Als Weltsensation beworbener Krebstest existierte so gar nicht

Der als „Meilenstein“ und „Weltsensation“ beworbene Krebstest des Universitätsklinikums Heidelberg scheint nicht mal als Prototyp verfügbar zu sein. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ beauftragte die Klinik einen Tumorbiologen damit, den Test zu überprüfen. Dieser erklärte, dass das Produkt in der dargestellten Form noch nicht existiere.

„Somit können auch keinerlei Angaben zum diagnostischen Wert des avisierten, aber noch nicht vorhandenen Produktes gemacht werden“, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ aus einer internen Stellungnahme des Tumorbiologen. Angaben aus einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums müssten „als nicht begründet angesehen werden“.

Die Universitätsklinik hatte in einer Pressemitteilung im Februar in Aussicht gestellt, dass der Bluttest Brustkrebs bereits im Frühstadium erkennen könne. Demnach sollte das Produkt noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Die „Bild“-Zeitung präsentierte die Entwicklung als „Weltsensation“. Die Uniklinik selbst und das Unternehmen Heiscreen, eine Ausgründung der Klinik, schrieben von „einem Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik“.

Erste Kritik direkt nach der Verkündung

Bereits nach Erscheinen der Pressemitteilung und des „Bild“-Artikels hatten sich unabhängige Experten skeptisch geäußert, da die Forschungsergebnisse noch nicht – wie bei diesem Stand üblich – in einem Fachmagazin veröffentlicht worden waren.

Als Motiv der PR-Kampagne liegen finanzielle Interessen nahe. Der Aktienkurs eines chinesischen Investors, der NKY Medical Holding, stieg nach dem Erscheinen des „Bild“-Artikels um mehr als 35 Prozent.

Ebenfalls brisant ist, dass die Ärzte des Universitätsklinikums, die den Test vorstellten und sich durch die Firmenausgründung Heiscreen Anteile an möglichen Erlösen sicherten, diesen gar nicht erfunden haben. Stattdessen forschte ein Team um die Chinesin Rongxi Yang mehrere Jahre sehr erfolgreich daran, bis im Frühjahr 2017 eine Firmenausgründung kurz bevor stand.

Damals ließ eine Firma, die Ausgründungen des Universitätsklinikums Heidelberg unterstützen soll und mehrheitlich zum Universitätsklinikum gehört, die Verhandlungen plötzlich und ohne triftige Gründe platzen, wie der SPIEGEL berichtete. Daraufhin verließ der Großteil des ursprünglichen Forscherteams das Uniklinikum, wodurch erhebliches Know-How verloren ging.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Der Fall beschäftigt mittlerweile auch die Justiz. Im April stellte das Universitätsklinikum Heidelberg Strafanzeige gegen unbekannt, in einer Mitteilung begründete sie den Schritt mit Anzeichen eines unlauteren Vorgehens bei der Entwicklung und Ankündigung des Tests. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg nahm Vorermittlungen auf. Auch die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Mannheim ermittelt.

Vergangene Woche stellte die Uniklinik zudem den Geschäftsbereichsleiter Recht und Drittmittelmanagement der Klinik, Markus Jones, vorübergehend frei. Er ist zusätzlich Geschäftsführer der Firma Technology Transfer Heidelberg (TTH), die für Firmenausgründungen zuständig ist und die Verhandlungen mit den eigentlichen Erfindern des Tests geführt hatte. Der Aufsichtsrat der Klinik begründete die Freistellung damit, dass Jones in die Aufklärung der Sachverhalte verwoben sei und deshalb Interessenkonflikte bestehen könnten.

Dem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge gab es mehrere Warnzeichen vor der Veröffentlichung der Pressemitteilung. Demnach äußerte die Pressesprecherin der Klinik mehrmals Bedenken, weil „Daten und Validität“ des Tests „noch nicht ganz klar“ seien. Auch der jetzt freigestellte Geschäftsführer forderte den Dekan laut „Süddeutscher Zeitung“ dazu auf, die Angaben zu dem Test vor einer Veröffentlichung zu überprüfen. Bewahrheiten sich die Vorwürfe, sind auch die Vorstände des Uniklinikums in den Skandal verwickelt.

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