden immer mehr. Das zeigt ein Bericht des Spitzenverbands der Kassen für das Bundesgesundheitsministerium.

Über 40.000 Fälle verfolgten die Ermittler von AOK, Barmer und Co. im vergangenen Jahr, der höchste Stand seit fünf Jahren. Fast ein Fünftel zusätzlicher neuer Delikte kamen innerhalb eines Jahres hinzu, über 3300 Strafanzeigen stellten die Ermittler, gut 50 Millionen Euro holten die Kassen von den Betrügern zurück, das macht ein Plus von sieben Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr. 

Der Schaden soll sich auf bis zu 14 Milliarden Euro belaufen

Doch diese Summe ist nur Bruchteil des tatsächlichen Schadens. Korruptionsexperten veranschlagen wesentlich höhere Summen. Das bayrische Innenministerium schätzt das Ausmaß aufgrund internationaler Erfahrungen auf über 14 Milliarden Euro im Jahr. Allerdings: Ob es tatsächlich mehr Gauner in Weiß gibt oder nur mehr enttarnt werden, lässt sich nicht genau sagen. Die Kontrolleure, wie der Medizinische Dienst der Kassen (MDK), entdecken auch mehr Fälle, weil sie strenger prüfen dürfen, zum Beispiel Pflegeheime und ambulante Dienste.

Besonders auffällig waren zuletzt russisch-sprachige Pflegedienste, die vor allem in Nordrhein-Westfalen und Berlin tätig sind, weil es dort große russisch sprechende Gemeinden gibt. Die Täter rechnen Leistungen nur zum Schein ab, lassen Patienten eine Bedürftigkeit simulieren, bestechen Ärzte oder fälschen Urkunden. Inzwischen  gründen sie Scheinfirmen im In- und Ausland, entwickeln hierarchische Strukturen, so dass sich „sogar Hinweise auf Organisierte Kriminalität erkennen“ lassen, heißt es im Bericht der Kassen. Die Täter konzentrierten sich mittlerweile auf die außerklinische Intensivpflege, wo etwa Wachkoma- Patienten betreut werden. Das Geld lockt, pro Patient zahlen die Kassen bis zu 22.000 Euro im Monat. 

Täter können sich zu leicht tarnen

Erschwert wird die Aufklärung aus vielen Gründen. Staatsanwälten und Gerichten fehlen oft genaue Kennt-nisse der Sozialgesetze und des Vertragsrechts. Schwerpunkt Staatsanwaltschaften haben nur vier von 16 Bundesländern. Die Richter stellen viele Verfahren ein, weil es in den Prozessen oft nur um kleine Beträge geht. Die Kassen erfahren oft nicht, was aus den Strafanzeigen wird, weil die Staatsanwälte sie nicht informieren. Die Täter können sich zugleich leicht tarnen. Wer etwa einen Pflegedienst in Bayern wegen Betrügereien schließen muss, kann es in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz erneut versuchen. Eine bundesweite, kassenübergreifende Datenbank der Betrüger fehlt. Schließlich dürfen die Kontrolleure der Kassen oft nicht alle Ergebnisse ihrer Prüfungen den zuständigen Korruptionsexperten mitteilen. Der Grund: die komplizierten Sozialgesetze.


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