Berliner Polizei machtlos: Park-Hotspot wegen Corona gesperrt, Barbesitzer am Limit, doch alle feiern weiter

Nach heftigen Ausschreitungen im James-Simon-Park ist der beliebte Hotspot in Berlin-Mitte nachts gesperrt, um die unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus durch Spreaderevents zu verhindern. Anliegende Gastronomien und Bars leiden, doch ist das Problem damit behoben? Ein Blick in das Nachtleben der Partyhauptstadt.

Wären da nicht laute Stimmen und Musik, würde man die Menschenmenge in der Dunkelheit des Treptower Parks nur schwer erkennen. Es ist fast 1 Uhr – Partyzeit. Keine Deko, keine Lichter, nur Musik. Doch die Feierstimmung wird abrupt unterbrochen, als Blaulicht die Schwärze der Nacht durchbricht.

In der Partyhauptstadt sind seit anderthalb Jahren sämtliche Clubs dicht. Wenn irgendwo getanzt werden kann, dann nur mit Maske und Abstand, getrunken wird am Tisch. Kein Wunder also, dass sich die Menschen überwiegend in Grünanlagen tummeln.

Das Infektionsrisiko hier zu minimieren, ist allerdings nahezu unmöglich. Die Folge: Treffen unter freiem Himmel mit Musik werden schnell von der Polizei gefunden und aufgelöst. Die Wut der Menschen steigt, die Gewaltbereitschaft nimmt zu. Das zugespitzte Resultat ist der Vorfall, der sich Anfang August im James-Simon-Park ereignete.

Beliebter Park in Berlin-Mitte wird dicht gemacht

Die beliebte Grünanlage im Herzen Berlins lockte an diesem Abend etwa 2500 Menschen an, die im völligen Rauschzustand jegliche Corona-Maßnahmen vergaßen. Die Polizei schritt ein, woraufhin es zu massiven Ausschreitungen kam. 19 Beamte wurden demnach verletzt. Der grüne Bezirks-Bürgermeister Stephan von Dassel zog die Notbremse – und ließ den Park sperren. Ist das die Lösung?

Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa Tausende Menschen versammelten sich Anfang August im James-Simon-Park.  

Bereits Paul Fresdorf, innenpolitischer Sprecher der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus, nannte die Entscheidung eine „Kapitulation gegenüber den Chaoten, die mit Ausschreitungen und Angriffen auf Berliner Einsatzkräfte seit Wochen immer wieder auf sich aufmerksam gemacht haben“. Auch CDU-Fraktionschef Dregger fragt: „Wie viele Grünanlagen will Herr von Dassel noch sperren, in die Party-Besucher dann abwandern könnten?“

Barbesitzer: „Ich kann nicht mehr“

Die Schnellschussreaktion des Bezirksbürgermeisters hat auch Folgen für die anliegenden Gastronomien. Ahmed Rawash ist Inhaber einer Bar, mit Direktzugang zum Park. Als ich ihn in seiner Lounge antreffe, sitzt er, einen großen Stapel Papiere vor sich, in der Ecke des Raumes am Tisch. Sein Blick ist gefasst, aber sichtlich erschöpft. „Ich kann nicht mehr“, sagt er.

Rawash ist Ägypter, betreibt seine Gastronomien in Berlin seit 2004, hat fünf Kinder. Seit Beginn der Pandemie hielt er sich immer an alle Regeln, passte die Gegebenheiten in seinen Bars an, sorgte für Ordnung. Auf seinen Schultern lastet viel Verantwortung, er beschäftigt saisonabhängig teilweise über 30 Mitarbeiter. Bisher hat Rawash nie den Mut verloren. Doch das hat sich nun geändert.

„Bürgermeister hat es sich sehr leicht gemacht“

Seit der Sperrstunde im Park läuft das Geschäft nicht mehr gut. Denn gerade am Abend im Sommer, so Rawash, würde am meisten Umsatz gemacht. „Warum kann man bei Parks wie diesem nicht von Anfang an Einsatzkräfte beauftragen, dafür zu sorgen, dass gar nicht erst derartige Massen zusammenkommen?“, fragt er fassungslos. „Der Bürgermeister hat es sich sehr leicht gemacht.“

Schlimmer noch, er fühlt sich im Stich gelassen und zu Unrecht beschuldigt. Denn von Dassel sei der Ansicht, es würde hier deshalb mitunter zu Ausschreitungen kommen, weil die anliegenden Bars Billigalkohol verkaufen. „Dabei kostet ein Bier bei mir vier Euro“, sagt Rawash wütend. „Nein, die Leute holen sich das Zeug aus dem nächstgelegenen Geschäft und kommen damit hier her. Aber wer wird bestraft?“

Partys verlagern sich lediglich

Wer sich mit jungen Menschen im Kiez unterhalt, versteht noch besser, was der Barbesitzer meint. Die 18-jährige Marie M. sitzt tagsüber mit einer Freundin im Schatten eines Baumes auf der Wiese. Sie trinken Bier. „Wir haben uns immer gern im James-Simon-Park getroffen“, erzählt sie. „Es ist zentral, gut angebunden und liegt nicht in einer Wohnsiedlung.“

Oft habe man sich am Hackeschen Markt verabredet, Alkohol gekauft und sei dann in den Park gegangen. Jetzt müsse man Alternativen finden. „Die Gegend um den James-Simon-Park ist jetzt wie eine tote Zone“, sagt sie. Die Frage lautet: Wo ist denn die Partyzone?

Spontane Verabredungen in geheimen Social-Media-Gruppen

Die Antwort darauf liefern Telegram-Gruppen wie „Abschuss Berlin“ (Name abgeändert) oder Mund-Propaganda. Bei Technomusik aus Musikboxen kommen fast täglich kleine und größere Gruppen in Parks oder an öffentlichen Plätzen zusammen.

Allerdings muss man bei diesen Aktionen auch schnell sein. Sich von einer solchen Party ein Bild zu machen, ist schwieriger als gedacht. Denn oft ist die Polizei schon innerhalb kurzer Zeit vor Ort.

Was im Dunkeln geschieht

Ich probiere mein Glück in der Nacht zum Samstag im Treptower Park. Auch wenn die Grünflächen nur spärlich bis gar nicht beleuchtet sind, hört man die Menge sofort. Doch gerade erst angekommen, löst sich der Trubel bereits aus. Schnell wird auch klar warum: Die Polizei ist da.

Über die schwach beleuchteten Pfade im Park strömen aus allen Richtungen Personengrüppchen, die von Beamten vertrieben wurden. Dabei sind hier sämtliche Milieus im geschätzten Alter von 17 bis 35 vertreten: Mal junge Touristinnen in Sommerkleidern, mal eine Gruppe aus Männern, die – offenkundig nicht mehr ganz nüchtern – oberkörperfrei durch die Parkanlage laufen. Die eine Runde trägt überwiegend schwarz und Netzstrumpfhosen, bei einer anderen fallen vor allem Rasterzöpfe auf.

Einige geben sich Tipps, wo die Polizei gerade Streife fährt. Das braucht aber es eigentlich nicht, da man durch die schwach beleuchtete Umgebung das blinkende Blaulicht schon von Weitem sieht. Mittlerweile wird sich unter den Verbleibenden ausgetauscht, wo noch eine Party steigt.

Schnell sammelt sich ein neues, kleines Kollektiv an Menschen – diesmal noch etwas weiter abseits der Pfade. Schemenhaft sieht man die schwarzen Silhouetten unter einem Baum tanzen, es sind geschätzte 30 Personen. Aus einer tragbaren Box kommt Technomusik, die hin und wieder plötzlich leise gedreht wird, wenn ein Polizeiwagen auf dem Pfad langsam vorbeirollt.

Statt großem Hotspotgebiet dutzende kleinere?

Im Vergleich zum James-Simon-Park schlagen sich die Leute momentan zumindest nicht die Köpfe ein, auch wenn der ein oder andere schon eine mehr als angeregte Diskussion mit seinem Gegenüber führt. Auch sind es keine 2500 Personen. Geht es aber um die Einhaltung von Corona-Maßnahmen, sieht es ehr mau aus. Dafür spricht auch das Polizeiaufgebot.

Und dieses ist an diesem Tag nicht nur in Treptow unterwegs. Leicht lässt sich über diverse Party-Chatgruppen herausfinden, dass in zahlreichen Parks in Berlin die Polizei aktiv im Einsatz ist und Raves auflöst. Ob sich die Sperrstunde des Hotspots im James-Simon-Park also wirklich gelohnt hat, bleibt fraglich.

  

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