Medikament zur Krebsbehandlung wirkt gegen Augengrippe-Auslöser – Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal

Arsentrioxid gegen Adenoviren

Adenoviren können unter anderem die Augengrippe, Magen-Darm-Beschwerden oder auch Lungenentzündungen verursachen. Bei den meisten Menschen verläuft eine Infektion relativ harmlos, doch bei Personen mit geschwächtem Immunsystem kann es zu schweren und auch tödlichen Infektionsverläufen kommen. Forschende berichten nun, dass ein Medikament zur Krebsbehandlung gegen die Viren helfen könnte.

Laut einer aktuellen Mitteilung kann eine Infektion mit Adenoviren besonders für Kinder nach einer Stammzelltransplantation lebensgefährlich sein. Forschende der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München konnten nun zeigen, dass ein bereits zugelassenes Medikament aus der Krebsbehandlung gegen die Virusinfektion helfen könnte. Aufgrund des besonderen Wirkmechanismus des Präparats kann das Virus keine Abwehrstrategien entwickeln.

Meist ein harmloser Infektionsverlauf

Wie das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen in einem Merkblatt erklärt, sind Infektionen mit Adenoviren weltweit verbreitet, keineswegs selten und kommen zu jeder Jahreszeit, allerdings ausschließlich bei Menschen vor. Häufig kommt es zu örtlich gehäuftem Auftreten. Die Viren sind sehr umweltbeständig und können bei Zimmertemperatur über Wochen ansteckend bleiben.

Die infektiöse Bindehaut- und Hornhautentzündung des Auges, auch Augengrippe genannt, wird durch Adenoviren verursacht. Zudem verursachen die Erreger Magen-Darm-Beschwerden oder auch Lungenentzündungen. In den meisten Fällen verläuft eine Erkrankung bei gesunden Erwachsenen jedoch ohne oder mit milden Symptomen.

„Jeder Erwachsene hat in der Regel schon mehrere Adenovirus-Infektionen durchgemacht“, sagt Dr. Sabrina Schreiner. Die Wissenschaftlerin arbeitet am Institut für Virologie der TUM und des Helmholtz Zentrums München. Die humanen Viren, von denen es aktuell mehr als 85 verschiedene Varianten gibt, galten bislang als nicht besonders gefährlich.

Kein Medikament oder Impfung verfügbar

Doch laut der TUM kann es bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem zu schweren und auch tödlichen Verläufen der Infektion kommen. Besonders gefährlich ist eine Erkrankung demnach für Kinder nach einer Stammzelltransplantation. Im infizierten Patienten liegt die Mortalität in diesem Fall den Fachleuten zufolge sogar bei 80 Prozent.

„Seit 2006 weiß man außerdem, dass auch bei gesunden Personen Infektionen mit Adenoviren auftreten, die schwere Lungenentzündungen mit Todesfolge auslösen können“, so Schreiner. Bislang existiert noch kein Medikament, das spezifisch gegen Adenoviren wirkt. Impfungen für die Normalbevölkerung gibt es bislang ebenfalls nicht.

Antivirale Funktion

Die Virologinnen und Virologen untersuchen, wie sich das Virus in der Zelle vermehrt. Dabei hatten die Forschenden beobachtet, dass sich die sogenannten PML-Kernkörperchen, ein Komplex aus mehreren Proteinen in der Zelle, bei einer Infektion mit Adenoviren stark verändern. Den Angaben zufolge lösen sich die sonst runden Strukturen auf und es entstehen langgezogene Fibrillen.

„Es wird vermutet, dass die PML-Kernkörperchen eine antivirale Funktion haben“, erläutert Schreiner. „Die Viren zerstören die runden Strukturen der Proteinkomplexe und nutzen diese Manipulation der Zelle dann für die eigene Vermehrung.“

Stärkung der körpereigenen Abwehr

Dem Forschungsteam um Schreiner fiel auf, dass bei Krebspatientinnen und -patienten die Strukturen der PML-Kernkörperchen ebenfalls aufgelöst waren. Wurden die Erkrankten aber mit ATO (Arsentrioxid) behandelt, bildeten sich die runden Strukturen wieder zurück.

„Es handelt sich bei ATO um einen bekannten Wirkstoff, der zugelassen ist und in der Klinik aktuell bei Leukämiekranken eingesetzt wird“, erklärt die Wissenschaftlerin.

Die Forschenden testeten die Wirkung des Medikaments bei mit Adenoviren infizierten Zellkulturen. Tatsächlich bildeten auch hier die PML-Kernkörperchen wieder runde Strukturen und die Virenkonzentration ging zurück. „Wir können also tatsächlich diese körpereigenen antiviralen Fabriken wieder herstellen, die das Virus dann bekämpfen“, so Schreiner.

Die Ergebnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden in der Fachzeitschrift „Advanced Science“ veröffentlicht.

Mittel wirkt nicht direkt gegen das Virus

Nach dem Test im Labor soll das Medikament im nächsten Schritt auch bei mit Adenoviren infizierten Patientinnen und Patienten eingesetzt werden. Das Forschungsteam steht dafür in Kontakt mit Kinderärzten in Münchner Kliniken. Weil das Medikament bereits zugelassen ist, kann es direkt für die Behandlung verwendet werden.

„Es handelt sich zwar um eine arsenhaltige Verbindung, aber in den Konzentrationen, in denen es verwendet und auch bereits zugelassen ist, hat es keine zelltoxischen Nebenwirkungen“, erklärt Schreiner.

Die Besonderheit bei diesem Arzneimittel: Es wirkt auf die zelleigenen Strukturen, nicht direkt gegen das Virus. „Es ist oft so, dass Viren Resistenzen gegen Medikamente entwickeln, die sie direkt angreifen“, so Schreiner. „Zum Beispiel können sie so mutieren, dass sie vom Medikament nicht mehr erkannt werden. Da das Virus in diesem Fall aber gar keine direkte Wechselwirkung mit dem Wirkstoff hat, kann es keine Abwehrmechanismen entwickeln.“ (ad)

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