Schlimmerer Covid-Verlauf durch Impfung? Immunologe zerlegt Antikörper-Theorie

Über Impfungen kursieren im Netz viele Halbwahrheiten und Falschinformationen. Eine immer öfter geteilte Theorie besagt jetzt: Die durch die Impfung gebildeten Antikörper würden den Verlauf von Covid-19 negativ beeinflussen. Mediziner Carsten Watzl erklärt, warum das falsche Panikmache ist.

Immer wieder gibt es neue Gerüchte über die Corona-Impfungen. Mal ist die Rede von einer schlechten Wirksamkeit, mal geht es um angeblich gravierende Nebenwirkungen. Aktuell wird eine Theorie über die Antikörper verbreitet, die durch eine Corona-Impfung entstehen. Diese würden die Infektion und den Covid-19-Verlauf verschlimmern, sofern sich ein Geimpfter irgendwann doch mit Corona infiziere. Impfgegner warnen in diesem Zusammenhang vor dem sogenannten ADE-Phänomen.

Bei Corona gibt es diesen Effekt allerdings gar nicht – das betont Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Auf Twitter erklärt er, was hinter dem Antibody-Dependent Enhancement-Effekt steckt und warum bei der Corona-Impfung davon keine Gefahr ausgeht. FOCUS Online erklärt, was Sie zur Antikörper-Theorie wissen müssen.

Immunologe Watzl: „Ist eine Falschinformation“

„Leider werden viele Ungeimpfte durch absichtliche Falschinformationen verunsichert. Dass die Corona Impfung infektionsverstärkende Antikörper erzeugen könnte, ist so eine Falschinformation!“, schreibt der Dortmunder Wissenschaftler.

Auch das Paul-Ehrlich-Institut erklärt auf seiner Website: „Bislang gibt es weder im Tiermodell einer Sars-CoV-2-Infektion, noch bei Covid-19-Genesenen oder Sars-CoV-2-Infizierten Hinweise auf das Vorkommen einer ADE-verursachten Infektionsverstärkung.“

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Woher die Antikörper-These kommt

Dass es infektionsverstärkende Antikörper, also den ADE-Effekt, bei anderen Infektionen gibt, schließt Immunologe Watzl nicht aus. Er nennt als Beispiel das Dengue-Fieber. Bei diesem würden manchmal zwar bei der ersten Infektion Antikörper gebildet, die das Virus binden. Sie neutralisierten es aber nicht.

„Bei der zweiten Infektion können diese Antikörper dann die Krankheit verstärken, da sie das Virus binden und zur Infektion von Immunzellen führen können“, erklärt der Mediziner. IfADo Immunologe Carsten Watzl

Nicht nur beim Dengue-Fieber, auch bei Sars und Mers hätten Forscher unter bestimmten Bedingungen in Tiermodellen eine solche Verstärkung durch Antikörper beobachtet. Das verdeutlichen mehrere Studien. Bei Sars stellten Forscher aus den USA etwa fest, dass Impfungen bei Mäusen, die geringe Antikörperspiegel entwickelten, eine nachfolgende Infektion verschlimmern konnten. Zudem lösten Impfungen gegen das N-Protein des Sars-Virus womöglich verstärkende Antikörper aus. Das ermittelte eine weitere Untersuchung aus Japan.

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    „Daher war das ein wichtiger Punkt, auf den bei der Entwicklung der Impfstoffe geachtet wurde“, erklärt Watzl. Aus diesem Grund richteten sich die Corona-Impfstoffe gegen das Spike-Protein des Virus und nicht gegen das N-Protein. Zudem achteten die Wissenschaftler bei der Entwicklung darauf, hohe neutralisierende Antikörper zu generieren.

    Auch das Paul-Ehrlich-Institut „betreibt eigene Forschungsarbeiten zu dieser Thematik und adressiert diese als theoretisches Risiko von Covid-19-Impfstoffen frühzeitig in seinen regulatorischen Beratungen der Covid-19-Impfstoffentwickler zu nicht-klinischen und klinischen Prüfungen“, wie das Bundesgesundheitsministerium erklärt.

    Keine heftigerer Covid-Verlauf durch Impf-Antikörper

    Das Argument mancher Impfgegner, dass sich der Effekt der infektionsverstärkenden Antikörper erst in der Zukunft, also lange nach den Zulassungsstudien zeigen könne, entkräftet Watzl. Beim Dengue-Fieber habe man diesen Effekt zwar erst nach mehreren Jahren entdeckt – er sei aber von Beginn an aufgetreten: allerdings nur bei einer kleinen Gruppe.

    „Bei Covid-19 haben wir weltweit 5,5 Milliarden Impfdosen verabreicht. Selbst Effekte in noch so kleinen Untergruppen hätte man identifiziert“, erklärt er. „Daher gibt es bei den Covid-19-Impfungen keine infektionsverstärkenden Antikörper.“

    Die Sorge vor infektionsverstärkenden Antikörpern sollte also niemanden davon abhalten, sich gegen Corona impfen zu lassen. „Dafür sprechen auch die Fakten, dass die Infektion nach einer Impfung milder ablaufe als ohne Impfung.“ Es gelte weiterhin, dass impfen schütze, unterstreicht der Mediziner.

    Impftempo in Deutschland hat stark nachgelassen

    Welche Effekte Falschaussagen wie diese haben können, zeigt ein Blick auf das Impftempo in Deutschland. Immer weniger Menschen entscheiden sich aktuell für eine Impfung.

    In den vergangenen Wochen impften wir teilweise so langsam wie im Februar. Damals war der Biontech-Impfstoff erst weniger Wochen zugelassen. Die Impfkampagne stand komplett am Anfang: Nur rund 4,5 Millionen Impfdosen stand laut Gesundheitsministerium zur Verfügung – in der vergangenen Woche waren es über 100 Millionen.

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    Dass unser Impftempo immer weiter nachlässt, ist gefährlich. Denn mit dieser Geschwindigkeit benötigen wir noch mehrere Monate, um die vom RKI ausgemachten Quoten zu erzielen, mit denen wir eine starke Welle im Winter verhindern.

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