Er behandelt Infizierte in Deutschland: Coronavirus ist hoch ansteckend – anders als Sars und Mers

Clemens Wendtner ist der behandelnde Chefarzt acht hierzulande bestätigter Corona-Patienten. Das Virus hält er inzwischen für hoch ansteckend. Die Kontakte der Erkrankten zu Infizierten seien zum Teil nur sehr flüchtig gewesen. Angesteckt haben sie sich trotzdem. Wissenschaftlich sei der Ausbruch eine „Riesenchance“.

Zum neuen Coronavirus melden Behörden und Mediziner derzeit täglich neue Erkenntnisse. Jeden Tag wird das Mosaik von dem, was wir über das neue Virus aus China wissen, klarer. Der behandelnde Chefarzt der deutschen Corona-Kranken und Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen am Münchner Klinikum Schwabing, Clemens Wendtner, hat sich jetzt erneut zur Ansteckungsgefahr geäußert – und sagt: "Dieses 2019-nCoV ist offenbar anders als Sars und Mers, offensichtlich hoch kontagiös, also ansteckend."

Das scheine ihm mit das aktuell Neue. "Soweit wir derzeit wissen, hatten Patienten, die sich bei der chinesischen Indexpatientin in Bayern angesteckt haben, zum Teil eher flüchtige Kontakte mit Infizierten, zum Beispiel einen Handschlag oder einen kürzeren gemeinsamen Aufenthalt in einem Büro."

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Trotz hoher Ansteckungsgefahr verläuft Erkrankung meist mild

Außerdem sei das Virus inzwischen "von einem auf einen weiteren Mitarbeiter einer Automobilzulieferer-Firma und auf ein kleines Kind eines Firmenangestellten weitergegeben" worden. Im Einzelfall sogar von zuvor symptomlos Infizierten, ergänzt der Mediziner. Das stützt seine Vermutung.

Trotz der hohen Ansteckungsgefahr verläuft die Krankheit, die das Virus auslöst, bei den meisten Patienten allerdings mild. Auch schwanke die Viruslast im Blut der Patienten über Zeit, erklärt Wendtner.

In Kooperation mit dem Labor der Charité Berlin und dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr versuchten die Mediziner derzeit die Zellkultur des Virus zu etablieren und das Erbgut der Erreger zu sequenzieren, um so deren Entwicklung besser zu verstehen. "Eine wichtige Frage dabei ist, ob das Virus bereits mutiert ist, das wir in Deutschland sehen", sagt Wendtner.

  • Tröpfcheninfektion

Mediziner wie Clemens Wendtner vermuten, dass der Erreger vor allem über Tröpfcheninfektion übertragen wird. Sprich: über die Luft, etwa beim Husten oder Niesen. Dann gelangen die Erreger aus dem Rachenraum oder Atmungstrakt in Form winziger Speicheltröpfchen an die Luft. Andere atmen sie ein oder nehmen sie über die Schleimhäute der oberen Atemwege ein.

  • Schmierinfektion

Auch eine Ansteckung via Schmierinfektion ist laut Ärzten möglich, also eine Übertragung des Erregers durch Berührung eines kontaminierten Objekts.

  • Verbreitung über das Verdauungssystem

Wie die Nachrichtenagentur der chinesischen Regierung, Xinhua, mitteilt, kann sich das Coronavirus außerdem über das Verdauungssystem verbreiten. Forscher hatten festgestellt, dass einige Infizierte an Durchfall statt an Fieber litten. Sie fanden das Virus in Stuhlproben und Rektalabstrichen.

Ärzte führen Rachenabstriche durch

"Derzeit kennen wir leider noch nicht den idealen Ort, an dem wir Verdachtsfälle auf Anzeichen einer Infektion screenen sollten", erklärt der Virologe die aktuelle Situation. Daher führten die Ärzte bei Infizierten derzeit Nasen- sowie Rachenabstriche durch und testeten deren Bronchialsekret. Zusätzlich würden Blutproben sowie Stuhl und Urin untersucht.

"Wir wissen aber noch nicht, wie viele Personen nach engem Kontakt mit einem Infizierten positiv getestet werden. Bei Tests von Kontaktpersonen ist natürlich nun die entscheidende Frage, wie viele Menschen sich nach Kontakt mit den sicher Infizierten der Autozulieferer-Firma angesteckt haben", meint der Infektiologe.

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Mortalitätsrate nennt Arzt "deutlich geringer" als bei Sars

Aber scheine die sekundäre Ansteckungsrate im bayerischen Cluster doch eher klein zu sein. Trotzdem müssten die Mediziner zunächst die gesamte Dauer der mutmaßlichen Inkubationszeit abwarten und vorsichtig mit Interpretationen der Daten sein. Die Mortalitätsrate schätzt der Mediziner im Gegensatz zum Sars-Virus bisher als "deutlich geringer" ein.
 
Aus wissenschaftlicher Sicht sei der lokale Ausbruch in Bayern "eine Riesenchance, in interdisziplinären Teams aus den ersten Fällen maximal zu lernen und die bisher ausstehenden Fragen zu klären", so Wendtner. Das sei das Entscheidende im Moment.

Grund für Panik besteht Experten zufolge nach wie vor keiner. "Wir stehen in engem Austausch mit nationalen und internationalen medizinischen Experten von Universitäten und der WHO", sagt Wendtner. Alle Fälle, die im Münchner Klinikum behandelt würden, seien "in einem klinisch stabilen Zustand, zeigten im Verlauf teilweise grippeähnliche Symtome und sind aktuell weitestgehend symptomfrei". Sie blieben aber weiterhin zur klinischen Beobachtung im Krankenhaus. 

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"Wer hohes Fieber hat, hat mit sehr großer Wahrscheinlichkeit normale Erkältung oder Grippe"

Im Bedarfsfall könne die Klinik die Kapazitäten außerdem aufstocken, erklärt der Professor für Infektiologie. Bis zu 30 Betten stünden in Schwabing für die Versorgung von Coronavirus-Patienten zur Verfügung. "Diese Betten sollten aber ausschließlich für bestätigte Coronavirus-Patienten vorgehalten werden. Deshalb gilt: Wer hohes Fieber hat, hat mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine normale Erkältung oder Grippe (Influenza). Bevor diese Patienten in Schwabing in unserer Infektiologie aufgenommen werden, sollte der Coronavirus-Test erfolgt sein“, betont er.

Insbesondere verunsicherten Patienten und Besuchern legen die Experten daher nahe, sich über die bestehenden Informationsquellen wie etwa die eingerichtete Hotline in Bayern (09131 6808-5101) zu informieren und neben der großen Aufmerksamkeit für Corona die Grippeschutzmaßnahmen und auch die Grippe-Impfung nicht in den Hintergrund geraten zu lassen.

 

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