Hirnaktivität steigt enorm an – Forscher nähern sich dem Geheimnis um den Nahtod

Jeder fünfte Überlebende eines Herzstillstandes berichtet von Nahtoderfahrungen. Die Wissenschaft ist sich jedoch uneins, ob diese Wahrnehmungen bewusst sind. Ein US-amerikanisches Forscherteam kam dem Geheimnis des Nahtods nun näher.

Nach einem Herzstillstand steigt die Hirnaktivität kurzzeitig deutlich an. Dieses Ergebnis einer Tierstudie widerspricht Annahmen, dass die Tätigkeit des Denkorgans während des Sterbeprozesses langsam versiegt. Stattdessen könnte die Untersuchung Berichte von Nahtoderfahrungen bestätigen, die Überlebende eines Herzstillstands als besonders real empfinden. Das berichten Forscher der University of Michigan in Ann Arbor in den “Proceedings” der US-amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften (“PNAS”).

Etwa jeder fünfte Überlebende eines Herzstillstands berichtet von Nahtoderfahrungen. Diese weltweit und in verschiedenen Kulturen auftretenden Erlebnisse beschreiben die Betroffenen oft als extrem lebhaft, klar und ungewöhnlich. Allerdings streitet die Fachwelt darüber, ob es sich dabei um eine bewusste Wahrnehmung handelt. Viele Forscher sind der Meinung, dass die Hirnaktivität nach einem Herzstillstand und dem Stopp der Nährstoffversorgung endet und keine koordinierten Abläufe mehr möglich sind.

Nahtoderfahrungen – ein biologisches Paradox

Die Hirnforscher um Jimo Borjigin verglichen die Hirnaktivitäten von neun Ratten im Wachzustand, unter Narkose und nach einem Herzstillstand. “Falls die Nahtoderfahrung von einer Hirnaktivität stammt, sollte man neuronale Bewusstseinskorrelate von Menschen oder Tieren nach dem Ende der Blutversorgung des Gehirns identifizieren können”, sagt Borjigin.

Tatsächlich zeigten alle Tiere in den ersten 30 Sekunden nach dem Herzstillstand auffällig synchrone Muster von Gamma-Hirnwellen, als ob das Gehirn wach und extrem stimuliert wäre. “Das hohe Maß der Aktivität überraschte uns”, sagt der Neurochirurg George Mashour. Viele elektrische Merkmale des Bewusstseins überstiegen die Werte des Wachzustands. Das deute darauf hin, dass das Gehirn im frühen Stadium des klinischen Todes zu gut organisierter elektrischer Aktivität fähig sei.

“Nahtoderfahrungen sind ein biologisches Paradox, das unser Verständnis vom Gehirn herausfordert und angeführt wird als Beleg für ein Leben nach dem Tod und für ein menschliches Bewusstsein, das nicht vom Körper abhängt”, schreiben die Forscher. Die Studie liefere einen wissenschaftlichen Erklärungsansatz für solche Erfahrungen.

Gehirn nach einem Herzstillstand wie Motor im Leerlauf

“Die Untersuchung zeigt wohl erstmals ein Hirnstrom-Abbild des Bewusstseins nach einem Herzstillstand”, sagt Michael Schroeter von der Universitätsklinik Köln. Der Neurologe glaubt, dass der versiegende Input von außen das Gehirn noch kurz zu Hyperaktivität treiben könnte. Er vergleicht das mit einem Motor, der unter Last langsamer dreht als im Leerlauf.

“Ohne Input von außen, im Leerlauf also, dreht die Maschine etwas höher“, sagt er. Mangels Input seien die Hirnwellen der Tiere zudem rhythmischer, weil sie nicht durch Reize von außen moduliert würden. Dies beweise aber nicht, dass die Hyperaktivität des Gehirns auch die Ursache von Nahtoderfahrungen sei, betont der Experte. “Aber es ist erstmals ein attraktiver Erklärungsansatz.”

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