Apothekerverband Westfalen-Lippe rät aus Vorsicht von Opiumtinktur-Abfüllung ab

In der langen Geschichte der rechtlichen Streitigkeiten zur Opiumtinktur überrascht der Apothekerverband Westfalen-Lippe mit einer neuen Sichtweise. Bisher hatten die ABDA-Mitgliedsorganisationen stets betont, dass Urteile in der Sache nur Rechtswirkung für die unmittelbar Beteiligten haben. Nach dem „Vorsichigkeitsprinzip“ rät der Verband Westfalen-Lippe nun jedoch von der unveränderten Abfüllung von Opiumtinktur als Rezepturarzneimittel ab.

Die letzte juristische Neuigkeit zur Opiumtinktur war das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9. Juni. Darin hatte das Gericht die an Apotheken gelieferte Opiumtinktur der Firma Maros als Fertigarzneimittel eingestuft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, weil Berufung eingelegt wurde. Inhaltlich widerspricht das Urteil einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichtes, das Produkte auf dieser Ebene nicht als Fertigarzneimittel eingestuft hatte. Von diesem Verfahren auf Herstellerebene muss das Verfahren auf Apothekenebene in Hamburg unterschieden werden – dort gibt es derzeit keine Neuigkeiten. 

Mehr zum Thema

Weiteres Urteil zur Opiumtinktur

Landgericht Düsseldorf stuft an Apotheken gelieferte Opiumtinktur als Fertigarzneimittel ein

Hanseatisches Oberlandesgericht

Opiumtinktur im Versandgefäß ist kein Fertigarzneimittel

Opiumtinktur als Rezeptur

Innocur „warnt“ Apotheken vor Herstellung

Erste Instanz zur Opiumtinktur

Landgericht Hamburg sieht abgefüllte Opiumtinktur als Fertigarzneimittel

Gastkommentar von Norbert Brand, Geschäftsführer Maros

„Angriff auf einen ganzen Berufsstand“

Rechtsstreit um Rezeptur

Widersprüchliche Briefe zu Opiumtinktur

Aus Anlass des Düsseldorfer Urteils hat sich im Juli die dänische Firma Pharmanovia A/S in einem Brief an Apotheken gewandt. Sie stellt Opiumtinktur als Fertigarzneimittel unter dem Markennamen Dropizol® her und erklärt in dem Brief, bereits die Abgabe der Opiumtinktur der Firma Maros an Apotheken sei „illegal“ und das Urteil habe „mittelbar“ auch Auswirkungen auf Apotheker oder Großhändler.

Keine neue Sicht bei der ABDA

Die ABDA und einzelne Apothekerverbände hatten dagegen im Zuge der vielen Rechtsstreitigkeiten immer wieder betont, dass wettbewerbsrechtliche Urteile stets nur Wirkung für die jeweils unmittelbar Beteiligten des Verfahrens hätten. Dies betrifft beispielsweise zwei Apotheken in Hamburg, denen die Abgabe der abgefüllten Opiumtinktur verboten wurde. Eine dieser Apotheken führt den Rechtsstreit weiter. Ein Ergebnis für die Apothekenebene steht damit aus. Als Reaktion auf die jüngste Entwicklung hatte die ABDA die Mitgliedsorganisationen in der vorigen Woche erneut darauf hingewiesen, dass die gerichtlichen Entscheidungen nur Bindungswirkung für die Beteiligten hätten.

Empfehlung mit größter Vorsicht aus Westfalen-Lippe

Doch der Apothekerverband Westfalen-Lippe ist nun von dieser Linie abgewichen. Der diesbezügliche Text im Mitgliederrundschreiben „Brandneu“ ist offensichtlich von größtmöglicher Vorsicht geprägt. Die Rechtslage sei „unklar und strittig“. Doch lasse sich aus unterinstanzlichen Verfahren ableiten, dass eine unveränderte Abgabe der Opiumtinktur als Rezepturarzneimittel „mit der Gefahr verbunden ist, als arzneimittelrechtlich unzulässig bewertet zu werden“. Unter dem Aspekt der Risikovermeidung und nach dem „Vorsichtigkeitsprinzip“ sei eine prognostische Einschätzung gefragt. Darum vertrete der Verband die Auffassung, „dass nach – derzeitigem – Sach- und Erkenntnisstand nicht empfohlen werden kann, weiterhin Opiumtinktur als Rezepturarzneimittel abzugeben und abzurechnen“. Dabei räumt der Verband die „alles andere als wünschenswerten Folgen für die Apotheken, insbesondere aber auch für die Patienten“ ein.

Der Verband stellt die Argumentationen der jüngsten Urteile auf der Apotheken- und der Herstellerebene dar und leitet daraus Folgefragen für die Praxis ab. Demnach sei bei einer Verordnung einer Opiumtinktur-Rezeptur von einer unklaren Verordnung auszugehen. Dem Arzt seien die Bedenken in Form eines Verstoßes gegen § 21 Abs. 1 AMG, also gegen die Zulassungspflicht, mitzuteilen. Die Abgabe eines zulassungspflichtigen Arzneimittels ohne Zulassung wäre sogar strafbar. Außerdem bestehe für jede Apotheke das Risiko, wettbewerbsrechtlich in Anspruch genommen zu werden, wie dies in Hamburg geschehen sei. Das Retaxationsrisiko stuft der Verband hingegen als gering ein, weil zwischen der Rezeptur und dem Fertigarzneimittel ein enormer Preisunterschied bestehe, wobei die Rezeptur wesentlich preisgünstiger ist.

Quelle: Den ganzen Artikel lesen