Jeder wartet auf Corona-Impfstoff – diese zehn Kandidaten stehen vor finalem Schritt

Bei 38 davon laufen bereits klinische Studien an Menschen, in denen die Verträglichkeit, Dosierung und Wirksamkeit des jeweiligen Impfstoffkandidaten ermittelt wird. In der dritten und letzten klinischen Phase vor der Zulassung befinden sich laut WHO inzwischen zehn Forschungsteams.

Diese Seren haben bereits bewiesen, dass sie eine Immunantwort im Körper hervorrufen und – zumindest im Rahmen der bisherigen Testungen – keine gravierenden Nebenwirkungen auslösen. Nun wird an jeweils mehreren Tausend Freiwilligen getestet, ob sie tatsächlich im Alltag vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen und nicht doch seltenere, gravierende Nebenwirkungen auftreten.

Totimpfstoffe

Bei drei Kandidaten in Phase-III-Studien setzt man auf sogenannte Totimpfstoffe mit inaktivierten Sars-CoV-2-Viren. Alle drei stammen aus China. Das klassische Verfahren hat sich bereits bei Schutzimpfungen gegen viele andere Krankheiten bewährt. Beispielsweise kommen auch gegen Polio, Keuchhusten, Grippe oder Pneumokokken Vakzinen zum Einsatz.

Allerdings besteht hier eine höhere Gefahr, dass bei neu entwickelten Impfungen Komplikationen auftreten können, beispielsweise aufgrund einer Überreaktion des Immunsystems.

Vektor-Impfstoffe

Vier der Vakzine in Phase III sind sogenannten Vektor-Impfstoffe. Dabei wird ein für den Menschen ungefährliches Virus als Fähre eingesetzt. Diese Viren schleusen bestimmte Komponenten des Coronavirus in den Körper.

Der Impfstoff AZD1222 von der University of Oxford und AstraZeneca beruht beispielsweise auf einen Erkältungsvirus von Schimpansen. Dieses Virus kann sich im menschlichen Körper nicht vermehren. Es trägt aber Genabschnitte von Sars-CoV-2. Anhand dieses „Bauplans“ können die menschlichen Zellen dann ein spezielles, Corona-typisches Eiweiß herstellen. Das Immunsystem reagiert darauf und „merkt“ sich im Idealfall die Struktur des Proteins. Es springt dann rasch wieder an, wenn es später mit dem Virus konfrontiert ist.

Die Erprobung dieses Impfstoffs AZD1222 (ChAdOx1-S) wurde kürzlich für einige Tage ausgesetzt. Bei einem Probanden waren gesundheitliche Probleme aufgetreten (NetDoktor berichtete). Inzwischen laufen die Tests wieder.

RNA-Impfstoffe

Die modernsten Impfstoffe, die sich bereits in Phase III befinden, sind zwei sogenannte messengerRNA-Impfstoffe. Sie enthalten bestimmte Abschnitte des Virus-Erbguts . Anhand dieser produzieren anschließend Körperzellen einzelne unschädliche Virus-Proteine, mit denen das Immunsystem gegen den Erreger trainiert wird. Dabei helfen feinste Fettpartikel, dass der mRNA-Impfstoff in die Zellen gelangt.

Da die Boten-RNA nicht in die menschliche DNA eingebaut werden kann, besteht keine Gefahr, dass das menschliche Erbgut durch das Vakzin verändert wird. Vorteil ist hier, dass die Produktion großer Impfstoffmengen zügig möglich ist. Bislang gibt es noch keinen zugelassen Impfstoff, der nach diesem modernen Prinzip funktioniert.

Folgende Impfstoffe befinden sich derzeit in der Phase III:

Folgende Impfstoffe befinden sich derzeit in der Phase III:

  • University of Oxford/AstraZeneca: Vektorimpfstoff (Großbritannien/UK)
  • CanSino Biological Inc./Beijing Institute of Biotechnology: Vektorimpfstoff (China)
  • Gamaleya Research Institute: Vektorimpfstoff (Russland)
  • Janssen Pharmaceutical Companies: Vektorimpfstoff (USA)
  • Sinovac: Totimpfstoff (China)
  • Beijing Institute of Biological Products/Sinopharm: Totimpfstoff (China)
  • Wuhan Institute of Biological Products Sinopharm: Totimpfstoff (China)
  • Moderna/NIAID: mRNA-Impfstoff (USA)
  • BioNTech/Fosun Pharma/Pfizer: mRNA-Impfstoff (Deutschland/China/USA)
  • Johnson & Johnson: Vektorimpfstoff (USA)

Aufsehen erregte die vorgezogene Zulassung des Impfstoff Gam-COVID-Vac, eines der Vektor-Impfstoffe, der vom russischen Hersteller Gamaleya-Institut entwickelt wurde. Er wird bereits geimpft, obwohl die Phase-III-Studie noch nicht abgeschlossen ist. Zudem waren zum Zeitpunkt der Zulassung keinerlei Daten aus klinischen Studien veröffentlicht.

Auch der Vektor-Impfstoff Ad5-nCoV das chinesischen Herstellers CanSino Biologics hat bereits eine vorgezogene Zulassung – ebenfalls noch vor Abschluss klinischer Testreihen. Mit ihm werden unter anderem Angehörige des Militärs geimpft.

Eine derartige vorgezogene Zulassung vor Abschluss der Phase III gilt als sehr riskant, denn seltene Nebenwirkungen werden oft erst in dieser Phase entdeckt. Erweist der Impfstoff sich nachträglich als riskant oder wenig wirksam, könnte der Vorfall das Vertrauen der Bevölkerung auch in andere Impfstoffe beschädigen, fürchten Experten. Westliche Impfstoffhersteller haben sich daher gemeinsam dazu verpflichtet, eine Zulassung erst nach Abschluss der jeweiligen Phase III zu beantragen.

Wann kommt der Impfstoff?

Experten der Ständigen Impfkommission gehen davon aus, dass im ersten Halbjahr 2021 ein Impfstoff zugelassen werden könnte. Bis dann genug Dosen zur Verfügung stehen, um die breite Bevölkerung impfen zu können, würden allerdings weitere Monate ins Land gehen.

Andere Experten hingegen, wie der Bonner Virologe Prof. Hendrik Streeck, dämpfen die Hoffnungen. Man könne derzeit "nicht vorhersagen", wann ein wirksamer Impfstoff gegen Corona marktreif sei, sagte er im Gespräch mit dem "Handelsblatt". Die Frage, ob ein neu entwickelter Impfstoff später auch funktioniere, könne man nur schwer vorhersagen.

In jedem Fall würden zuerst Menschen geimpft, denen eine Sars-CoV-2-Infektion besonders gefährlich werden kann, also Senioren oder chronisch Kranke. Außerdem Personen, die häufiger Kontakt mit möglichen Infizierten oder engen Kontakt zu besonders gefährdeten Menschen haben, beispielsweise medizinisches oder Pflegepersonal, würde bevorzugt geimpft, wie die Ständige Impfkommission (STIKO) in einer Stellungnahme mitteilt.

Wie wirksam muss der Impfstoff sein?

Um die Pandemie zu beenden, müssen genügend Menschen geimpft werden – und der Impfstoff muss zudem bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Nur so kann eine ausreichende, sogenannte Herdenimmunität entstehen, die auch ungeimpfte Personen schützt. Wissenschaftler um Sarah M. Bartsch von der CUNY Graduate School of Public Health and Health Policy in New York City haben errechnet, wie wirksam ein Covid-19-Vakzin sein muss, um als alleinige Maßnahme die Ausbreitung des Virus zu stoppen.

Bei einer Durchimpfungsrate von 75 Prozent der Bevölkerung müssten er nach Berechnungen der Forscher 70 Prozent der Geimpften schützen, bei einer Durchimpfungsrate von nur 60 Prozent muss die Wirksamkeit sogar bei 80 Prozent liegen. Zum Vergleich: Die zweimalige Masernimpfung bietet einen Schutz von mehr als 97 Prozent. Die Grippeimpfung hingegen, die auf Prognosen der vermutlich zirkulierenden Viren basiert, kommt teilweise nur auf eine Wirksamkeit von weniger als 20 Prozent.

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