Impfung könnte Entstehung bestimmter Krebsformen im Keim ersticken – Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal

Impfung zur Verhinderung von Krebs

Fachleuten zufolge erkranken hierzulande jährlich rund eine halbe Million Menschen an Krebs. Viele Erkrankungen könnten durch einen gesünderen Lebensstil vermieden werden. Auch eine Schutzimpfung gegen veränderte Proteine könnte in Zukunft die Krebsentstehung verhindern, berichten Forschende.

Laut dem Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) sagen Fachleute für das Jahr 2020 einen Anstieg auf über 500.000 Krebsneuerkrankungen voraus. In den vergangenen Jahren haben verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, dass viele Krebsfälle durch einen gesünderen Lebensstil verhindert werden könnten. Möglicherweise könnte künftig auch eine Impfung helfen.

Mutationen identifiziert

Wie das DKFZ in einer aktuellen Mitteilung erklärt, zeichnen sich Krebsarten, bei denen ein Defekt der Erbgut-Reparatur vorliegt, durch eine besonders hohe Zahl an Mutationen aus.

Forschenden des DKFZ, des Universitätsklinikums Heidelberg, der Universität Heidelberg und des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien (HITS) ist es jetzt gelungen, bei diesen Tumoren solche Mutationen zu identifizieren, die in identischer Form bei zahlreichen Patientinnen und Patienten übereinstimmen und die darüber hinaus zu veränderten Proteinstrukturen führen.

Laut den Fachleuten könnten zukünftig Impfungen gegen diese veränderten Proteine die Entstehung dieser Krebsformen im Keim ersticken, wenn sie sich in klinischen Studien bewähren.

Tumoren sprechen gut auf Immuntherapien an

Erbgutveränderungen führen oft dazu, dass Zellen veränderte Proteine ausbilden. Besonders häufig tritt dies laut dem DKFZ bei den sogenannten Mikrosatelliten-instabilen Krebsarten auf: In diesen Tumoren ist ein wichtiges Reparatursystem ausgefallen, das normalerweise kleine Fehler im Erbgut korrigiert. Bleiben solche DNA-Defekte unrepariert, so schiebt sich oft ein zusätzlicher Baustein in die DNA-Kette ein – mit der Folge, dass die gesamte Proteinbauanleitung aus dem Takt gerät.

Die dadurch entstehenden neuartigen Proteinstrukturen, sogenannte Neoantigene, werden vom Immunsystem oft als fremd erkannt. „Bekanntermaßen sprechen Tumoren mit DNA-Reparaturdefekten, die viele Neoantigene haben, auch besonders gut auf Immuntherapien an”, erläutert der Leiter der Studie Matthias Kloor vom Universitätsklinikum Heidelberg und vom DKFZ.

Den Angaben zufolge zählen etwa 15 Prozent aller Fälle von Darmkrebs und bis zu 30 Prozent aller Gebärmutterkörper-Karzinome zu den Mikrosatelliten-instabilen Tumoren. Es war bislang nicht bekannt, ob diese Neoantigene bei Mikrosatelliten-instabilen Krebsarten nach dem Zufallsprinzip entstehen oder ob es bestimmte Häufigkeiten gibt.

Wiederkehrende Erbgutveränderungen

Um das herauszufinden, unterzogen Kloor und sein Team deswegen jetzt 139 Mikrosatelliten-instabile Tumoren einer systematischen Analyse. Dazu nutzen die Forschenden einen neu am Universitätsklinikum, am DKFZ, am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg und am HITS entwickelten Algorithmus, der die Mutationen in den Tumorzellen quantitativ auswertet.

In einem zweiten Schritt konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorhersagen, welche dieser Neoantigene dazu fähig sind, das Immunsystem zu aktivieren.

Das überraschende Ergebnis der wissenschaftlichen Untersuchung: Die Mutationen treten keineswegs rein zufällig an beliebigen Stellen des Erbguts auf. Vielmehr fanden die Forscherinnen und Forscher zahlreiche spezifische wiederkehrende Erbgutveränderungen, die in den Tumoren vieler Patientinnen und Patienten übereinstimmten.

Viele dieser übereinstimmenden Mutationen führen zur Bildung von Neoantigenen, die laut bioinformatischer Vorhersage in der Lage sind, das Immunsystem zu aktivieren und damit gegen den Krebs zu mobilisieren.

Eine weitere Überraschung: Mutationen, die zu stark immunogenen Neoantigenen führen, finden sich bei den Mikrosatelliten-instabilen (MSI) Krebsarten tatsächlich eher selten. „Das kann darauf hinweisen, dass das Immunsystem den Tumor während seiner Entstehung überwacht und Krebszellen mit hoch immunogenen Neoantigenen sogleich eliminiert. Der Tumor besteht dann mehrheitlich aus Zellen, deren Neoantigene das Immunsystem deutlich weniger aktivieren. Das Immunsystem formt also den Tumor im Verlaufe seiner Entstehung“, erläutert Kloor.

Es gibt jedoch bestimmte Mutationen, die trotz der hohen Immunogenität der entstehenden Neoantigene häufig in MSI-Tumoren vorkommen. Diese Mutationen scheinen die Tumor-Entstehung voranzutreiben. Solche Neoantigene, die von Mutationen mit Tumor-treibendem Effekt resultieren, sind laut den Forschenden für eine Impfstoffentwicklung besonders vielversprechend.

Immunsystem sensibilisieren

„Diese Beobachtung bestätigt unsere Idee, dass es möglich sein könnte, mit Schutzimpfungen gegen ausgewählte Neoantigene die Entstehung klinisch relevanter Tumoren zu verhindern“, so Magnus von Knebel Doeberitz, ebenfalls Autor der Arbeit und Leiter einer sowohl am DKFZ als auch am Universitätsklinikum Heidelberg angesiedelten Forschungsabteilung.

Besonders profitieren könnten davon Patientinnen und Patienten mit Lynch-Syndrom, bei denen Defekte der DNA-Reparatur familiär auftreten und die daher häufig schon in jüngerem Alter an Krebs erkranken.

Die Idee der Forschenden ist, das Immunsystem dieser Patientinnen und Patienten spezifisch für solche Neoantigene zu sensibilisieren, die aus Mutationen resultieren, die das bösartige Krebswachstum besonders antreiben.

Damit könnte die Tumorentwicklung so beeinflusst werden, dass das Auswachsen von gefährlichen Krebszellklonen deutlich weniger wahrscheinlich wird. Vor einer klinischen Anwendung ist es aber erforderlich, diesen präventiven Ansatz in weiteren vorklinischen und klinischen Studien auf seine Wirksamkeit zu untersuchen.

Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht. (ad)

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