Forscher finden Ernährungsformel zur Rettung der Welt – und Ihrer Gesundheit

Klimawandel, Naturkatastrophen, Hungersnöte – die Zukunft der Erde und der Menschheit sieht düster aus. Jetzt haben 36 internationale Wissenschaftler ein Ernährungsmodell entwickelt, das die Negativ-Entwicklung aufhalten soll. Das steckt hinter ihren radikalen Vorschlägen.

Wie werden zehn Milliarden Menschen satt, ohne dass dabei die Erde und das Klima zerstört werden? Diese Zukunftsfrage hat die „Eat-Lancet-Komission“ nach zweijähriger Arbeit nun beantwortet. Die kurze Antwort: Es ist möglich, erfordert aber eine radikale Ernährungsumstellung, besonders von der Bevölkerung in den westlichen Industriestaaten.

36 internationale Forscher aus Landwirtschaft, Klimaforschung und Medizin unter dem Vorsitz von Ernährungsmediziner Walter Willet der Harvard-Universität haben ihre Arbeit „Essen im Anthropezän: Gesunde Ernährung aus nachhaltiger Lebensmittelproduktion“ genannt. Und damit ein ganz dickes Brett gebohrt: eine Leitlinie für die weltweite Ernährung der Zukunft unter Berücksichtigung von Gesundheit und Klimaschutz.

Darum muss sich etwas ändern:

Derzeit leben etwa 7,7 Milliarden Menschen auf der Erde. Im Jahr 2050 werden es zehn Milliarden sein. Sie alle müssen essen.

Und sie sollen gesund essen: Während eine Milliarde Menschen derzeit unterernährt ist, sind zwei Milliarden überernährt. Die vorgeschlagene Ernährung soll jährlich elf Millionen Vielesser retten. So viele Menschen sterben jedes Jahr durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebsarten, die auf schlechte Ernährung in den Industriestaaten zurückgehen.

Gleichzeitig darf die Lebensmittelproduktion nicht länger auf Kosten der Erde gehen, wo derzeit 40 Prozent der Landfläche und 70 Prozent des Süßwassers dafür benötigt werden. Außerdem ist sie an 30 Prozent der Treibhausgas-Emission schuld.

So soll die gesunde und klimafreundliche Ernährung aussehen:

Trotz der immensen Produktion von Treibhausgasen durch Viehzucht, bleibt Fleisch auf dem Speiseplan. Der Grund: Die Experten halten eine Mischernährung mit pflanzlichem Schwerpunkt, aber auch tierischen Produkten für die gesündeste Ernährungsform.

Wer täglich rotes Fleisch, Schinken und Wurst isst, außerdem fettreichen Käse und Butter, muss sich am meisten umstellen. Die Ernährung der Zukunft ist vorwiegend vegetarisch. Bei jeder Mahlzeit soll Gemüse oder Obst den halben Teller füllen.

Die „Eat-Lancet-Kommission“ hat auch einen detaillierten Speiseplan zusammengestellt, der weltweit Gültigkeit haben soll. Die Mengen sind so berechnet, dass nicht alle Bestandteile täglich konsumiert werden. So bedeuten etwa 13 Gramm Ei täglich, dass pro Woche ein bis zwei gegessen werden dürfen. Oder wer die täglichen 14 Gramm Fleisch zwei Wochen anspart, darf sich dann auch ein kleines Steak gönnen.

Das erlaubt der tägliche Essensplan der Zukunft:

  • Gemüse (300 Gramm) und Obst (200 Gramm)
  • Kohlenhydrate, wie Brot, Reis, Kartoffeln (282 Gramm)
  • Milchprodukte (250 Gramm)
  • Hülsenfrüchte (75 Gramm)
  • Nüsse (50 Gramm)
  • Fisch (28 Gramm)
  • Fleisch (14 Gramm) und (Geflügel 29 Gramm)
  • Eier (13 Gramm)
  • 31 Gramm Zucker und 50 Gramm Öl runden den Speiseplan ab.

Diese Chancen räumen die Forscher ihren Vorschlägen ein:

Das Essen, das unsere Gesundheit und das Klima retten soll, erfordert weltweit eine Umstellung des Speiseplans: im Westen weniger Fleisch und tierische Lebensmittel, in Asien weniger Fisch und Meeresfrüchte, in Afrika weniger stärkehaltige Produkte.

Da Veränderungen der traditionellen Essgewohnheiten extrem schwierig sind, sehen die Wissenschaftler ihren weltweiten Ansatz derzeit eher als Vision denn ein überall schnell umsetzbares Modell.

Berichte, Videos, Hintergründe: Von Montag bis Freitag versorgt Sie FOCUS Online mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Gesundheitsressort. Hier können Sie den Newsletter ganz einfach und kostenlos abonnieren.

Fünf Strategien zur Umsetzung der gesunden Welternährung:

Der Ernährungsplan ist eingebunden in fünf Strategien für Politik, Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, die eine Umsetzung realisieren sollen.

Strategie 1: Subventionen kürzen oder streichen, die zu Überproduktion führen. Lebensmittelpreise den Umweltkosten anpassen, etwa in Form einer Fleischsteuer. Strenge gesetzliche Regeln für die Erschließung von Land als Agrarfläche und die Freigabe von Fischfanggebieten in den Meeren.

Strategie 2:  Eine „landwirtschaftliche Revolution“ soll die Erträge in der nachhaltigen Landwirtschaft steigern. Für Bauern soll es Anreize geben, wenn sie von der Massenproduktion in Monokultur abrücken, etwa Mais oder Raps für Biogas, und stattdessen eine Vielfalt von Lebensmittel-Pflanzen anbauen.  

Strategie 3: Gesundes Essen muss überall verfügbar und bezahlbar werden. Dafür könnten Sozialschwache besonders unterstützt werden. Aufklärungskampagnen sollen zum Konsum gesunder Lebensmittel animieren.  

Strategie 4: Größere Ernten erzielen, indem nur dem Boden, dem Wasservorkommen und dem Klima entsprechende Pflanzen angebaut werden.

Strategie 5: Die Verschwendung an Lebensmitteln mindestens um die Hälfte reduzieren. Also gezielt kaufen – und so wenig wie möglich wegwerfen.

Die „Eat-Lancet-Komission“ will ihre Anweisungen zur drastischen Veränderung von Ernährung und Landwirtschaft jetzt weltweit Regierungen vorlegen und vor allem die Weltgesundheitsorganisation WHO dafür begeistern.

Quelle: Den ganzen Artikel lesen