Bakterielle Vaginose – Probiotische Anschlusstherapie nicht vergessen

Etwa ein Viertel der sexuell aktiven, prämenopausalen Frauen macht Bekanntschaft mit ihr: der bakteriellen Vaginose. Aufgrund von Resistenzen und der Biofilmbildung der dominierenden Gardnerella spp., bleibt es bei vielen Frauen nicht bei einem einmaligen „Vergnügen“. Die aktualisierte S2k-Leitlinie der Gesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erläutert die derzeitige Standardtherapie – aber auch, welche Präparate derzeit untersucht werden und welche Forschungslücken noch zu schließen sind.

Die physiologische Vaginalflora ist vielfältig: 561 verschiedene Bakterienarten wurden bis dato bei gesunden prämenopausalen Frauen nachgewiesen. Besonders häufig sind hierbei Vertreter der Stämme Bacillota (früher Firmicutes), Proteobacteria, Actinobacteria und Bacteroidetes. Eine besondere Rolle spielen die zu den Bacillota gehörenden Lactobazillen. Sie verstoffwechseln beispielsweise Glykogen zu Milchsäure, welche ihrerseits zu dem physiologischen pH-Bereich von 3,5-4,5 beiträgt.

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Anders jedoch bei von bakterieller Vaginose Betroffenen: Hier liegt eine stark erhöhte Bakterienzahl, insbesondere von Garnderella spp., mit hoher Diversität anaerober oder fakultativ anaerober Erreger vor. Die schützenden Laktobazillen werden verdrängt und der pH-Wert verschiebt sich ins Alkalische.

Kennen Sie Gardnerella?

Bei Gardnerella spp. handelt es sich um grampositive Bakterien aus der Familie der Bifidobacteriaceae. Sie kennzeichnet eine besonders dünne Zellwand (8-12 nm), die mitunter zu Fehlklassifikationen in der Gramfärbung führt. Besonders virulent machen diese Erreger Stoffe wie das Vaginolysin (welches die Zellmembranen im Vaginalepithel schädigt) oder die Sialidase (die die Schutzfunktion des Mukus herabsetzt). Ein weiterer wichtiger Virulenzfaktor ist die Fähigkeit zur Bildung von Biofilmen. Diese Biofilme sind eine Ursache für Therapieversagen sowie Rezidive bei der bakteriellen Vaginose.

Dies kann Beschwerden wie vermehrten gräulich-milchigen Ausfluss mit fischigem Geruch sowie bisweilen Brennen, Rötungen oder Juckreiz auslösen. Da die Erkrankung das Risiko für eine Infektion mit anderen sexuell übertragbaren Erregern erhöht sowie ein Risikofaktor für Komplikationen während der Schwangerschaft und für Frühgeburten darstellt, ist eine Therapie bei allen symptomatischen Frauen, sowie bei asymptomatischen Frauen, die schwanger sind oder es werden möchten angezeigt.

Erste Wahl sind hierbei Clindamycin oder Metronidazol, jeweils entweder oral oder topisch angewandt. Alternativ können auch lokale Antiseptika eingesetzt werden.

* Nicht in der Schwangerschaft

Aufgrund von Resistenzen (v. a. bei Metronidazol), aber auch aufgrund der Biofilmbildung von Gardnerella spp. kommt es jedoch häufig (bei bis zu 80 % der Betroffenen) zu Rezidiven. Milchsäure und Probiotika können im Anschluss an die antibiotische oder antiseptische Therapie eingesetzt helfen, die geschädigte Vaginalflora wieder aufzubauen und das Rezidivrisiko zu senken. Positive Daten liegen etwa für Kombinationen aus L. rhamnosus, L. acidophilus und Streptococcus thermophilus bzw. L. fermentum vor.

Beratungstipps für den HV

Zu den Risikofaktoren für eine bakterielle Vaginose gehören nicht beeinflussbare Faktoren wie etwa bestimmte Genpolymorphismen sowie die ethnische Zugehörigkeit. Aber auch chronischer Stress, übertriebene Vaginalhygiene, Rauchen, ein hohes Körpergewicht sowie häufiger Wechsel von Sexualpartner:innen zählen zu den Risikofaktoren, auf die Patientinnen aufmerksam gemacht werden können. Die Einnahme kombinierter oraler Kontrazeptiva scheint hingegen einen positiven Einfluss auf das vaginale Mikrobiom zu haben und geht mit einer geringeren Prävalenz der bakteriellen Vaginose einher. Ein Fall für die Selbstmedikation ist die bakterielle Vaginose nicht. Bei gesicherter Diagnose können Apothekenteams jedoch beispielsweise an die probiotische Anschlusstherapie erinnern.

Für die Therapie von chronisch-rezidivierenden Verläufen mit mindestens drei Episoden im Jahr wird derzeit eine Erhaltungstherapie mit topischen Metronidazol oder die Behandlung mit lokalen Antiseptika empfohlen. Letztere sind mit Hinblick auf Resistenzen und Biofilmbildung nicht zwangsläufig unterlegen, sondern werden in der Leitlinie als „sinnvolle Alternative“ bezeichnet. Auch hier sollte an die antibiotische bzw. antiseptische Behandlung ein Aufbau der physiologischen Vaginalflora angeschlossen werden. Eine Mitbehandlung des Sexualpartners/der Sexualpartnerin kann erwogen werden.

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Klar geht aus der Leitlinie jedoch auch hervor, dass in den Bereichen der Therapie chronisch-rezidivierender Verläufe und der Vermeidung von Rezidiven Forschungsbedarf besteht. In klinischen Studien werden derzeit verschiedene Ansätze zur Auflösung oder Vermeidung der Biofilme untersucht – etwa rekombinante Endolysine, mukoadhäsive Polymere und ein auf Borsäure basierendes Antiseptikum. Möglicherweise werden bei der nächsten Überarbeitung der Leitlinie also weitere Therapieoptionen Einzug halten.

Quelle

Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Schweizer Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. S2k-Leitlinie Bakterielle Vaginose. Version 5.0. AWMF Registernummer 015 – 028. Juni 2023. 


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