Antibiotika-Mangel – können Notmaßnahmen wirklich helfen?

Die fehlenden Antibiotika-Säfte für Kinder treiben Apotheken, Kinderärzte und Eltern an ihre Grenzen. Bundesgesundheitsminister Lauterbach verspricht zwar Tempo beim Engpass-Gesetz, zudem hat sein Haus den Länderbehörden ermöglicht, Importe zu gestatten. Doch eine schnelle Lösung der Probleme ist damit nicht zu erwarten. Klar dürfte allen sein: Wer etwas bewirken will, muss Geld in die Hand nehmen.

Lieferengpässe bei Arzneimitteln gehören schon seit Jahren, zum Alltag der Apotheken. Doch erst als Kinderarzneimittel knapp wurden, kam vor einem guten halben Jahr auch Bewegung in die Politik. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) predigt seitdem, dass man die Ökonomisierung im Bereich der Arzneimittelversorgung zu weit getrieben habe. Und erst diese Woche räumte er erneut ein, dass die Probleme seit zehn Jahren bekannt seien. „Es ist nie viel gemacht worden“, sagte er am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Jetzt haben wir sehr schnell ein Gesetz durchs Kabinett gebracht, und ich bin ganz sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen im Parlament dieses Gesetz auch schnell beschließen werden.“

Bedenkt man, dass die Eckpunkte für besagtes Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen und zu Verbesserung der Versorgung von Kindern seit kurz vor Weihnachten vorliegen, wirkt das Tempo allerdings eher beschaulich. Kommende Woche steht zunächst der erste Durchlauf des ALBVVG-Entwurfs im Bundesrat an – es steht zu erwarten, dass das Länderplenum eine Stellungnahme im Sinne der Apotheken beschließen wird. Die erste Lesung im Bundestag ist Ende Mai geplant. Mitte Juni soll die Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags erfolgen, danach die abschließende Beratung im Bundestag. Anfang Juli ist dann der zweite Durchgang im Bundesrat – zum 1. August sollte das Gesetz spätestens in Kraft treten.

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Aber allen ist wohl klar, dass das Gesetz keine schnellen Erfolge bringen wird. Vielmehr hat das Bundesgesundheitsministerium erst einmal einen Versorgungsmangel für antbiotikahaltige Säfte für Kinder bekannt gemacht – nachdem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) diesen festgestellt hat. Eine Reihe von Ländern hat mittlerweile auf Grundlage dieser Bekanntmachung Allgemeinverfügungen erlassen, die den zuständigen Landesbehörden ermöglichen, im Einzelfall ein Abweichen von den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes zu gestatten (nach Maßgabe von § 79 Abs. 5 und 6 AMG). Mittlerweile haben auch Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern angekündigt, die Einfuhr nicht zugelassener Antibiotika-Säfte aus dem Ausland zu erlauben.

Eine echte Erleichterung für die Apotheken ist damit jedoch nicht erreicht. Es ist unklar, ob es überhaupt ausreichend importfähige Ware in der richtigen Qualität gibt. Informationen über verfügbare Importmengen will das BfArM den Landesbehörden schnellstmöglich zur Verfügung stellen, sagte ein BfArM-Sprecher dem Tagesspiegel Background. Um diese zu identifizieren, stehe das BfArM aktuell „im engen Austausch mit den anderen europäischen Arzneimittelbehörden“. 

Overwiening: Apothekenteams müssen den Karren aus dem Dreck ziehen

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening erklärte am gestrigen Mittwoch gegenüber der dpa: „Die Apothekenteams müssen für die Politik nun also erneut den Karren aus dem Dreck ziehen und auf Basis der Behördenentscheidungen alternative Arzneimittel aus dem Ausland beschaffen, um die Patientinnen und Patienten schnell versorgen zu können“. Sie forderte, dass wieder mehr Produktion nach Europa geholt werden müsse, „um allzu komplexe und damit leicht anfällige Lieferketten aus Fernost zumindest bei wichtigen Arzneimitteln zu vermeiden“. Kurzfristig bräuchten die Apotheken einen größtmöglichen Entscheidungsspielraum bei der Abgabe von Arzneimitteln.

Auch der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, erklärte gegenüber der „Rheinischen Post“, dass jetzt kein Aktionismus helfe. „Der Bundesgesundheitsminister muss die strukturellen Probleme in der Versorgung mit rezeptpflichtigen Generika lösen. Es muss sich für die Hersteller wieder lohnen, Standardmedikamente wie Antibiotika herzustellen“. Und weiter: „Der Staat sollte wie beim Impfstoff feste Abnahmemengen zusagen, damit könnten der Versorgungsmangel geheilt und eine nationale Antibiotika-Reserve aufgebaut werden.“ Zugleich brauche man „schnell eine einfache Aut-Simile-Lösung – Apotheken sollten ohne neues Rezept alternative Medikamente ausgeben dürfen“, so Preis.

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In Nordrhein-Westfalen waren die Engpässe gestern auch Thema einer Aktuellen Stunde im Landtag – einberufen von der schwarz-grünen Regierungskoalition. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) dämpfte dort ebenfalls allzu große Erwartungen an die eröffneten Möglichkeiten für Importe und Rezepturen. Die Arzneimittel seien ebenso wie die Grundsubstanzen für Antibiotika weltweit knapp. Die Herstellung lasse sich auch nicht von heute auf morgen nach Europa zurückbringen. Laumann machte zugleich klar: Um die Lieferketten wieder sicher zumachen, müsse man mehr Geld in die Hand nehmen.


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