„Europa hat sich selbst zum Pandemie-Zentrum gemacht“: Arzt kritisiert Umgang mit Corona

Der öffentliche Kommentar eines Schweizer Arzts sorgt derzeit für großes Aufsehen. Der Mediziner steht seit 20 Jahren im Kontakt zu China und Wuhan. Er sagt: Das Virus war angekündigt. Europa hätte sich besser vorbereiten können.

„Covid-19 – eine Zwischenbilanz oder eine Analyse der Moral, der medizinischen Fakten, sowie der aktuellen und zukünftigen politischen Entscheidungen“ – diesen Titel trägt der Kommentar, den der Arzt Paul Robert Vogt am Dienstag in der „Mittelländischen Zeitung“ veröffentlichte. Darin spart der Schweizer Medizinier nicht mit Kritik. Er betont, wie gefährlich das Virus sei, das westliche Behörden viel zu lange ignoriert hätten – und sorgte damit für Aufsehen.

Nach Angaben der Redaktion der „Mittelländischen Zeitung“ soll er dort schon nach zwei Tagen über 350.000 mal aufgerufen und tausendfach geteilt worden sein.

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Steht seit 20 Jahren im Austausch mit China

Vogt ist mit seiner Stiftung „EurAsia Heart – A Swiss Medical Foundation“ seit mehr als 20 Jahren in Asien tätig. Für fast ein Jahr arbeitete er selbst in China, pflegte kontinuierlich die Verbindung zu Kliniken und Wissenschaftlern in Wuhan, hatte dort eine Gastprofessur. Auch während der Coronakrise habe er seinen Kontakt nach Wuhan erhalten können.

Berichterstattung über „falsche“ Zahlen

Der Mediziner kritisiert in seinem Beitrag verschiedene Punkte. Allen voran: Die mediale Berichterstattung über „falsche“ Zahlen. „Es ist verständlich, dass alle das Ausmaß dieser Pandemie auf die eine oder andere Art erfassen möchten“, erklärt er. „Nur, die tägliche Rechnerei hilft uns nicht weiter, da wir nicht wissen, wie viele Personen lediglich folgenlos Kontakt mit dem Virus hatten und wie viele Personen tatsächlich krank geworden sind.

Damit spricht er ein Problem an, das derzeit in vielen europäischen Ländern herrscht. Durch fehlende Tests können Wissenschaftler das tatsächliche Ausmaß der Coronapandemie nicht richtig einschätzen, auch Untersuchungen auf Immunität fehlen.

In Deutschland will das Robert-Koch-Institut deshalb noch im April erste repräsentative Studien starten, die mithilfe von Antikörpertests die Immunität und so die tatsächliche Verbreitung von Sars-CoV-2 besser eingrenzen sollen. 

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Virus ist nicht wie „eine gewöhnliche Grippe“

Desweiteren kritisiert Vogt, dass viele das Virus mit „einer gewöhnlichen Grippe“ verglichen. „Covid-19 ist nicht nur ein Problem der mechanischen Beatmung, sondern betrifft das Herz in ähnlicher Weise“, betont der Mediziner. Rund 30 Prozent aller Patienten, welche die Intensivstation nicht überlebten, würden aus kardialen Gründen versterben.

Zudem sei die reine, statistische Beurteilung dieser Pandemie „sowieso unmoralisch“. Weder er noch einer seiner Kollegen könne sich daran erinnern, dass in den letzten 30 oder 40 Jahren derartige Zustände im Gesundheitswesen geherrscht hätten: Zu wenig Atmungsgeräte. Ganze Intensivstationen, die nur mit Patienten gefüllt seien, welche alle dieselbe Diagnose hätten. Auch, dass früher oder später bis zu 30 Prozent der Pfleger und Ärzte genau unter der gleichen Krankheit leiden würden.

Vogt meint: „Die Behauptungen, eine ‚Influenza‘ sei genau gleich gefährlich und koste jedes Jahr gleich viele Opfer ist falsch. Zudem ist die Behauptung, man wisse nicht, wer ‚an‘ und wer ‚wegen‘ COVID-19 sterbe, ebenso aus der Luft gegriffen.“

Er betont, dass nicht nur ältere Menschen an den Folgen des Virus sterben würden. „Das Alter der in der Schweiz Verstorbenen liegt zwischen 32 und 100 Jahren“, erklärt der Mediziner. Zudem gebe es Berichte, dass auch Kinder gestorben seien.

Das Virus war angekündigt

Vogt erklärt in seinem Beitrag, dass es genügend Warnzeichen gegeben hätte. Genügend Anhaltspunkte, um sich auf die Verbreitung des Virus vorzubereiten. Zu diesen Zeichen zählt er neben früheren Sars- und Mers-Pandemien auch Studien aus den Jahren 2016 und 2019, die bereits vor der Verbreitung von Coronaviren gewarnt hätten.  

Nachdem der Ausbruch des Virus am 31. Dezember 2019 der Weltgesundheitsorganisation gemeldet worden war, hätten andere Länder zwei Monate Zeit gehabt, um „die richtigen Daten zu studieren und die richtigen Konsequenzen zu ziehen.“

Beispielsweise hätte Taiwan bereits frühzeitig seine durchgeführten Maßnahmen publiziert. Das Land hätte wenig Infizierte und Todesfälle und keinen „Lockdown der Wirtschaft“ durchführen müssen. Laut den Centers of Disease Control gibt es in Taiwan derzeit lediglich 385 Infizierte, 99 sind bereits wieder genesen, sechs Personen starben an den Folgen des Virus.  
 

Pneumonie ist ein medizinisches, kein politisches Problem

Auch Politiker hätten früher nach Asien schauen müssen, hätten medizinische Expertise hinzuziehen sollen. „Eine virale Pneumonie ist ein medizinisches und kein politisches Problem“, betont der Mediziner. „Dank des politisch-ideologisch begründeten Ignorierens medizinischer Fakten hat sich Europa in kürzester Zeit selber zum weltweiten Pandemie-Zentrum gemacht.“ Mittendrin sei die Schweiz, mit der zweithöchsten Infektionsrate pro Kopf.

Abschließend betont der Mediziner, dass es noch sehr viele Unklarheiten in Bezug auf das Coronavirus gebe. Weder über die Immunität noch über die tatsächliche Durchseuchung lägen eindeutige Daten vor.

Auch nicht dazu, ob die höheren Temperaturen des Sommers helfen werden, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. „Hier muss erwähnt werden, dass das Mers-Virus sich im Nahen Osten in den Monaten Mai bis Juli verbreitet hatte, als die Temperaturen höher waren, als sie bei uns je sind“, schreibt Vogt.

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Jeder Schritt ist ein Schritt ins Unbekannte

„Die Aufhebung des 'Lockdown', respektive die Rückkehr zu dem, was wir als normal empfinden, ist sicherlich der Wunsch eines jeden“, schreibt der Mediziner. Welche Schritte mit welchen nachteiligen Folgen verbunden seien, beispielsweise ein Wiederaufflammen der Infektionsrate, könne niemand voraussagen. „Jeder Schritt Richtung Lockdown ist im Grunde genommen ein Schritt ins Unbekannte.“

„Die Herausforderungen sind global“, schreibt der Mediziner zum Ende seines Beitrags. „Und die nächste Pandemie steht vor der Tür. Und diese wird vielleicht durch ein Super-Virus verursacht werden und ein Ausmaß annehmen, das wir uns lieber nicht vorstellen möchten.“

 

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