COVID-19: Zweite Welle macht viele Menschen depressiv – Heilpraxis

Zweite COVID-19-Welle führt bei vielen zu depressiven Symptomen

Die COVID-19-Pandemie und die Einschränkungen des Alltagslebens haben erhebliche Folgen für die psychische Gesundheit der Bevölkerung. Im Zuge der Corona-Krise war laut einer Umfrage der Krankenkasse pronova BKK ein drastischer Anstieg der Diagnosen bei Angststörungen, Depressionen und Anpassungsstörungen festzustellen. Besonders stark stiegen die Zahlen im Zuge der zweiten Infektionswelle.

Auch eine aktuelle Studie der Universität Basel macht deutlich, dass die zweite COVID-19-Welle offenbar zu wesentlich stärkeren negativen Effekten auf die psychische Gesundheit führt, als die erste Welle im Frühjahr 2020 – zumindest bei der Bevölkerung in der Schweiz. „Der Anteil Personen mit schweren depressiven Symptomen betrug während des Lockdowns im April rund neun Prozent und stieg im November auf 18 Prozent“, so die Mitteilung der Universität Basel. Besonders stark betroffen seien junge Leute und Personen, die durch die Pandemie finanzielle Einbussen erfahren haben.

Online-Befragung „Psychische Gesundheit in der Krise“

Im Zuge der COVID-19-Pandemie sind in Deutschland immer mehr Menschen in seelische Nöte geraten und die Terminanfragen für entsprechende Behandlungen sind deutlich gestiegen, berichtet die pronova BKK von den Ergebnissen der Online-Befragung „Psychische Gesundheit in der Krise“. Für die Umfrage wurden bundesweit 154 Psychiaterinnen und Psychiater sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten befragt.

Angststörungen, Depressionen und Anpassungsstörungen

Vor allem Ängste, Überforderung, familiäre Probleme und Nervosität seien häufig Anlass der Hilfegesuche. Gleichzeitig steige die Zahl der Diagnosen bei Angststörungen, Depressionen und Anpassungsstörungen. „82 Prozent der befragten Fachärzte diagnostizieren öfter Angststörungen als vor der Krise. 79 Prozent stellen vermehrt die Diagnose einer Depression, 74 Prozent vermerken Anpassungsstörungen, also stark ausgeprägte Reaktionen auf belastende Ereignisse“, berichtet die pronova BKK.

Des Weiteren hätten 72 Prozent der Befragten eine Zunahme somatoformer Störungen festgestellt, also von Beschwerden wie Müdigkeit, Erschöpfung oder Schmerzen ohne organische Ursache. Insbesondere Schlafstörungen seien im Zuge der Corona-Krise vermehrt aufgetreten. Oft werde gegen die Beschweren auch eine medikamentöse Therapie erforderlich und so habe knapp ein Viertel der Befragten seit Beginn der Pandemie mehr Arzneimittel verschrieben.

Gewohnte Strukturen brechen weg

„Die Pandemie stellt den Alltag auf den Kopf und raubt den Menschen das sichere Gefühl gewohnter Strukturen“, resümiert Dr. Gerd Herold, Beratungsarzt bei der pronova BKK. Überforderung entstehe zum Beispiel im Familienleben oder im Corona-bedingten Homeoffice. Und auch die neuen Vorschriften und Umgangsformen wie Abstandsregeln, Masken oder Kontaktbeschränkungen seien für manche verunsichernd und tendenziell destabilisierend.

Psychisch labile Menschen leiden verstärkt

Hinzu kommen die Angst vor einer Infektion mit dem Virus, um Angehörige, um den Job, Existenzsorgen oder auch Ängste vor sozialer Isolation im Lockdown, die Spuren hinterlassen, so Dr. Herold. Wer psychisch labil ist, sei nun umso anfälliger. Litten Betroffene schon vor der Krise unter Ängsten oder fühlten sie sich überfordert, wurden ihre Beschwerden im Zuge der Pandemie schlimmer. „Das stellen 92 Prozent der befragten Psychiaterinnen und Psychiater sowie Therapeutinnen und -therapeuten fest“, berichtet die pronova BKK.

Beziehungsprobleme und Ehekrisen

Verstärkt auftretende Symptome seien zudem Unruhe und Nervosität, Niedergeschlagenheit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Des Weiteren würden auch familiäre Probleme durch die Einschnitte in der Corona-Krise verschärft. „Wer ohnehin in Beziehungsproblemen oder Ehekrisen steckt, erlebt oft, dass sich die Konflikte mit zunehmendem Alltagsstress zuspitzen. Es ist zu befürchten, dass Streitigkeiten auch gewalttätig ausgetragen werden“, so Dr. Herold.

Zweite Welle trifft die Menschen besonders hart

Auch bislang unbelastete Menschen haben im Zuge der Corona-Pandemie vermehrt psychische Probleme entwickelt, wobei die entsprechenden Terminanfragen im dritten Quartal 2020 besonders stark gestiegen sind, berichtet die pronova BKK. Dies deckt sich wiederum mit den Ergebnissen der Schweizer Studie, die in der zweiten Welle im November ebenfalls eine deutlich Zuspitzung der Situation feststellte.

„Während der Anteil von Befragten mit schweren depressiven Symptomen vor der Pandemie 3 Prozent betrug, während des Lockdowns im April 9 Prozent und in der Zeit der Lockerungen im Mai 12 Prozent, stieg er im November auf 18 Prozent an“, berichtet die Universität Basel. Im Vergleich zum Lockdown im April werde die Situation von vielen Befragten aktuell als belastender gewertet.

Junge Menschen am stärksten betroffen

Besonders stark betroffen, sind laut Angaben des Schweizer Forschungsteams junge Leute. So habe die Häufigkeit schwerer depressiver Symptome bei den 14 bis 24-Jährigen Befragten bei 29 Prozent gelegen – bei den über 65–Jährigen jedoch nur bei sechs Prozent. Junge Menschen haben besonders stark mit den psychischen Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen, und auch die Schulen sollten diesem Umstand mit einer flexiblen Handhabung des Lehrplans Rechnung tragen, betonen die Forschenden.

Das Schweizer Forschungsteam empfiehlt allen Betroffenen mit belastenden depressiven Symptomen, dringend Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und auch bei anderen psychischen Problemen infolge der Pandemie kann eine psychiatrische beziehungsweise psychotherapeutische Behandlung Hilfe bieten. (fp)

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