Schwaches Herz schadet dem Gehirn – Studie entdeckt Zusammenhang – Heilpraxis

Gestörte Genaktivität im Gehirn infolge von Herzproblemen?

Mögliche Zusammenhänge zwischen der Herzfunktion und dem Gehirn werden in der Fachwelt schon seit längerem diskutiert, doch blieb der zugrundeliegende Mechanismus bisher unklar. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass Herzprobleme eine gestörte Genaktivität in der Gedächtniszentrale des Gehirns zur Folge haben, woraus sich kognitive Einbußen entwickeln.

Forschende des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) haben in Laborstudien nach möglichen Ursachen für den Zusammenhang zwischen kognitiven Beeinträchtigungen und Herzproblemen gesucht – und wurden fündig. Die Genaktivität im Gehirn wird demnach bei Störungen der Herzfunktion beeinträchtigt, was zu kognitiven Einbußen führt. Veröffentlicht wurden die entsprechenden Studienergebnisse in dem Fachmagazin „EMBO Molecular Medicine“.

Zusammenhang zwischen Herz und Hirn

Im vergangenen Jahr hatte eine Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Zusammenarbeit mit Forschenden des Herzzentrums Leipzig bereits nachgewiesen, dass eine Herzschwäche auch das Gehirn schwächt. Bei beeinträchtigter Herzfunktion sank demnach die Dichte der Grauen Substanz im Gehirn.

Vier Millionen Betroffene

„In Deutschland sind rund vier Millionen Menschen von einer sogenannten Herzinsuffizienz betroffen: Ihr Herzmuskel ist zu schwach, um ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen und daher krankhaft vergrößert“, berichtet das DZNE in einer Pressemitteilung zu den aktuellen Studienergebnissen. Hierunter leiden nicht nur die körperliche Fitness und die Lebensqualität, sondern die betroffenen Personen haben auch ein erhöhtes Demenz-Risiko, so das DZNE weiter.

Kognitive Defizite durch Herzschwäche

„Bei Menschen mit kardiologischen Problemen und insbesondere einer Herzschwäche kann es zu merklichen kognitiven Defiziten und erhöhtem Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung kommen. Mögliche Gründe sind unter anderem die beeinträchtigte Blutversorgung des Gehirns und Störungen des Hippocampus, das ist die Schaltzentrale des Gedächtnisses“, erläutert Professor André Fischer von der Universitätsmedizin Göttingen.

Beeinträchtigung der Genaktivität

Bisher blieb jedoch völlig unklar, welche Fehlfunktionen in den Nervenzellen ausgelöst werden, so Professor Fischer weiter. In der aktuellen Studie konnten die Forschen nun erstmals an Mäusen nachweisen, dass sich infolge von Herzproblemen eine Beeinträchtigung der Genaktivität im Hippocampus entwickelte. Zudem hätten die Mäuse mit Herzschwäche in Gedächtnistests deutlich schlechter abgeschnitten als ihre gesunden Artgenossen, berichtet Professor Fischer.

Wickelung der DNA entscheidend

Bei der Untersuchung der Nervenzellen aus dem Hippocampus der Mäuse mit Herzschwäche stellten die Forschenden erhöhte Stresssignale und eine veränderte Genaktivität fest. Letztere hänge von der veränderten Wicklung der DNA ab. So umfasse das Erbgut einer Maus – und auch des Menschen – jeweils rund 20.000 Gene, von denen in jeder Zelle allerdings immer nur ein Teil aktiv sei. Dies sei jedoch kein simpler An- oder Auszustand, sondern die Aktivität könne stark oder weniger stark ausfallen, was unter anderem davon abhänge, wie eng die DNA gewickelt ist und wie zugänglich die darauf liegenden Gene somit sind.

Bei der Maus und auch beim Menschen ist die DNA laut Aussage der Forschenden jeweils über einen Meter lang, doch in einer Zelle werde sie stark komprimiert. Doch können die „Gene nur dann aktiv sein, wenn sie der Maschinerie der Zelle zugänglich sind“ und „dazu muss die DNA an den entsprechenden Stellen etwas lockerer gewickelt sein“, erläutert Professor Fischer. Dies sei „ähnlich wie bei einem Garnknäuel, aus dem Schlaufen herausragen.“

Bei Mäusen mit Herzproblemen war die DNA in den Nervenzellen enger gewickelt als bei gesunden Artgenossen und diverse Gene, die für die Funktion des Hippocampus von Bedeutung sind, waren daher weniger aktiv als bei gesunden Tieren, berichtet das Forschungsteam von seinen Studienergebnissen. Ursache der engen DNA-Wicklung seien chemische Veränderungen an den Histonen, speziellen Eiweißstoffe, die gewissermaßen als Garnrollen fungieren, um die sich die DNA wickelt.

Neue therapeutische Ansätze

In früheren Studien hatten die Forschenden bereits nach Wirkstoffen gesucht, die die Histone beeinflussen und das Krebsmedikament „Vorinostat“ als einen Wirkstoff identifiziert, der genetische und altersbedingte Gedächtnisprobleme bei Mäusen lindern kann. Im Rahmen einer klinischen Studie des DZNE werde Vorinostat für die Therapie von Menschen mit Alzheimer bereits untersucht.

In der aktuellen Studie verabreichten die Forschenden diesen Wirkstoff nun an die Mäuse mit Herzschwäche, wodurch sich die Pumpleistung des Herzens nicht wesentlich änderte, die Gedächtnisleistung sich jedoch verbesserte. So zeige die Studie nicht nur eine Ursache für das erhöhte Demenz-Risiko bei Menschen mit Herzproblemen auf, sondern weise auch auf eine mögliche medikamentöse Therapie der geistigen Ausfallerscheinungen hin.

„Vorinostat wirkt erwiesenermaßen auf die Histone und somit auf die Genaktivität. Unsere Studie gibt damit erste Hinweise auf die molekularen Vorgänge, die bei Herzproblemen zu kognitiven Störungen beitragen und sie zeigt mögliche Ansatzpunkte für die Therapie“, betont Professor Fischer. Bisher bleibe jedoch noch unklar, warum infolge der Herzinsuffizienz die Genaktivität im Hippocampus gestört ist.

Wichtige Fragen, die es nun in zukünftigen Studien zu klären gelte, seien zum Beispiel, welche Rolle die mangelhafte Blutversorgung des Gehirns spielt und ob vom kranken Herzen vielleicht Stoffe freigesetzt werden, die auf die Histone wirken, resümiert Professor Fischer. (fp)

Autoren- und Quelleninformationen

Quelle: Den ganzen Artikel lesen