Gesundheitsminister Lauterbach will Affenpocken mit Quarantäne und Impfungen bekämpfen

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Nach dem Auftreten erster Fälle von Affenpocken in Deutschland werden nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Eindämmungsmaßnahmen vorbereitet. Für Deutschland würden aktuell Empfehlungen zu Isolation und Quarantäne erarbeitet, sagte der Minister am Montag am Rande der Weltgesundheitsversammlung in Genf. Er gehe davon aus, dass sie bereits an diesem Dienstag vorgelegt werden könnten. Zudem werde über Impfempfehlungen für besonders gefährdete Personen nachgedacht. Er habe schon Kontakt mit einem Hersteller aufgenommen, der Impfstoffe spezifisch für Affenpocken herstellt, so Lauterbach.

Viruskrankheit in Europa


Affenpocken: Das wissen die Experten. Und so beurteilen sie die Situation

Das Bundesgesundheitsministerium rechnete mit weiteren Affenpocken-Nachweisen. "Aufgrund der vielfältigen Kontakte der derzeit Infizierten ist in Europa und auch in Deutschland mit weiteren Erkrankungen zu rechnen", heißt es in einem Bericht für den Gesundheitsausschuss des Bundestages. Bis Sonntag waren demnach bundesweit vier Fälle erfasst, einer in München und drei in Berlin. Proben zahlreicher weiterer Menschen werden analysiert, zudem suchen Behörden nach Kontaktpersonen nachweislich Infizierter. Weltweit sind inzwischen weit über 100 Fälle nachgewiesen, wegen der langen Inkubationszeit von bis zu drei Wochen gehen Experten von einer Vielzahl weiterer Meldungen in nächster Zeit aus.

Wie lange dauert die Quarantäne?

Die britische Gesundheitsbehörde UKHSA setzte am Montag als empfohlene Quarantänezeit für enge Kontaktpersonen von Infizierten drei Wochen fest. Belgische Behörden ordnen eine 21-tägige Isolation für Infizierte an, wie eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums am Montag bestätigte. Für Kontaktpersonen gilt dies dort nicht, ihnen wird nur zu besonderer Vorsicht geraten.

Quarantäne finde er "in dieser Phase richtig und wichtig", schrieb der Charité-Infektiologe Leif Sander bei Twitter. Es handle sich um einen sehr dynamischen globalen Ausbruch und über sein Ausmaß und die Infektionskette sei momentan noch zu wenig bekannt. Alle engen Kontaktpersonen von Infizierten sollten isoliert werden, um weitere Übertragungen bestmöglich zu verhindern.

Wer kann sich gegen die Affenpocken impfen lassen?

In Großbritannien gilt als Kontaktperson mit hohem Risiko für eine Ansteckung, wer im Haushalt mit einer erkrankten Person lebt, mit einer solchen Geschlechtsverkehr gehabt oder deren Bettwäsche ohne Schutzkleidung gewechselt hat, wie es von der Behörde UKHSA hieß. Diese Gruppe soll demnach auch eine schützende Impfung erhalten. Verwendet werde ein Vakzin der "dritten Generation" gegen die als ausgestorben geltende Pockenkrankheit beim Menschen. Experten gehen davon aus, dass solche Pockenimpfstoffe auch gegen die Affenpocken gut schützen.

In der Bundesrepublik sei eine Pockenimpfung bis 1975 für Einjährige Pflicht gewesen, in der DDR sei die Impfpflicht 1982 aufgehoben worden, heißt es in dem Bericht des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, ist wegen der höheren Risiken für Ungeimpfte für ein Impfangebot. "Es wäre deswegen sinnvoll, allen Jüngeren, die nicht mehr unter die Pockenimpflicht gefallen sind, jetzt ein Impfangebot zu machen", sagte er der Funke Mediengruppe. "Wir sollten dabei in erster Linie an die aktuell besonders gefährdeten Gruppen denken – also in der Regel jüngere Männer mit vielen wechselnden Sexualkontakten."

Wer ist besonders betroffen?

"Aktuell scheinen die Risikoexpositionen vorwiegend sexuelle Kontakte unter Männern zu sein", hieß es auch vom BMG. "Expositionsorte der in Deutschland bislang bekanntgewordenen Fälle waren Party-Veranstaltungen, unter anderem auf Gran Canaria (Spanien) und in Berlin, bei denen es zu sexuellen Handlungen kam."

Auch wenn die weltweit erfassten Infektionen derzeit in erster Linie Männer betreffen, die Sex mit anderen Männern hatten: Eine Übertragung ist generell bei engem Kontakt und über kontaminierte Materialien möglich. Die Weitergabe über die Luft spielt – anders als etwa bei Corona – hingegen kaum eine Rolle.

Anfang Mai war ein Affenpocken-Fall in Großbritannien nachgewiesen worden – Experten zufolge kursierte der Erreger da aber wohl bereits in vielen Ländern. Das Virus verursacht nach Angaben von Gesundheitsbehörden meist nur milde Symptome wie Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen und Hautausschlag. Affenpocken können aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen, in Einzelfällen sind tödliche Erkrankungen möglich. Folgen einer überstandenen Infektion können Narbenbildung und selten auch Erblindung sein.

Gran Canaria


Affenpocken: Behörden vermuten "Maspalomas Pride"-Party als zweiten Ansteckungsherd

Auch in den Jahren zuvor hatte es in westlichen Ländern Affenpocken-Fälle gegeben – allerdings nur vereinzelt und hauptsächlich auf Ansteckungen in Afrika zurückgehend. Bei den nun erfassten Fällen handelt es sich inzwischen um Infektionsketten innerhalb westlicher Länder. Wo die Ursprünge der aktuellen Infektionswelle lagen, ist bisher noch weitgehend unklar. Komplett überraschend komme der Ausbruch nicht, sagte Ärztefunktionär Montgomery. "Wir müssen uns durch die weltweit wachsende Mobilität und die engen Kontakte zwischen Menschen und Tieren immer öfter auf solche Virus-Ausbrüche einstellen."

Extrem wichtig ist der Virologin Isabella Eckerle von der Universität Genf zufolge die Isolierung Betroffener in Kliniken. Das reduziere die Ausbringung des stabilen Virus in die Umwelt, erklärte sie bei Twitter: "Man muss vermeiden, dass sich bei uns Tierreservoire ausbilden (Ratten im Abwasser/häusliche Abfälle, Haustiere, Nutztiere)". Affenpocken könnten verschiedene Spezies infizieren. Die Etablierung dauerhafter Tierreservoire außerhalb Afrikas wäre ein großes Problem – sowohl bei Wild- als auch bei Nutztieren, warnte sie. Dieser Aspekt dürfe nicht zu spät Beachtung finden.

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