Soll ich mein Kind jetzt gegen Corona impfen lassen?

Schulschließungen soll es im Herbst und Winter keine mehr geben – auch wenn die Infektionszahlen steigen. Viele Eltern fragen sich gerade jetzt, ob sie ihre Kinder doch lieber impfen lassen sollten. Doch ist das wirklich nötig? Das sagen Experten dazu.

Die Infektionszahlen steigen wieder, und mit einer neuen Welle im Herbst ist zu rechnen. Laut neuem Infektionsschutzgesetz, das ab Oktober in Kraft tritt, soll es keine Schulschließungen mehr geben. Eine gute Nachricht, denn die psychosozialen Auswirkungen von Homeschooling und Lockdown für Kinder und Eltern waren alles andere als positiv. Allenfalls eine Maskenpflicht für Schüler ab der fünften Klasse sehen die neuen Regeln vor. Ist also gerade im Hinblick auf den Herbst eine Impfung für Kinder sinnvoll?

Stiko empfiehlt Kindern ab fünf Jahren Corona-Impfung

Zwar steht Kindern bis vier Jahren noch kein zugelassener Impfstoff zur Verfügung, aber Kinder ab fünf Jahren schon. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt daher ab dieser Altersgruppe eine Corona-Impfung. Demnach reicht bei

  • gesunden Kindern von fünf bis elf Jahren eine Dosis aus.
  • Nur Kinder in dieser Altersgruppe, die Kontakt zu Risikogruppen haben, sollten sich laut Stiko zweifach impfen lassen.

Kindern dieser Altersgruppe, die ein erhöhtes Risiko eines schweren Covid-19-Verlaufs aufgrund von Vorerkrankungen haben, empfiehlt die Stiko aktuell:

  • eine Grundimmunisierung bestehend aus zwei Impfungen sowie zwei Auffrischungsimpfungen.
  • Für Kinder und Jugendliche von 12 bis 17 Jahren empfiehlt die Stiko zwei Imfpdosen plus eine Auffrischungsimpfung.

Einen zweiten Booster empfiehlt sie nur Kindern ab fünf Jahren, wenn sie wegen Vorerkrankungen ein Risiko für einen schweren Verlauf haben. Diese Empfehlung soll auch auf die neuen Omikron-Booster-Impfstoffe ausgeweitet werden, die aber nur für Kinder ab 12 Jahren zugelassen sind.

  • Lesetipp: Vor allem für Risikogruppen – Stiko empfiehlt Omikron-Booster – was Sie jetzt wissen müssen

Impfquote bei Kindern in Deutschland niedrig

Doch bisher stößt das Impfangebot für Kinder in Deutschland nicht auf große Resonanz. In der Altersgruppe von fünf bis elf Jahren, zu der 5,3 Millionen Kinder gehören, liegt die Impfquote laut Impfdashboard des Bundesgesundheitsministeriums gerade mal 20,2 Prozent. In der Altersgruppe von 12 bis 17 Jahre, zu der 4,5 Millionen Menschen gehören, liegt die Impfquote aber deutlich höher: Hier verfügen über 69 Prozent über eine Grundimmunisierung und 31 Prozent sind bereits einmalig geboostert.

Corona-Infektionen bei Kindern meistens mild – vor allem bei Omikron

Laut Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) verläuft bei Kindern und Jugendlichen eine Corona-Infektion meist mild oder sogar ganz ohne Anzeichen. Dennoch sind schwere Verläufe möglich – vor allem wenn Risikofaktoren wie Übergewicht oder Vorerkrankungen wie Asthma und Diabetes vorhanden sind. In seltenen Fällen besteht auch die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche das PIMS-Syndrom entwickeln. Dabei handelt es sich um eine schwere multisystemischen Entzündungsreaktion im Körper, die unbehandelt tödlich enden kann.

Durch Omikron sind diese Gefahren aber deutlich zurückgegangen. Laut BZgA mussten weniger Kinder im Krankenhaus behandelt werden als bei den Vorgänger-Varianten, auch die Aufenthaltsdauer sei insgesamt kürzer.

Meist vorerkrankte und ungeimpfte Kinder mit Corona hospitalsiert

Das bestätigt auch Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Köln und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin: „Die Krankheitslast der Kinder ist unter Omikron zum Glück ausgesprochen gering“, sagte er gegenüber „Zeit.de“. Zwar habe es auch Krankenhausfälle mit Omikron gegeben, gerade bei Säuglingen, deren enge Atemwege schnell durch die Infektion zuschwellen, aber dies sei auch bei anderen Viren der Fall und ließe sich gut behandeln, so Dötsch weiter.

Ähnliches bestätigt auch der Kinderinfektiologe Robin Koppe vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Die Kinder, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, seien meist vorerkrankte Kinder unter fünf Jahren oder ältere Kinder gewesen, die nicht geimpft waren, sagte er gegenüber „Zeit.de“. Durch Omikron seien also weniger Kinder auf den Intensivstationen gelandet als durch Delta.

Pims-Syndrom durch Omikron seltener geworden

Das bestätigten auch die Daten des Divi-Intesnsivregisters. Demnach liegen derzeit in der Altersgruppe der 0 bis 17-Jährigen 23 Covid-19-Fälle auf der Intensivstationen in Deutschland. Das sind bei Infektionszahlen von über 33.000 Fällen im 7-Tage-Mittel nicht viele. Im Vergleich: In der Altersgruppe ab 60 Jahren sind es über 250 Fälle, in der Altersgruppe ab 70 über 290 Fälle. Die Anzahl der betroffenen Kinder ist also klein.

Auch die PIMS-Fälle unter Infizierten Kindern sei durch Omikron zurückgegangen. Dies bestätigen auch mittlerweile einige internationale Studien. Unterschätzen sollte man das Virus dennoch nicht: Laut Kobbe lag auch ein gesundes 12-jähriges Kind auf seiner Station, das durch die Omikron-Infektion eine Herzmuskelentzündung bekam, die durchaus kritisch verlief, gab er zu Bedenken.

Kinderinfektiologe Kobbe: Impfung senkt Erkrankungsrisiko deutlich

Aus diesem Grund empfiehlt der Mediziner Kindern auch eine Impfung. „Auch wenn das Risiko eines schweren Verlaufs für Kinder unter Omikron geringer geworden ist: Impfungen können es noch mal deutlich senken“, sagt Kobbe weiter gegenüber „Zeit.de“.

Laut einer Studie aus Singapur, die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, senke eine Impfdosis in dieser Altersgruppe das Hospitalisierungsrisiko bereits um 42 Prozent, eine zweifache Impfung sogar um 83 Prozent.

Auch gehen Experten davon aus, dass Impfungen das Long-Covid-Risiko bei Kindern senkt, denn auch sie können noch nach der akuten Infektion über Wochen hinweg an Symptomen leiden. Genaue Fallzahlen gibt es allerdings dazu nicht.

Kinderarzt Terhardt: Auch ehemals infizierte Kinder sollten sich impfen lassen

Der Kinderarzt Martin Terhardt, der auch Stiko-Mitglied ist, empfiehlt sogar Kindern eine Impfung, die bereits eine Omikron-Infektion durchgemacht haben. „Wir gehen weiterhin davon aus, dass eine einmalige Infektion mit Omikron keine anhaltende und breite Immunität gegen andere Varianten hinterlässt“, sagte er im Interview mit „Zeit.de“.

Eine zusätzliche Impfung könne diese Immunität verbessern. Das sei gerade jetzt im Hinblick auf den Herbst wichtig. Vor allem aber für Vorerkrankte sind mehrfache Impfungen gemäß Stiko-Empfehlung wichtig.

Infektiologe Kobbe rät auch gesunden Kindern zur Dreifach-Imfpung

Entgegen der Empfehlung der Stiko rät Kobbe sogar Kindern ohne Vorerkrankung in der Altersgruppe von 5 bis 11 Jahren zu einer dreifachen Impfung statt einer empfohlenen Einfachimpfung. „Ich würde auch Eltern gesunder Kinder dazu raten, diese insgesamt dreimal impfen zu lassen“, sagt Kobbe weiter bei „Zeit.de“. Dies sei gerade für Heranwachsende, die noch keine Infektion durchgemacht hätten, wichtig – sowie für Kinder, deren Infektion schon länger zurück läge. 

Off-Label-Impfung für Kinder unter fünf Jahren nicht ratsam

Für Kinder unter fünf Jahren könnte es in der EU auch bald einen zugelassenen Impfstoff geben. Die Europäischen Arzneimittelagentur EMA prüft bereits Vakzine für diese Altersgruppe. Eine Off-label-Impfung von Kindern unter fünf Jahren, also eine Impfung ohne Zulassung, wie manche Ärzte sie vornehmen, sehen viele Kindermediziner aber kritisch. Auch Dötsch rät bei „Zeit.de“ auf die Zulassung durch die EMA zu warten.

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