Erste Engpässe bei Jod-Tabletten – dabei sprechen 2 Gründe gegen Hamsterkäufe

In Österreich melden die Apotheken eine hohe Nachfrage nach Jod-Tabletten. Diese sollen bei starker radioaktiver Belastung vor strahlenbedingten Erkrankungen schützen. FOCUS Online erklärt, wie sinnvoll die Mittel sind – und warum Sie sich jetzt nicht damit eindecken müssen.

Der Ukraine-Konflikt versetzt die Welt in Schrecken. Die Tatsache, dass der Krieg nur rund 1000 Kilometer entfernt von Berlin geführt wird, sorgt auch bei vielen Deutschen für Angst. Nachdem Wladimir Putin am Sonntag zudem befohlen hat, die Abschreckungswaffen der Atommacht Russland in besondere Alarmbereitschaft zu versetzen, sorgen sich offenbar viele vor einer nuklearen Katastrophe – oder gar einem Atomkrieg. Zudem fürchten manche, während der Kämpfe könnten Atomkraftwerke oder -lager getroffen werden und damit radioaktiv strahlendes Material freigesetzt werden.

Österreich meldet Engpässe bei Jod-Tabletten

Das legt zumindest die erhöhte Nachfrage nach Jod-Tabletten nahe, welche österreichische Apotheken jetzt melden. Die Mittel sollen verhindern, dass radioaktive Strahlung zu Gesundheitsschäden wie Schilddrüsenkrebs führt. Wie österreichische Medien berichten, sei es in einigen Filialen bereits zu Engpässen gekommen.

Hierzulande habe man noch keinen starken Anstieg bemerkt, sagte eine Sprecherin des Deutschen Apothekerverbands FOCUS Online. Vereinzelte Apotheken erklärten FOCUS Online allerdings, die Nachfrage sei durchaus auch bei ihnen schon gestiegen. Während sonst so gut wie nie jemand nach den speziellen Kaliumiodid-Tabletten frage, sei es in den vergangenen Tagen mehrmals vorgekommen, sagte etwa ein Münchner Apotheker.

Aber wie sinnvoll ist es, sich angesichts des Krieges in der Ukraine mit dem Medikament einzudecken? Und können die Tabletten einfach so eingenommen werden? FOCUS Online gibt einen Überblick.

Was bringen Jod-Tabletten?

Tritt bei einem schweren Unfall in einem Kernkraftwerk radioaktives Jod aus, dann kann dieses Jod durch Einatmen vom Körper aufgenommen und in der Schilddrüse gespeichert werden, wie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) erklärt. Damit steige die Gefahr, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken. „Damit Sie im unwahrscheinlichen Fall eines solchen Unfalls davor geschützt werden, planen die Katastrophenschutzbehörden Schutzmaßnahmen“, heißt es weiter.

Dazu gehöre auch das Verteilen spezieller Jod-Tabletten. Diese Jod-Tabletten verhindern das Einlagern von radioaktivem Jod in der Schilddrüse. Bei rechtzeitiger Einnahme der Medikamente sei die Schilddrüse bereits mit nicht-radioaktivem Jod gesättigt, bevor radioaktives Jod aufgenommen werden könne. Das nenne man eine „Jodblockade“. „So schützen Sie sich vor einer erhöhten Gefahr, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken“, schreibt das BMUV weiter.

Allerdings betont es im Bezug auf den Ukraine-Konflikt auch: „In Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine ist in Deutschland wegen der deutlich größeren Entfernung nicht mit der Notwendigkeit der Durchführung einer Jodblockade der Schilddrüse zu rechnen.“

Und auch das österreichische Gesundheitsministerium teilte laut den dortigen Medien mit, dass selbst bei einem schweren grenznahen Reaktorunfall kaum die Notwendigkeit zur Jod-Einnahme bestünde. Eine Einnahme werde selbst in dann nur in den am stärksten betroffenen Gebieten erforderlich.

Welche Tabletten helfen?

Die oben genannte Wirkung haben lediglich explizit hochdosierte Kaliumiodid-Tabletten. Nur sie sättigen die Schilddrüse mit nicht-radioaktivem Jod. Sie dürfen laut BMUV nicht mit den Jod-Tabletten verwechselt werden, die zur Behandlung von Schilddrüsenkrankheiten vom Arzt verschrieben werden.

„Die Menge an Jod in diesen vom Arzt verschriebenen Tabletten ist viel zu gering, um sie zur Jodblockade einzusetzen“, erklärt das Ministerium. Umgekehrt dürften die Jodtabletten, die zur Jodblockade eingenommen werden, wegen ihrer hohen Jodmenge nicht zur Behandlung von Schilddrüsenkrankheiten verwendet werden. BMUV Hochdosierte Kaliumiodid-Tabletten sättigen die Schilddrüse mit nicht-radioaktivem Jod.

Wann sollte ich Jod-Tabletten einnehmen?

„Zu Ihrer eigenen Sicherheit dürfen sie nur nach Empfehlung durch die Katastrophenschutzbehörden bei einem Unfall in einem Kernkraftwerk eingenommen werden“, heißt es auf der Seite des BMUV. Trete bei einem schweren Unfall in einem Kernkraftwerk radioaktives Jod in die Umwelt aus, erhalte die Bevölkerung im betroffenen Gebiet kostenlose Jod-Tabletten von den Behörden.

Von einer selbständigen Einnahme der Tabletten werde dringend abgeraten. „Eine Selbstmedikation birgt erhebliche gesundheitliche Risiken, hat aktuell aber keinerlei Nutzen“.

Woher bekomme ich im Ernstfall Jod-Tabletten?

Wie das Ministerium betont, würden in Deutschland genügend Jod-Tabletten bereitgehalten, um die Bevölkerung zu versorgen. Gemeinsam mit dem Bundesamt für Strahlenschutz habe man bundesweit 189,5 Millionen Kaliumiodid-Tabletten bevorratet, die im Ernstfall verteilt werden könnten. Sie müssen sich also nicht privat mit den Tabletten eindecken.

Auch das österreichische Gesundheitsministerium betonte, der Krieg in der Ukraine erfordere „keine Bevorratung von Kaliumiodid-Tabletten für Privatpersonen“.

Zwar ist es generell möglich, die Tabletten auch unabhängig von einer nuklearen Katastrophe in den Apotheken zu bestellen. Wie das BMUV erklärt, sind zurzeit allerdings weder in Apotheken noch in Online-Apotheken Jod-Tabletten in der hohen Dosierung verfügbar.

Wer kann Jod-Tabletten einnehmen?

Sinnvoll ist eine Einnahme für Menschen bis zu einer Entfernung von rund 100 Kilometern eines Kernkraftwerks. Wie das BMUV schreibt, würden die Tabletten dort an Personen bis 45 Jahren verteilt. Bundesweit erhielten im Falle des Falles alle Kinder, Jugendliche und Schwangere Tabletten.

Personen über 45 Jahre wird laut Bundesamt für Strahlenschutz hingegen von einer Einnahme von Jod-Tabletten zur Schilddrüsenblockade abgeraten. „Für sie überwiegen die Risiken von Nebenwirkungen den Nutzen der Vermeidung eines erhöhten Risikos für Schilddrüsenkrebs“, heißt es auf dessen Website.

Zu den Nebenwirkungen zählen etwa:

  • Hautausschlag
  • Jucken und Brennen der Augen
  • Schnupfen
  • Reizhusten
  • Durchfall
  • Kopfschmerzen
  • Fieber oder ähnliche Symptome.

In Einzelfällen könne es nach der Einnahme der Jod-Tabletten zu einer jodbedingten Schilddrüsenüberfunktion kommen. Zudem dürfen Sie die Tabletten nicht ohne Rücksprache mit einem Arzt einnehmen bei

  • Schilddrüsenübrfunktion
  • bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Jod oder anderen Bestandteilen
  • Dermatitis herpetiformis Duhirng (Hauterkrankung) und
  • Hypokomplementämischer Vaskulitis (Autoimmunerkrankung).

Fazit:

Es ist also aus zwei Gründen nicht notwendig, jetzt Jod-Tabletten in der Apotheke zu kaufen.

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