Besser als nur abwarten: Baloxavir zur Postexpositionsprophylaxe

Den G-BA vom Zusatznutzen eines neuen Arzneimittels zu überzeugen, ist kein leichtes Unterfangen. Gilt das auch für innovative Virostatika wie Baloxavir in Xofluza, die bei Influenza eingesetzt werden? Der G-BA findet zumindest in einer Indikation einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen.

Das Grippemittel Baloxavir (Xofluza®) ist in zwei Indikationen zugelassen: zur Behandlung einer unkomplizierten Influenza und zur Postexpositions-Prophylaxe der Influenza, jeweils ab dem Alter von zwölf Jahren. Für die EU erhielt Roche erst am 7. Januar 2021 die Zulassung für sein innovatives Grippe-Arzneimittel, als Vorteile gelten die einmalige Anwendung sowie ein neuer Wirkmechanismus im Vergleich zu etablierten Virostatika bei Influenza, wie Oseltamivir in Tamiflu®

Nun hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen der frühen Nutzenbewertung mit Baloxavir beschäftigt. In einem Punkt sieht der G-BA zumindest einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen.

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So verglich der G-BA – beziehungsweise das dafür beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG – die Postexpositionsprophylaxe nach Influenzaexposition mit reinem beobachtenden Abwarten. Der G-BA erkennt hier in der Prophylaxe mit Baloxavir einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen. Anders wenn die zweckmäßige Vergleichstherapie ein anderes Virostatikum ist, nämlich Oseltamivir oder Zanamivir. In diesem Fall ist laut G-BA ein Zusatznutzen nicht belegt. 

In beiden Fällen wurden Personen ohne Risiko für influenzabedingte Komplikationen betrachtet. Liegen Faktoren vor, die einen schweren Influenzaverlauf begünstigen, lässt sich nach Ansicht des G-BA der Zusatznutzen nicht bewerten, da entsprechende Daten fehlten.

Wie wirkt Baloxavir marboxil?

Baloxavir marboxil nutzt als Virostatikum einen bei Influenzaviren bislang nicht therapeutisch verwendeten Angriffspunkt: Baloxavir hemmt die CAP-abhängige Endonuklease und somit einen der ersten Schritte im Replikationszyklus des Influenzavirus.

Influenzaviren werden mittels Endozytose in die Wirtszelle aufgenommen. Anschließend erfolgt die Freisetzung des viralen Ribonukleoproteins ins Zytosol und in der Folge der Import in den Nucleus. Dort findet – neben der Replikation viraler RNA – die Transkription des Influenzagenoms in virale mRNA statt.

Ohne CAP, keine mRNA der Influenzaviren

Diese Transkription kann jedoch nicht ohne „Kappen“ beginnen. Diese sogenannte CAP-Struktur dient als Primer, als Erkennungssequenz, für die virale RNA-Polymerase. 

Woher stammt diese CAP-Sequenz? Da Viren bekanntermaßen eine recht reduzierte Ausstattung besitzen, „stiehlt“ die virale Endonuklease diese CAP-Strukturen von der Wirtszelle, sprich der zellulären mRNA. Zur Erinnerung: Eine Endonuklease schneidet DNA oder – wie im Falle von Influenzaviren – RNA in der Mitte ihres Nukleotidstranges und schafft somit Mehrfachnukleotide als Spaltprodukt.

Baloxavir verhindert virale Proteinbiosynthese

Hier greift Baloxavir marboxil ein: Es hemmt diese CAP-abhängige Endonuklease. Die 5’-Kappen sind für mehrere Prozesse bedeutend: Sie schützen zum einen die mRNA vor dem Abbau. Zum anderen sind sie wichtig für den Transport der mRNA aus dem Zellkern hin zum Ribosom, wo die Proteinbiosynthese stattfindet. Somit resultiert als Effekt eine CAP-abhängige Endonuklease-Hemmung und eine Proteinbiosynthese aus der viralen mRNA ist nicht möglich.

Keinen Zusatznutzen erkennt der G-BA außerdem, wenn es nicht um die Postexpositionsprophylaxe, sondern um die Behandlung von Influenza mit Baloxavir geht. Hier dienten als zweckmäßig Vergleichstherapie eine symptomatische Behandlung mit Antipyretika, Antiphlogistika, Analgetika oder eine antivirale Therapie mit Oseltamivir oder Zanamivir. In beiden Fällen kommt der G-BA zu dem Schluss: Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.

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