Fünf Gründe, warum die Corona-Zahlen jetzt sogar höher sind als 2020

Nein, die Pandemie ist noch vorbei. Im Gegenteil. Wir stecken längst mitten in der Herbstwelle. Und damit genau in der Situation, vor der Experten und Expertinnen seit Monaten warnen. Allein am Freitag meldete das Robert Koch-Institut 25.000 Neuinfektionen, die Sieben-Tage-Inzidenz ist schon wieder dreistellig: 139,2. Und auch die Krankenhäuser füllen sich rapide mit Covid-19-Patienten. Wie sind solche Zahlen trotz Impfung möglich? Einfach zu beantworten ist diese Frage nicht. Eine Herleitung anhand von fünf Punkten.

1. Delta ist gefährlicher als der Wildtyp

Im vergangenen Herbst war es der Wildtyp des Coronavirus, der das Infektionsgeschehen bestimmte. Inzwischen aber herrscht die Delta-Variante vor, die ein noch größerer Troublemaker ist. Die Mutation gilt als ansteckender und gefährlicher als der Wildtyp. Studien legen nahe, dass die Variante auch widerstandsfähiger gegen Corona-Impfstoffe ist. (Mehr dazu lesen Sie hier)

2. Wir sind lockerer geworden

Im vergangenen Jahr führten Zahlen, wie wir sie jetzt auch wieder haben, zum Lockdown light. Gastro-Betriebe mussten schließen, später in Teilen auch der Einzelhandel, Schulen und Kitas. Es galten Kontaktbeschränkungen, vielerorts war das Tragen einer Maske auch im Freien Pflicht.

Steigende Inzidenzen


Es gibt keinen Zweifel mehr: Die Pandemie der Ungeimpften ist da!

Viele dieser Maßnahmen wurden mittlerweile gelockert. Es darf wieder getanzt werden, Masken werden gelüftet – sogar in Schulen (Mehr zur Masken-Debatte). Vor allem dank der 3- und 2G-Regelungen sind viele Veranstaltungen und Aktivitäten wieder möglich. Allzu sicher sollte man sich aber dennoch nicht fühlen. Denn auch bei 2G-Veranstaltungen könne man sich infizieren, erklärte Virologin Sandra Ciesek im NRD-Podcast "Coronavirus Update" . "Dann sollte man extrem vorsichtig sein, wenn man am Wochenende die Großmutter besucht", meinte sie. Denn eine Corona-Infektion sei zwar für geimpfte, jüngere Menschen in der Regel kein großes Problem, doch für Risikogruppen und Ungeimpfte bestehe eine große Gefahr. 

3. Der Impfschutz lässt nach

Vor einem Jahr arbeiteten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf der ganzen Welt noch unter Hochdruck an einem wirkungsvollen und sicheren Impfstoff gegen das Coronavirus. Ende des Jahres 2020 bekam das Vakzin von Biontech/Pfizer als erster Impfstoff dann die EU-weite Zulassung. Das große Impfen begann. Die Impfungen gelten als ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Mittel die Pandemie zu beenden. Doch obwohl inzwischen laut Robert Koch-Institut 66,6 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vollständig geimpft sind, Schätzungen gehen sogar von rund 80 Prozent aus, steigen die Infektionszahlen derzeit wieder rasant. Immerhin: Es sterben weniger Menschen an dem Virus.

Corona-Gedenkstätten: Wie sich Menschen auf der ganzen Welt an die Opfer der Pandemie erinnern

"Impfen reduziert das individuelle Risiko schwer zu erkranken" so Ciesek. Allerdings weiß man inzwischen, dass der Impfschutz mit der Zeit nachlässt und dass eine Impfung nur zu Beginn auch gegen ein Infektion schützt (Weitere Infos zum Impfschutz). Ciesek geht davon aus, dass bereits nach drei Monaten wieder eine Ansteckung möglich ist. Bei Geimpften verläuft diese Infektion dann meist sehr milde. Für Risikogruppen hingegen können solche  Impfdurchbrüche gefährlich werden. Für diese sowie für Menschen, die mit dem Einmal-Impfstoff von Johnson&Johnson geimpft wurden, empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) seit einigen Wochen eine Auffrischungsimpfung mit einem mRNA-Impfstoff. (Mehr zum Corona-Booster lesen Sie hier)

Bislang aber haben nur wenige Menschen den Booster erhalten, zum Ärger von Politikern, Medizinern und auch Patientenschützern, die mehr Geschwindigkeit fordern. Relevant sind solche Auffrischungsimpfungen allerdings nicht nur zum Schutz des Einzelnen. Dabei gehe es, so Ciesek, um "ein gemeinschaftliches Blocken von Infektionsketten". Denn auch wenn Impfdurchbrüche bei vielen Geimpften unproblematisch sind, manche Infektionen möglicherweise gänzlich symptomlos verlaufen, kann das Virus in dieser Zeit übertragen werden. Eine Gefahr, die mit Booster-Impfungen zumindest zeitweise eingedämmt werden kann. 

4. Hat sich ein „Gewohnheitseffekt“ eingestellt?

Obschon derzeit die Zahlen auf allen Ebenen nach oben schnellen, interessiere das nicht wirklich jemanden, so das Gefühl von Virologin Ciesek. Es scheine so, als habe sich ein "Gewohnheitseffekt" eingestellt. Problematisch ist das, wenn dieser Effekt zu einem weniger vorsichtigem Verhalten führt, beispielsweise regelmäßiges Händewaschen und das Abstandhalten vernachlässigt wird, und dass zu einem Mehr an Ansteckungen führt. 

5. Mehr Tests, mehr Überblick

Ein weiterer Grund, warum die Infektionszahlen im Vergleich zu 2020 hoch sind, könnte auch an den besseren Test-Möglichkeiten liegen. Im vergangenen Herbst gab es weitaus weniger Möglichkeiten, sich auf das Coronavirus testen zu lassen, es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass dadurch mehr Infektionen unentdeckt blieben.

Quelle: RKI, Podcast "Coronavirus Update"

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