Erzieherin berichtet von Virus-Welle in Kita: „Drei Viertel der Kinder sind krank“

Die Corona-Fallzahlen steigen stark. Doch auch andere Viren zirkulieren momentan massiv in Deutschland – bei den Kindern vor allem das sogenannte RS-Virus. Gegenüber FOCUS Online erzählt eine Erzieherin: „Wir lüften wie in den schlimmsten Corona-Zeiten.“

37.120 Corona-Neuinfektionen meldet das Robert-Koch-Institut am Freitag, den zweiten Tag in Folge ein Rekordwert. In vielen Krippen und Kindergärten allerdings macht ein ganz anderes Virus gerade ungewöhnlich viele Kinder krank: das sogenannte RS-Virus (RSV).

RSV steht für Respiratorisches Synzytial-Virus und ist ein weit verbreiteter Krankheitserreger, der jedes Jahr eine Erkrankungwelle auslöst. Infizieren kann sich damit grundsätzlich jeder, Probleme macht das Virus jedoch in der Regel nur bei Kleinkindern und Säuglingen.

"Kinderabteilungen sind extremst gefüllt mit diesem RS-Virus"

Kinderkliniken melden inzwischen immer mehr Infektionen und zunehmend ausgelastete Kapazitäten. "Die Kinderabteilungen sind extremst gefüllt mit diesem RS-Virus", sagt etwa Wolfgang Schütte, Präsident des Krankenhausverbands Sachsen-Anhalt. Teilweise hätten Kinderstationen keinen Platz mehr für neue Patienten.

"Es gibt leider im Moment eine Zuspitzung", warnte der Sprecher der Deutschen Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske, schon im Oktober. Bei den meisten Kindern verlaufe die Infektion zwar mild. Weil die Gesamtzahl der infizierten Kinder mittlerweile aber so hoch ist, steigt jetzt auch die absolute Zahl der schweren Verläufe – die es in seltenen Fällen eben auch gibt – stark an.

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Warum sich gerade so viele Kinder anstecken

Normalerweise nehmen die RSV-Fälle erst im Laufe des Novembers zu. Warum die Infektionslage aktuell bereits so hoch sei, sei unklar, sagt Krankenhausverband-Chef Wolfgang Schütte. Eine Ursache könne sein, dass die Corona-Hygienemaßnahmen das Virus unterdrückt hätten. Dadurch habe es keine kontinuierliche Infektionsrate gegeben. Jetzt schlage das RS-Virus plötzlich zu, so Schütte weiter.

Ähnlich formuliert es Stefan Fest, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Dessau. Normalerweise bekämen 50 bis 70 Prozent der Kinder im ersten Lebensjahr RSV, bis zum zweiten Lebensjahr seien dann in der Regel so gut wie alle Kinder mit der ersten Infektion durch. In der Krippe oder der Kita treffe das Virus jetzt auf viele Kinder, die im vergangenen Jahr noch nicht erkrankt seien.

"Es gibt wahrscheinlich eine ganze Geburtskohorte, die keinerlei Erstimmunität entwickelt hat", bestätigt Berit Lange vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung gegenüber dem "Spiegel". Eine Verdopplung des Infektionsgeschehens gegenüber einem normalen Winter sei deshalb zu erwarten.

Erzieherin: "Bei uns sind gerade drei Viertel der Kinder krank"

"Bei uns sind gerade drei Viertel der Kinder krank", sagt Erzieherin Josefine Weimer zu FOCUS Online (Name geändert). "Viele haben schon länger Erkältungssymptome – was ja typisch für den Herbst ist –, aber in letzter Zeit kamen viele trotzdem weiterhin in die Einrichtung. Dadurch werden die Viren natürlich weitergegeben, so dass jetzt eigentlich alle kränkeln."

Welcher Erreger im Einzelfall für die Symptome verantwortlich sind, könne sie nicht sagen. Bei einigen seien inzwischen Magen-Darm-Beschwerden hinzugekommen.

Zu den typischen Anzeichen für eine RS-Virus-Infektion zählen Mediziner:

  • Husten und Schnupfen
  • Halsschmerzen
  • eine schnelle Atmung
  • ein verringerter Sauerstoffgehalt im Blut sowie
  • eine Trinkverweigerung.

Nach der Infektion dauert es im Schnitt fünf Tage bis die ersten Symptome auftreten. Meistens beginnt alles harmlos mit Schnupfen, Husten und Halsschmerzen. Auch eine Bindeshautentzündung im Auge sowie eine Mittelohrentzündung können begleitend auftreten. Laut RKI kommt es in fünf Prozent der Fälle zudem zu einem keuchhustenähnlichen Krankheitsbild.

Gefährdet für einen schweren Infektionsverlauf sind laut Experten vor allem

  • Frühgeborene, deren Lunge noch nicht vollständig ausgereift sind und
  • Säuglinge in den ersten sechs Lebensmonaten.

Das Geschlecht spielt bei der Schwere des Verlaufs ebenfalls eine Rolle: So sind laut RKI Jungen doppelt so häufig davon betroffen wie Mädchen. Die Gründe dafür sind noch nicht geklärt. Vorerkrankungen von Herz und Lungen sind zusätzliche Risiken für einen schweren Verlauf.

Wann Sie mit Ihrem Kind zum Arzt gehen sollten

Handeln sollten Eltern dann, wenn das Kind anfängt, schwer zu atmen. "Eine schnelle, angestrengte Atmung ist ein Warnzeichen", zitiert der "Spiegel" Johannes Liese, Leiter des Bereichs pädiatrische Infektiologie und Immunologie am Universitätsklinikum Würzburg. Die Kinder hätten dann Schwierigkeiten genügend Luft zu bekommen – häufig bewege sich dabei der Brustkorb nach innen. Eltern sollten dann sofort mit Ihrem Kind zum Arzt gehen.

Bei nur leichten Symptomen ist das nicht notwendig, sagt Kinderarzt Jakob Maske. Einzig sehr kleine Kinder bis drei Monate sollten auch bei harmlos scheinenden Infekten zum Kinderarzt. "Bei älteren Kindern können Eltern auch erst einmal abwarten." Wenn es den Kindern allerdings zunehmend schlecht gehe, wenn sie schlapp seien, nicht mehr essen und trinken würden, dann sollten die Eltern sie ebenfalls sofort vorstellen, schildert Maske.

"Und natürlich dann, wenn Fieber länger anhält. Unsere Schmerzgrenze liegt da so bei drei bis vier Tagen. Und natürlich auch, wenn das Fieber besonders hoch ist", führt der Mediziner aus. "Nicht, weil wir Angst vor dem Fieber haben. Sondern weil das besonders hohe Fieber gelegentlich ein Hinweis darauf ist, dass es sich um eine bakterielle Entzündung handelt und nicht um eine virale."

Erzieherin: "Wir lüften wie in den schlimmsten Corona-Zeiten!"

Erzieherin Josefine Weimer und ihre Kollegen und Kolleginnen stellen die viele kranken Kinder vor eine besondere Herausforderung. "Wir haben diese Woche auch einige Kinder abholen lassen, weil sie einfach zu krank waren. Für uns ist es dann immer schwierig, zu gucken, dass diese Kinder keinen Kontakt mehr zu den anderen in der Gruppe haben. Damit sich die Viren nicht komplett verbreiten, hatten wir fast durchgängig die Fenster offen, obwohl es total kalt war. Das ist gerade wie in den schlimmsten Corona-Zeiten!"

Mediziner Wolfgang Schütte hat für besorgte Eltern dennoch eine beruhigende Nachricht: Erstens sei das RS-Virus nicht so gefährlich wie das Coronavirus. Und zweitens ist es "auch nicht so gefährlich, dass die alle auf die Intensivstation müssen, die Kinder. Aber sie sind doch eben relativ krank". RSV lasse sich gut behandeln und nach etwa einer Woche hätten die Kinder die Krankheit dann meist überstanden, ergänzt Chefarzt Fest. Eine Impfung gibt es nicht.

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