Warum die Politik eingreifen muss

Mehrere Wochen sind nun vergangen, seit das Unglaubliche passierte: Die AvP, das größte private Rechenzentrum Deutschlands, wurde insolvent. Je mehr Details bekannt werden, desto klarer wird, dass das gesamte Abrechnungssystem akut und dringend einer Korrektur bedarf, meint Dr. Thomas Wellenhofer in seinem Gastkommentar.

Für die etwa 3.200 betroffenen Apotheken ist die Lage schlimm. Der akute Finanzausfall in Höhe des Ertrags mehrerer Jahre ist in vielen Fällen existenzgefährdend. Doch was ist mit den anderen Apotheken? Haben sie Glück, nicht beteiligt zu sein? Oder sitzen auch sie auf einem Vulkan, der jederzeit wieder ausbrechen kann?

Abrechnungsdienstleister

AvP-Insolvenz

Gastkommentar zur AvP-Insolvenz

Werden gerade etwa 3.500 Apotheken Opfer des Medikamenten Monopolys?

Zunächst einmal ist mit dem Vorgang der AvP-Pleite eines passiert: Die jahrzehntelange Übereinkunft, dass die als Muster 16 bekannten Kassenrezepte als Wertgutscheine für Dienstleistungen zu sehen sind, die sicher beglichen werden, ist millionenfach gebrochen worden. Und es war einfach, diese von uns allen als garantiert wahrgenommene Werthaltigkeit zu brechen: Die Kündigung der Kreditlinien des Abrechnungshauses durch die beteiligten Banken reichte aus, um von einer Minute auf die andere tradierte Übereinkünfte wie „Treuhandprinzip“ und Sachleistungsprinzip zerplatzen zu lassen wie eine Seifenblase.

Ein Einzelfall? Nur denkbar, weil bei der AvP nicht alles mit rechten Dingen zuging, möglicherweise Betrug im Spiel war? Leider ist die Sachlage eine andere und eben nicht nur auf Unregelmäßigkeiten reduzierbar: Die Ereignisse um AvP haben uns vor Augen geführt, dass die schnellen Zahlungen der Rechenzentren auf enorm großen Volumina kurzfristiger Kredite beruhen. Nicht alles davon scheint für das System zwingend zu sein. Denn die Krankenkassen zahlen innerhalb sehr kurzer Fristen für die eingereichten Rezepte, weil dies die Bedingung für den erheblichen Kassenabschlag ist. Darum müssen schnelle Zahlungen nicht zum Finanzierungsproblem werden.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn schon der Hersteller-Rabatt in Höhe von 7 Prozent erfordert eine beachtliche Vorfinanzierung, weil er von den Abrechnungshäusern erst an die Kassen abgeführt und später von den Herstellern zurückgefordert wird. Im Fall der AvP-Pleite haben die Hersteller-Rabatte bei einem Jahresabrechnungsvolumen von 7,8 Milliarden Euro immerhin ein Monatsvolumen von etwa 30 bis 40 Millionen Euro, also über dem von AvP in der Bilanz bezifferten Jahresumsatz. Und diese Verhältnisse sind zwangsläufig – weil systemimmanent – bei allen Abrechnern identisch.

Hinzu kommen weitere Kreditvolumina durch Vorschusszahlungen, die für die Apotheken hilfreich, aber nicht zwingend für das System sind. Damit sitzt bei jedem Abrechnungshaus ein Bankenkonsortium, das wie im bekannten Beispiel AvP von einer Minute auf die andere den sprichwörtlichen Schalter umlegen kann. Die Sicherheit der GKV-Versorgung ist also in der Hand einiger uns unbekannter Vertreter von Geldhäusern. Die Apotheken und alle anderen Dienstleister, die auf Muster 16 Rezepte bauen, hängen in ihren Existenzen von Entscheidern ab, deren oberste Priorität der Rendite ihrer Häuser gelten muss und die mitnichten die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu verantworten haben sollten.

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