Unser Schumi – Fans haben moralischen Anspruch auf Auskunft über Zustand

Michael Schumacher sollte in dieser Lebenssituation nicht direkt und dauerhaft ins Rampenlicht gezerrt werden. Aber das konsequente Schweigen der Familie hilft weder ihm noch seinen mitleidenden Fans.

Wenn derzeit zu lesen ist, dass M. Schumacher im Motorsport durchstartetdenken viele spontan an Michael Schumacher. Natürlich handelt es sicher aber um den Sohn der Formel-1-Legende, den jetzt 19-jährigen Mick.

Unweigerlich schließt sich die Frage an, was denn eigentlich aus Michael Schumacher, Micks Vater, geworden ist. Die Namensparallelen Michael und Mick tragen zwangsläufig zu diesem automatisierten Gedankengang bei.

Hitzige Diskussionen um Umgang mit Michael Schumacher

Durch die Berichterstattungen zu Mick und jüngste Verlautbarungen des Bischofs Gänswein überschlagen sich die Kommentare in sozialen Medien, in denen teils hitzig diskutiert wird, ob man Michael Schumacher in Ruhe lassen sollte oder die Gesellschaft ein moralisches Informationsrecht auf seinen Gesundheitszustand habe. 

Das ist einerseits eine ethische, anderseits aber auch eine psychologische Frage. Für viele Menschen ist schwer nachzuvollziehen, wie eine Familie, die mit dem Verkauf der Exklusivrechte der eigenen Hochzeit an die Bunte und RTL rund eine halbe Millionen Euro generiert haben soll, nun plötzlich auf ein moralisches Recht auf absolute Privatsphäre pocht.

Alina Wilms ist promovierte Psychologin, die in London und Oxford studiert hat. Neben ihrer Spezialisierung als Trauma-Expertin coacht sie Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Sport.

Neben seiner Familie hat es auch unzählige treue Fans gegeben, die ebenfalls geschockt und in ehrlicher Sorge um ihren Helden waren und bis heute sind. Wenngleich der sportliche und monetäre Erfolg Schumachers zum Großteil das Resultat von Talent und hartem Training ist, war die moralische Unterstützung der Fans garantiert auch Teil seiner Erfolgsgeschichte.

Haben seine Fans ein moralisches Recht auf Auskunft?

Haben wir nicht ein moralisches Recht auf Auskunft, besonders um den eigenen Schock endlich zu bewältigen? Viele junge Männer sind mit Postern des Sporthelden Michael Schumacher an den Wänden aufgewachsen und viele Frauen haben ihn angehimmelt. Er ist nicht nur eine Ikone, sondern Teil der Biografie etlicher Menschen, die nicht wissen, was aus ihrem Idol geworden ist. Einordnen zu können, ob, und falls ja, wie die Genesung voranschreitet, könnte für sie psychologisch heilsam sein.

Ebenso hilfreich könnte eine Bekanntmachung der Schicksalslage Schumachers für tausende anderer Unfallopfer und deren Angehöriger sein, die nicht mit einem geschätzten Vermögen von rund 930 Millionen zu den reichsten Sportlern der Welt gehören, sich keine teuren Privatkliniken leisten können und zwischen zwei Arbeitsschichten ihre Angehörigen füttern und wickeln müssen.

Sollte Schumacher nach wie vor stark beeinträchtigt sein, würde es diesen Menschen zeigen, dass auch ein Superheld und Multimillionär verunfallen kann und trotz dieses Schicksals und des Wegfalls sportlichen Ruhmes seine Menschenwürde behält. Sollte Schumacher auf dem Weg der Besserung sein, würde es vielen Menschen Mut machen auch an eine eigene Heilung zu glauben und dafür zu kämpfen.

Eine neue Brücke zur Welt könnte auch Schumi helfen

Psychologisch betrachtet, kann der Aufbau einer neuen Brücke zu der Welt draußen auch heilsam für Michael Schumacher selbst sein. Die Gewissheit, von Außenstehenden geliebt und verehrt zu werden, besonders während der schwächsten Momente des Lebens, kann bekanntlich Berge versetzen und tiefschürfenden Trost spenden.

Letztlich kann auch die Familie Schumachers den Nachfragen nach Michaels Gesundheitszustand nicht wirklich entfliehen. Viel mehr geht es darum, wie viel und auf welche Art und Weise sie Informationen preisgeben möchten. Hierzu könnte die Familie, die ja aus gestandenen volljährigen Mitgliedern besteht, ganz speziell gecoacht werden, nur das zu sagen, was der Situation angemessen ist, eindeutige verbale und körpersprachliche STOP-Signale bei neugierigen Nachfragenden zu setzten und bei genuiner Sorge vielleicht auch einige Details preiszugeben, deren Bekanntmachung tolerabel ist.

Fazit: Wie allzu oft im Leben ist der goldene Mittelweg die beste Lösung. Sicherlich sollte man Michael Schumacher in dieser Lebenssituation nicht direkt und dauerhaft ins Rampenlicht zerren. Andererseits ist es so, als schweige man eine lebende Legende tot, wenn die Gesellschaft vollends aus seinem Leben und Leiden ausgeschlossen wird.

Proaktiv versus reaktiv

Anstatt reaktiv handeln zu müssen, könnte die Familie proaktiv in regelmäßigen, zum Beispiel halbjährlichen Abständen oder bei besonderen Entwicklungen, achtsam formulierte Sachinformationen zum Gesundheitsstand "unseres Schumi" herausgeben, um die berechtigte Sorge der Menschen zu mildern und dabei vielleicht sogar psychologisch heilsame Prozesse auf mehreren Ebenen anzustoßen.

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