Assauer sang die Schalke-Hymne: 5 Strategien, um Alzheimer-Patienten zu erreichen

Seine Besucher erkannte Schalke-Legende Rudi Assauer schon längst nicht mehr – aber alte Lieder konnte er noch mit ihnen singen. Musik kann Menschen mit fortgeschrittenem Alzheimer für kurze Zeit aus der Dämmerung holen. Dies und andere aufmunternde Maßnahmen nutzt die moderne Demenz-Therapie.

Die letzten Bilder von Schalke-Legende Rudi Assauer zeigen einen in sich versunkenen Mann mit leerem Blick, der älter wirkt als seine 74 Jahre – typisch für Menschen mit fortgeschrittenem Alzheimer. Der ehemalige Chefredakteur der „Sport Bild“ Alfred Draxler hatte seinen langjährigen Freund im April 2018 besucht, der ihn aber längst nicht mehr erkannte.

Vor wenigen Jahren hätten sie noch gemeinsam das Schalke-Vereinslied und eine Melodie der Taubenzüchter zusammen gesungen. Assauer, der da schon nicht mehr verbal kommunizierte, sei bei den Liedern noch weit in seine Erkrankung hinein textsicher gewesen, erinnert sich Draxler auf bild.de heute.

Eine Lücke ins Vergessen reißen

Es ist typisch für Menschen mit fortgeschrittenem Alzheimer, dass manche Reize die Dunkelheit im Kopf kurz aufreißen – dann scheint das helles Licht der Erinnerung durch einen Spalt der geistigen Dämmerung. Einer der stärksten Reize dafür ist Musik aus dem früheren Leben.

In den letzten Jahren nutzen Therapeuten und Pflegeeinrichtungen zunehmend die Möglichkeit, Alzheimer-Patienten auf der Ebene zu aktivieren, die ihnen noch zur Verfügung stehen. Während die Gedanken und Fähigkeiten zunehmend von der Festplatte des Gehirns unwiederbringlich gelöscht werden, bleiben Gefühle und Sinneseindrücke noch lang erhalten.

1. Die Musik der Jugend vergisst man nicht

Die Band „Herr August und Kollegen“ musiziert regelmäßig mit demenzkranken Menschen in Münchner Seniorenheimen. Die frühere Chip-Redakteurin Stefanie Biberger hat dafür 2018 den Mitarbeiter-Ehrenamtspreis von Burda bekommen. Sie sagte damals: „ Die Schlager und Evergreeens, die wir singen, wecken Freude und Erinnerung. Am ergreifendsten ist, wenn jemand, der an Demenz erkrankt ist, scheinbar den ganzen Auftritt über abwesend und teilnahmslos wirkt, und dann ein Lied erkennt – plötzlich mitsingt, klatscht oder sich einfach nur im Takt bewegt.“

Dass Menschen, die fast alles vergessen haben, sich an Melodien und Liedtexte aus der Kindheit und Jugend erinnern, interessiert auch die Wissenschaft. Studien legen nahe, dass Musik in Hirnregionen gespeichert wird, die erst sehr spät von den Abbauprozessen einer Demenz betroffen sind. Das Musikgedächtnis bleibt daher besonders lang erhalten.

2. Tanzen macht Alzheimer-Patienten glücklich

Der französische Dokumentarfilm „90 Jahre sind kein Alter“, der im Juni 2017 auf Arte lief, zeigt auf anrührende Weise, wie das Tanzworkshop eines bekannten Balletttänzers alzheimerkranke Senioren in einem eher tristen Pflegeheim von Tag zu Tag lebendiger machte – und glücklich. Die 90-jährige Blanche verliebte sich sogar Hals über Kopf in den schönen jungen Tänzer.  

Für Alzheimer-Betroffene kann Tanzen vor allem in einem früheren Stadium wichtig sein: Es kann die Demenz verlangsamen. Das liegt an der Kombination von Gedächtnis- und Bewegungstraining bei den klassischen Standardtänzen. Die körperliche Nähe beim Tanzen ist ein zusätzlicher Wohlfühl-Aspekt.

Berichte, Videos, Hintergründe: Von Montag bis Freitag versorgt Sie FOCUS Online mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Gesundheitsressort. Hier können Sie den Newsletter ganz einfach und kostenlos abonnieren.

3. Geschichten von früher wecken die Erinnerung

Es ist ein Phänomen des Alters, dass Erinnerungen aus der Kindheit und Jugend wieder viel lebendiger werden. Für Alzheimer-Patienten, deren Kurzzeitgedächtnis zunehmend versagt, ist es oft die einzige Möglichkeit, das eigene Leben überhaupt noch zu sehen und wahrzunehmen.

Ein Fotoalbum, eine Anekdote, ein Lieblingsgericht der Kindheit kann als Aufhänger dienen, um schöne Erfahrungen und Erlebnisse von früher wachzurufen.

4. Beschäftigung aktiviert Alzheimer-Patienten

Es kann eine einfache Hausarbeit sein oder eine unkomplizierte Bastelarbeit – wenn Alzheimer-Patienten etwas zu tun haben, machen sie eine positive Selbsterfahrung: „Ich kann noch etwas!“ Das kann alten Ehrgeiz wecken und verbleibende Fähigkeiten länger aufrecht halten.

Von sich aus kommen die Patienten vielleicht nicht auf eine Idee, wie sie sich beschäftigen können. Betreuer und Familie dürfen sie daher durchaus motivieren – aber nie drängen. Und vor allem, nicht die Geduld verlieren!

5. Im Alzheimer-Dorf wird Alltag gespielt

Viele Alzheimer-Patienten haben einen großen Bewegungsdrang. Sie sind im Pflegeheim ebenso fehl am Platz, wie solche, die ihren Alltag vermissen mit Einkaufen, sauber machen, im Café sitzen. Allein leben können sie aber auch nicht, weil sie vom Spaziergang nicht zurückfinden oder im Supermarkt unsinnige Dinge kaufen.

Eine Lösung stellen sogenannte Demenzdörfer dar, wo alles wie echt wirkt, aber doch eingezäunt ist und von Pflegepersonal kontrolliert wird. Der Prototyp ist Hogeweyk, das 2009 in der Nähe von Amsterdam entstand: Über 150 Patienten leben in 23 unterschiedlichen Wohneinheiten. Und dass an der Bushaltestelle nie ein Bus vorbeikommt, oder die Spazierwege immer wieder zum Ausgangspunkt zurückführen, stört in der kleinen Alzheimer-Welt niemand.  

Seit 2014 steht am Stadtrand von Hameln das erste deutsche Demenzdorf. Dort befinden sich vier Einheiten mit jeweils 13 Zimmern. Die Demenzkranken sollen ihren Alltag mitgestalten, etwa in der Küche helfen oder im Garten arbeiten.


Quelle: Den ganzen Artikel lesen