Für Extra-Untersuchungen beim Arzt bezahlen? Das kann man sich sparen– die meisten Selbstzahlerleistungen sind nutzlos

Bei meiner jährlichen Vorsorgeuntersuchung bei der Gynäkologin wird ein Abstrich durchgeführt, eine Tastuntersuchung der Brüste, des Intimbereichs und der Gebärmutter. All das wird von der gesetzlichen Krankenkasse bei Frauen in meinem Alter (unter 35 Jahren) bezahlt. Doch vor der Untersuchung muss ich in einem Bogen ausfüllen, ob ich zu der Standard-Kontrolle noch eine Zusatzuntersuchung wünsche. Zum Beispiel den Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsvorsorge für um die 35 Euro. Diese Untersuchung zahlen die Krankenkassen nämlich nicht, solange es keinen konkreten Verdacht gibt. Der Vorsorgecheck ist eine Individuelle Gesundheitsleistung (kurz IGeL) – also eine Selbstzahlerleistung.

Der Grund warum die Krankenkassen für Untersuchungen wie den Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsvorsorge bei gesunden Patientinnen nicht aufkommt, bedeutet nicht, dass die gesetzlichen Krankenkassen per se geizig wären. Sie übernehmen aber nicht die Kosten für Vorsorgeuntersuchungen ohne Anlass. Denn: Krankenkassen können nicht willkürlich entscheiden, welche Untersuchungen sie bezahlen und welche nicht. Sie müssen nach den Vorschriften des Fünften Buches des Sozialgesetzbuch handeln. "Wer gesetzlich krankenversichert ist, hat Anspruch auf Leistungen zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten", informiert die Verbraucherzentrale. Zudem werten Krankenkassen, bevor Untersuchungen von der Krankenkasse übernommen werden, wissenschaftliche Studien dazu aus. Und wiegen Kosten, Nutzen und Schaden ab.

Vorsorge
Welche privaten Zusatzleistungen sinnvoll sind – und welche Sie sich sparen können

Es gibt aber auch individuelle Gesundheitsleistungen die per se nicht im Leistungskatalog der Krankenkasse landen würden, weil sie weder Früherkennung noch Therapie sind. Zum Beispiel private Impfungen vor Fernreisen oder Sportuntersuchungen.

IGeL-Monitor: Nur zwei Selbstzahlerleistungen werden positiv bewertet

Es gibt eine große Bandbreite an IGeL vom Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsvorsorge, über Messungen des Augeninnendrucks bis hin zur Paartherapie. Eine Liste aller Selbstzahlerleistungen gibt es laut Verbraucherzentrale nicht. "Ärzt:innen können Zusatzleistungen anbieten, die sie selbst entwickeln oder von Firmen übernommen haben, die sich auf IGeL spezialisiert haben", schreibt die Verbraucherzentrale auf ihrer Webseite. Diese Selbstzahlerleistungen können ohne Qualitätsprüfung angeboten werden, heißt es dort weiter.

Der IGeL-Monitor vom Medizinischen Dienst bewertet seit 2012 auf Grundlage von wissenschaftlichen Studien und medizinischen Leitlinien die Selbstzahlerleistungen, die Patient:innen in Praxen auf eigene Rechnung zahlen müssen. Die Bilanz: Von 55 IGeL werden 53 Leistungen als "negativ", "tendenziell negativ" oder "unklar" bewertet. Für die meisten der Selbstzahlerleistungen gäbe es nicht genügend Evidenz, so die Begründung des IGeL-Monitors. Nur zwei Leistungen werden als "tendenziell positiv" bewertet. Das ist die Akupunktur zur Migräneprophylaxe und die Lichttherapie bei Winterdepression.

Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsvorsorge wurde am häufigsten angeboten

Zum vierten Mal wurden nun Versicherte zu den individuellen Gesundheitsleistungen befragt und die Ergebnisse im IGeL-Report 2023 veröffentlicht. Dort wird neben der Bewertung der Zusatzleistungen auch ein Ranking der am häufigsten angebotenen Gesundheitsleistungen aufgeführt. Auf Platz eins landet dort der Ultraschall zur Krebsfrüherkennung der Eierstöcke (Kostenpunkt: 35 bis 53 Euro) sowie der Gebärmutter (Kostenpunkt: 12 bis 27 Euro). Die Untersuchungen werden als "negativ" und "tendenziell negativ" bewertet. Der Grund für diese Wertung: Sie führen oft zu Fehlalarmen. In der Folge könne es zu weiteren unnötigen Untersuchungen kommen, heißt es in der Mitteilung zum Report. "Die oft jungen Frauen werden völlig unnötig in Angst und Schrecken versetzt. Die Untersuchung hat als Früherkennung keinen Nutzen; sie kann aber definitiv schaden", sagte Dr. Stefan Gromemeyer, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes.

Top 10 IGeL-Leistungen 2023 nach Angaben der Befragten in Prozent

14 Prozent: Ultraschall der
Gebärmutter und/oder der
Eierstöcke
11 Prozent: Augeninnendruckmessung mit
oder ohne Augenspiegelung zur
Glaukom-Früherkennung
9 Prozent: Abstrich zur Früherkennung von
Gebärmutterhalskrebs
(Dünnschichtzytologie)
6 Prozent: PSA-Bestimmung zur
Früherkennung von Prostatakrebs
5 Prozent: Hautkrebsscreening außerhalb
der Hautkrebsvorsorge der
gesetzlichen Krankenversicherung,
ggf. computergestützt
5 Prozent: Ultraschall der Brust zur
Krebsfrüherkennung
4 Prozent: Blutbild zur
Gesundheitsvorsorge
Ultraschall in der
4 Prozent: Schwangerschaft (zusätzliche
Untersuchung zu den durch die
Krankenkasse bezahlten
Untersuchungen)
3 Prozent: Netzhaut-Untersuchung mit
Laser zur Glaukom-Früherkennung
3 Prozent: Netzhaut-Untersuchung mit Laser zur Früherkennung einer Makuladegeneration

Keine Evidenz für Blutwäsche oder Sauerstoffüberdruckkammer bei Long Covid

Der Report widmet sich in diesem Jahr zum ersten Mal auch Gesundheitsleistungen, die zur Therapie von Post- und Long-Covid angeboten werden. Die sogenannte hyperbare Sauerstofftherapie (Sauerstoffüberdruckkammer) und die H.E.L.P.-Apherese (Blutwäsche). Sie sollen Symptome wie Kurzatmigkeit, Erschöpfung und die Folgen einer eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit lindern. Beide Therapien werden für mehrere Tausend Euro angeboten. Laut IGeL-Report gibt es zu beiden Verfahren allerdings keine klinischen Studien, die die Wirksamkeit eben jener Therapieansätze bestätigen können.

Für den Report wurden 6000 Versicherte im Alter von 20 bis 69 Jahren zu den IGeL befragt. Fast alle Befragten kennen die Selbstzahlerleistungen (80 Prozent der Befragten) – allerdings gibt nur rund ein Viertel der Befragten an zu wissen, dass es verbindliche Regeln für den Verkauf von IGeL gibt. Patient:innen müssen unter anderem über den Nutzen, mögliche Risiken oder Schäden aufgeklärt werden. Mehr als die Hälfte der Befragten im Alter von 20 bis 29 Jahren halten die Selbstzahlerleistungen wichtig für den Erhalt ihrer Gesundheit.

Keine Aufklärung über mögliche Schäden

Die Befragung zeigt auch: 56 Prozent der Befragten geben an, nicht über mögliche Schäden einer Selbstzahlerleistung aufgeklärt worden zu sein. Ein Großteil der Befragten (78 Prozent) gibt an, über den Nutzen informiert worden zu sein. Bald jeder Fünfte gibt gar an, dass seine Behandlung mit einer Kassenleistung vom Kauf einer IGeL abhängig gemacht wurde.

Im IGeL-Report wurden die Versicherten auch gefragt, wie viel Geld sie für die Gesundheitsleistungen in einem typischen Jahr ausgeben: 75 Prozent der Befragten gab zwischen 15 und 249 Euro aus. Wie zuverlässig die Angaben sind, ist allerdings fraglich. Denn: Die Befragten wurden nach einem typischen Jahr gefragt – was ein typisches Jahr ist, kann jeder Befragte allerdings unterschiedlich definieren. Und: Wahrscheinlich erinnert sich nicht jeder daran, wie viel genau er in den letzten Jahren für individuelle Gesundheitsleistungen ausgegeben hat.

Kritik am IGeL-Monitor

Der IGeL-Monitor wurde in der Vergangenheit schon von Ärzteverbänden kritisiert. Unter anderem wurde die Methodik der Befragung moniert, die Unabhängigkeit des IGeL-Monitors angezweifelt. Er wurde auch als Sprachrohr der Krankenkassen gesehen, wie das "Ärzteblatt" berichtete.

Der IGeL-Monitor (und der Report) werden von Medizinischen Dienst Bund herausgegeben. Dieser wird durch die Medizinischen Diensten in den Ländern getragen. Heißt: Er wird unter anderem durch die Landesverbände der Krankenkassen finanziert. 

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Checkliste für Patient:innen der Bundesärztekammer

Eine weitere Informationsquelle für Patient:innen ist ein Patient:innenratgeber zu den Gesundheitsleistungen, der von der Bundesärztekammer herausgegeben wurde. Dieser wurde 2015 das letzte Mal aktualisiert. Patient:innen bekommen darin Fragen an die Hand, die sie bei Arztgesprächen über Selbstzahlerleistungen stellen können. Diese Checklisten können für Patient:innen eine Hilfe sein, um zu prüfen, ob sie durch dei Ärztin oder den Arzt sachlich sachlich informiert worden sind.

Was bedeutet dies nun für Patient:innen, die in der Arztpraxis sitzen und eine Selbstzahlerleistung angeboten bekommen? Wer bei seiner Ärztin oder seinem Arzt beispielsweise eine Vorsorgeuntersuchung angeboten bekommt, die er selbst bezahlen müsste, sollte zunächst Fragen stellen. Es sollte der Arzt oder die Ärztin gefragt werden, was die Untersuchung im Einzelfall bringt und welche Risiken es gibt. Wird nicht über mögliche Schäden und Risiken aufgeklärt, ist dies keine hinreichende Information für Patient:innen, um eine gute Entscheidung zu treffen.

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