KV Hessen wettert weiter gegen Dienstleistungen

Die verfasste Ärzteschaft ist nicht glücklich damit, dass Apotheken nun pharmazeutische Dienstleistungen erbringen und diese mit den Kassen abrechnen dürfen. Besonders hervorgetan hat sich mit ihrer Kritik die Kassenärztliche Vereinigung Hessen, erst vor wenigen Tagen wetterte Vorstandschef Frank Dastych erneut bei einer Debatte im Deutschlandfunk. Doch mit Stänkern gibt man sich offensichtlich nicht zufrieden: Die KV Hessen hat zudem Klage gegen den Schiedsspruch erhoben.

Seit der Schiedsspruch zu den pharmazeutischen Dienstleistungen bekannt geworden ist, lassen die Funktionäre der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen keine Gelegenheit aus, um mal mehr, aber meist weniger sachlich ihren Unmut über das neue Angebot der Apotheken kundzutun. So auch vergangenen Freitag bei einer Debatte im Deutschlandfunk, wo Frank Dastych, Arzt und Vorstandschef der KV Hessen, seinen Ärger erneut kommunizierte. Apotheker wüssten wohl gut Bescheid über die chemische Zusammensetzung von Medikamenten, nicht aber über Krankheiten, sagte er. Und weiter: „Wenn man aber keine Ahnung von den Erkrankungen der Patienten hat, dann kann man die Arzneimitteltherapie schon mal gar nicht beurteilen. Wissen Sie, wenn ich noch niemals in meinem Leben einen Automotor auseinandergebaut habe, dann kann ich auch nicht wissen, ob die Werkzeuge, die hier auf dem Tisch liegen, dafür die geeigneten sind. Schauen Sie doch mal in das Curriculum rein, was ein angehender Pharmazeut an der Uni so lernt. Und dann frage ich mich allen Ernstes: Würden Sie sich von so jemandem ein hochwirksames, unter Umständen auch nebenwirkungsreiches Arzneimittel verordnen lassen? Würden sie das nehmen? Also ich kenne keinen Menschen, der halbwegs bei Verstand ist, der das machen würde.“

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GKV-Spitzenverband klagt gegen Schiedsspruch

Aus der Sendung geht ebenfalls hervor, dass die KV zudem den Klageweg beschritten hat. Ebenso wie der GKV-Spitzenverband hat sie gegen den Schiedsspruch geklagt. Mehr will sie aber auf Nachfrage nicht preisgeben.

ABDA-Präsidentin vermutet „Futterneid“

Für ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, die ebenfalls an der Debatte teilnimmt, beruht die Ärzte-Kritik auf dem großen Missverständnis, dass Ärzte glaubten, ihre initiierte Therapie solle noch mal kontrolliert werden. „Das ist nicht unser Fokus. Das ist nicht das, was wir wollen. Wir wollen den Menschen helfen, dass sie ihre Therapie verstehen, dass sie ihre Therapie sicher und ganz effizient anwenden, damit es ihnen damit dann bessergeht“, sagt sie im Deutschlandfunk. Sie hält das Wettern der Ärzte für abwegig. Dahinter steckt in ihren Augen vor allem ein Verteilungskampf. Es gebe einen Topf und wenn da einer etwas rausbekomme, gebe es schnell Futterneid verbunden mit der Angst, dass einem das, was der andere bekommt, später weggenommen wird.

Zuspruch vom Gesundheitsökonomen

Die Deutschlandfunk-Debatte zeigt zudem, dass es auch außerhalb der Apothekerschaft Fürsprecher für die pharmazeutischen Dienstleistungen gibt. So ist beispielsweise Wolfgang Greiner, Inhaber des Lehrstuhls für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement an der Universität Bielefeld und stellvertretender Vorsitzender des Gesundheits-Sachverständigenrats, der die Bundesregierung wissenschaftlich berät, über die Vehemenz der Konflikte zwischen Apotheker- und Ärzteschaft verwundert. Speziell bei dieser „Apotheker-Frage“ findet er das „heftig“.

Er attestiert dem deutschen Gesundheitssystem eine große Arztzentriertheit. Bei vielen Dingen, die anderswo nicht-ärztliche Berufsgruppen machten, müsste hierzulande immer ein Arzt gefragt werden. So sei auch die Position des Apothekers anderswo eine andere, gerade wenn man ans Impfen denke. „Die haben dort mehr Tätigkeiten, die ihnen zufallen. Und die Erfahrungen sind eigentlich nicht schlecht“, sagt Greiner und verweist auf tendenziell höhere Impfquoten in Ländern, in denen Impfungen in Apotheken möglich seien. In den Augen des Wirtschaftswissenschaftlers ist es aber auch aus praktischen Erwägungen sinnvoll, wenn nicht ärztliches Personal medizinische Aufgaben übernimmt. Es gebe hier Ressourcen, die breit genutzt werden können – von sehr qualifiziertem Personal. Damit meint er nicht nur Apotheker, sondern beispielsweise auch Physiotherapeuten. Qualitätseinbußen befürchtet er bei entsprechend geschultem Personal nicht.

Kritikpunkt: fehlende Evaluation

Einen großen Kritikpunkt an dem aktuellen Modell der Dienstleistungen hat Greiner, der sich bei der Diskussion über die künftige Rolle der verschiedenen Gesundheitsberufe mehr Gelassenheit wünscht, allerdings: die fehlende Evaluation. Die sei im Gesetz nicht vorgesehen. ABDA-Präsidentin Overwiening, ist sich allerdings sicher, dass sich der Nutzen auch ohne vorgeschriebene Auswertung belegen lässt – und verweist auf die Ergebnisse von ARMIN, die Ende Oktober veröffentlicht werden sollen. „Wenn Sie die Ergebnisse sehen, dann brauchen Sie keine Evaluation mehr. Das ist die beste Evaluation, die man wirklich haben kann. Ich darf die Ergebnisse jetzt noch nicht verraten, aber sie sind exorbitant. Sie sind wirklich so beeindruckend und wir müssen uns hier wirklich darauf besinnen, was wir schon an Daten haben. Nichtsdestotrotz sind wir offen dafür. Auch wir wollen ja gerne belegen, was wir da leisten, und wir werden gucken, was wir und wann wir und wie wir evaluieren. Da wird sicherlich in den nächsten Jahren einiges an Ergebnissen von uns kommen.“

Struktur der Apotheken nutzen

In der Runde sitzt noch eine weitere Befürworterin der Dienstleistungen außerhalb der Apothekerschaft: Carola Sraier, eine der Sprecherinnen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen. Sie hält Medikationsberatung in Apotheken für sinnvoll. Bei der aufgegliederten Behandlung durch viele Fachärzte habe jeder nur sein Segment im Blick, sagt sie. Sie findet es wichtig, die Apotheken vor Ort zu nutzen und den Patienten Strukturen zu geben, die der Hausarzt gar nicht bieten kann.

Mehr Ärzte statt ärztliche Aufgabe für Nicht-Mediziner?

Den Starnberger HNO-Arzt Bernhard Junge-Hülsing, der die Auffassung vertritt, dass apothekerliche Beratung Patienten eher verunsichert, können Greiner und Sraier allerdings nicht überzeugen. In seinen Augen geht die gesamte Entwicklung in eine völlig falsche Richtung: Die Politik versuche, einen drohenden Mangel an Ärzten auszugleichen, indem sie ärztliche Aufgaben in andere Hände gibt. Das sei der falsche Schluss: „Wir brauchen einfach mehr Ärztinnen und Ärzte“, so Junge-Hülsing.

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