COVID-19: Warum viele Menschen Probleme mit vorgegebenen Regeln haben – Heilpraxis

Warum viele Menschen sich nicht gerne an Regeln halten

Die staatlichen Vorgaben zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie stoßen bei einigen Menschen auf erheblichen Widerstand und sie lehnen es ab, Schutzmasken zu tragen oder auf empfohlenen Mindestabstand zu achten. Doch warum reagieren manche mit derart massiver Ablehnung auf vorgegebene Regeln.

Die meisten Menschen haben generell Probleme damit, wenn es darum geht, Anweisungen und Regeln zu befolgen. Die Verhaltenstherapeutin Jane Pernotto Ehrman von der Cleveland Clinic erklärt, wie man sein Ego davon abhalten kann, gegen Anweisungen zu rebellieren, um sich selber und andere Personen vor Schaden zu schützen.

Ablehnung zieht sich durch das gesamte Leben

Mit zu den ersten Worten, die kleine Kinder lernen, gehört das Wort: Nein. Dies deutet an, welch wichtigen Teil Ablehnung im Leben spielt. Wird Kleinkindern beispielsweise gesagt, sie sollen nicht mit ihrem Ball im Haus spielen, tun sie es oft trotzdem. Teenager verdrehen die Augen, wenn ihnen gesagt wird was sie tun sollen, und wenn niemand in der Nähe ist, tun sie es dann meist trotzdem nicht. Erwachsene regieren häufig genervt und teilweise sogar wütend, wenn man sie auffordert, besser auf eine gesunde Ernährung zu achten und mehr Sport zu treiben, oder weigern sie sich sogar komplett.

Menschen suchen Selbstständigkeit

Menschen sehnen sich generell nach Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Daraus folgt eine Abneigung dagegen, dass jemand anderes Regeln aufstellt oder Vorschriften macht. Das Ergebnis ist, dass Personen einfach nicht tun, was ihnen gesagt wurde oder sie sich dagegen aussprechen.

Regeln während COVID-19

Die Coronavirus-Pandemie machte allerdings einschneidende Regelungen erforderlich. Menschen sollten zum Schutz vor COVID-19 Gesichtsmasken tragen, auf Social Distancing achten und nur in speziellen Fällen das Haus verlassen.

Pandemie weckt den inneren Rebellen

Diese Pandemie-Maßnahmen provozieren unseren inneren Rebellen, so die Verhaltenstherapeutin. Der könne es einfach nicht ertragen, wenn man ihm sagt, was er zu tun hat. Doch wie lässt sich das Bedürfnis zu rebellieren vermeiden, wo es doch um die eigene und die Sicherheit von anderen Menschen geht?

„Niemand mag es wirklich, wenn man ihm sagt, was er tun soll. Widerstand ist in unserer Kultur und in unseren Gehirnen von klein auf verankert. Jeder zeigt irgendeine Form des innerem Rebellen, der gerne in Frage stellt oder das Gegenteil von dem tut, was uns gesagt wird”, berichtet die Verhaltenstherapeutin Jane Pernotto Ehrman in einer Pressemitteilung der Cleveland Clinic.

Was ist psychologische Reaktanz?

Fachleute nennen dieses Gefühl oder Bedürfnis zu rebellieren psychologische Reaktanz. Es ist die Reaktion des Gehirns, wenn Menschen sich in ihrer Freiheit bedroht fühlen oder glauben, dass ihre Wahlmöglichkeiten eingeschränkt werden.

Diese Reaktion kann dazu führen, dass sich jemand verärgert, panisch oder wütend fühlt, wenn ihm Regeln oder Richtlinien auferlegt werden. Sie kann auch bewirken, dass Personen genau das Gegenteil von dem tun, was man ihnen sagt oder von ihnen verlangt, selbst wenn es um die Sicherheit geht. In manchen Fällen, wenn die psychologische Reaktanz aus dem Ruder läuft, kann dies zu Streit, Beziehungsproblemen und anderen Schwierigkeiten führen, erklärt die Expertin.

Manche Menschen haben einfach eine bessere Toleranz und ein besseres Verständnis für die psychologische Reaktivität ihres Gehirns. Wenn diese Personen eine negative Reaktion verspüren und denken, dass ihre Freiheit in Frage steht, haben sie gelernt, einen Schritt zurückzutreten, einen Moment innezuhalten und zu bestimmen, was wirklich wichtig in der vorliegenden Situation ist.

Es gibt aber auch Personen, welche die Schwierigkeiten, die mit der psychologischen Reaktivität ihres Gehirns einhergehen, nie aufgearbeitet haben. Stattdessen treffen sie Entscheidungen, die auf dem Ego und starken Emotionen basieren, was oft zu Selbstsabotage oder unsicherem Verhalten führt, fügt Jane Pernotto Ehrman hinzu.

Passiv-aggressives Verhalten aufgrund von Gesichtsmasken?

Manche Menschen regen sich bereits auf, wenn sie gebeten werden, den Geschirrspüler auszuräumen, obwohl sie das eigentlich eh vorhatten. Dies führt nicht selten zu Streit. Ähnliche Situationen gibt es auch bei der Arbeit, beispielsweise wenn der Chef einen ermahnt, schneller zu arbeiten oder Personen einem anderen Projekt zugeteilt werden. Dies kann betroffene Personen wütend machen, so dass diese sich weigern oder passiv-aggressiv verhalten, erklärt die Expertin. Die selbe Reaktion kann auch auftreten, wenn Menschen die Vorschrift gemacht wird, während der Pandemie eine Gesichtsmaske zu tragen.

Das Ego darf nicht die Kontrolle übernehmen

Es ist also sinnvoll, sich selber einmal die Frage zu stellen, wie reagiere ich, wenn meine Wahlmöglichkeiten eingeschränkt oder meine Freiheiten bedroht scheinen? Übernimmt in einem solchen Fall das Ego die Oberhand oder können die auftretenden Gefühle richtig verarbeitet werden, um zu verstehen, warum Anweisungen oder Regeln aufgestellt wurden.

„Für Erwachsene ist es wichtig zu erkennen, wenn das rebellisches Selbst sich auf eine Art und Weise verhält, die nicht in unserem besten Interesse ist oder für die Menschen um uns herum schädlich sein könnte”, berichtet Ehrman. Doch „wenn wir eine starke Welle des Widerstands spüren, versuchen wir normalerweise, unser Ego zu schützen, weil wir nicht verletzlich wirken wollen.“

Emotionen richtig verarbeiten

Das eigene Gehirn umzuprogrammieren und Emotionen zu managen, erfordert Disziplin und Übung. Es geht darum, den inneren Rebellen dazu zu bringen, für die betroffenen Menschen zu arbeiten und nicht gegen sie, erklärt die Expertin weiter. Anstatt aus dem Ego heraus zu leben, sollte es erlernt werden abzuwägen, was das Beste für das eigene Wohl und die Menschen um sich herum ist. Dies gilt auch, wenn es vielleicht nicht angenehm, aber dafür die richtige Entscheidung ist.

Im Fall von COVID-19 bedeute dies: Das Tragen einer Gesichtsmaske, auf Social Distancing achten und sich nicht in großen Gruppen versammeln!

Das Ego ist häufig Grund für Streitereien

Wenn Menschen sich also beispielsweise aufregen, weil sie gebeten werden, die Spülmaschine auszuräumen, sollten sie sich fragen, ob das eigene Ego der Grund für die Aufregung ist. Man sollte sich in diesem Fall klarmachen, dass solch eine Kleinigkeit es nicht wert ist, einen Streit anzuzetteln.

Ego kann Job und Partnerschaft gefährden

Streitereien gefährden die Beziehung, vor allem, wenn dies regelmäßig geschieht. Das Gleiche gilt natürlich auch bei der Arbeit, wenn unliebsame Tätigkeiten ausgeführt werden sollen. Das eigene Ego kann schnell die Aufstiegschancen im Job sabotieren und die Beziehung zu Vorgesetzten beeinträchtigen.

Pflicht zu verantwortlichem Handeln

„Sie haben vielleicht das Recht, Alkohol zu trinken, aber Sie haben auch eine Verantwortung für die Sicherheit der Menschen um Sie herum, nicht angetrunken Auto zu fahren. Wenn es um die Coronavirus-Pandemie geht, haben Sie die Verantwortung, die Menschen um Sie herum zu schützen, indem Sie eine Maske tragen, zu Hause bleiben und Abstand halten“, erläutert Ehrman.

Wie lässt sich das eigene Ego besiegen?

Bei der Zähmung des inneren Rebellen sollten zuerst die eigenen Gefühle beachtet werden. Betroffene Personen sollten sich bei innerem Widerstand zudem die Fragen stellen, was wirklich verlangt wird, und was das Beste für sie selbst und nahestehende Personen ist, rät die Expertin. Manche Regelungen lassen sich außerdem leichter ertragen, wenn man sich die dadurch entstehenden Vorteile vor Augen führt. Das Umdenken und Trainieren der psychologischen Reaktanz wird Zeit brauchen, aber mit Übung und Disziplin kann das Ego in Zaum gehalten werden, resümiert die Expertin. (as)

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