Tod durch Ventilator? Viele Südkoreaner glauben daran. Was hat es damit auf sich?

Die Sommer in Südkorea sind heiß und feucht. Das Thermometer misst in den Sommermonaten oft Temperaturen von mehr als 30 Grad, auch nachts ist es noch relativ warm. Da scheint es eine gute Idee zu sein, sich beim Schlafen mit einem Ventilator oder einer Klimaanlage abzukühlen. Doch das ist in den Augen vieler Südkoreaner:innen ein tödliches Risiko.

Der Mythos des "Ventilatortods" – auf Koreanisch "seonpunggi samang" – besagt, dass man sterben kann, wenn man sich in einem geschlossenen Raum mit einem über Nacht laufenden Ventilator oder einer Klimaanlage befindet. Weitverbreitete Theorien über den Tod durch Ventilatoren, sind angebliche chemische Veränderung in der Luft; Luftwirbel, die das Atmen verhindern und Unterkühlung durch den Luftstrom.

Die Diagnose


Er kann kaum mehr atmen. Doch das ist nicht, was sein Leben bedroht

Sogar staatliche Behörde warnte vor Ventilatoren

Tatsächlich berichten südkoreanische Medien über Todesfälle, die angeblich im Zusammenhang mit Ventilatoren stehen. So schrieb die Zeitung "The Korea Herald" vor zehn Jahren in einem Artikel: "Berichten zufolge starb am Montagmorgen ein Mann, nachdem er bei laufendem Ventilator geschlafen hatte. Das 59-jährige Opfer (…) wurde tot aufgefunden, während der Ventilator direkt auf ihn gerichtet war."

Und als wäre das nicht genug: Sogar der südkoreanische Verbraucherschutz warnte 2006 in einer Mitteilung vor der angeblich tödlichen Gefahr der Ventilatoren. "Wenn Körper zu lange elektrischen Ventilatoren oder Klimaanlagen ausgesetzt sind, führt dies zu Wasserverlust und Unterkühlung. Bei direktem Kontakt mit einem Ventilator kann dies zum Tod durch Erhöhung der Kohlendioxid-Sättigungskonzentration und Abnahme der Sauerstoffkonzentration führen. Die Risiken sind für ältere Menschen und Patienten mit Atemproblemen höher."

Von 2003 bis 2005 seien insgesamt 20 Fälle gemeldet worden, bei denen es um mutmaßliche Erstickungen ging, die Ventilatoren und Klimaanlagen verursacht haben sollen. Die Behörde empfahl daher, nicht direkt im Luftstrom des Ventilators zu liegen, die Türen geöffnet zu lassen und einen Timer bei dem Gerät zu nutzen. Tatsächlich werden in Südkorea viele Ventilatoren mit Zeitschalter verkauft, die sich nach einer Zeit automatisch abschalten.

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Experten halten Ventilator-Mythos für Unsinn

Der südkoreanische Ventilatorenhersteller Shinil Industrial Co. druckt sogar Warnhinweise auf seinen Produkten ab und fordert die Kund:innen auf, die Ventilatoren nachts von Menschen fernzuhalten. "Dieses Produkt kann zum Ersticken oder zur Unterkühlung führen", heißt es in der Warnung.

Klingt ganz schön beunruhigend. Aber ist es das zurecht?

Ein Grund für den Fortbestand des Aberglaubens liege an mangelhaften Ermittlungen seitens der Polizei, sagte Yoo Tai-woo, Professor am Nationalen Universitätskrankenhaus Seoul, der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Leute glauben an den Tod durch Ventilatoren, weil sie – erstens – eine Leiche sehen und – zweitens – einen laufenden Ventilator", sagte Yoo. "Aber normale, gesunde Menschen sterben nicht, weil sie mit laufendem Ventilator geschlafen haben."

Dr. Lee Yoon-song, Professor an der medizinischen Fakultät der Seoul National University, hält den Aberglauben ebenfalls für Unsinn. Laut dem Nachrichtenportal "Gwangju News" hat er einige der angeblichen Ventilatoren-Todesopfer obduziert und fand dabei heraus, dass der Ventilator nicht die Todesursache ist. Die meisten Opfer seien demnach ältere Menschen, die bereits an schweren gesundheitlichen Problemen wie Herz- oder Lungenerkrankungen oder Alkoholismus litten. Die Hitze tut da ihr Übriges.

Viele Theorien zur Entstehung des Mythos

Doch woher stammt der Mythos? Und warum hält er sich bis heute noch so hartnäckig?

Manche vermuten, dass eine Stromsparkampagne der Regierung zu Zeiten der Militärdiktatur in den 1970er-Jahren dahintersteckt. Damals soll es tatsächlich den ersten gemeldeten Todesfall im Zusammenhang mit dem "Ventilatortod" gegeben haben, so Reuters.

Laut dem US-Magazin "Slate" wurde allerdings schon 1927 in einer südkoreanischen Zeitung in einem Artikel vor den noch recht neuartigen elektrischen Ventilatoren gewarnt. Diese "neue Technologie" könnte Übelkeit, Ersticken und Gesichtslähmung hervorrufen. "Die rotierenden Lüfterflügel erzeugen ein Vakuum, und die Intensität des entstehenden Luftstroms führt immer zu einer Unterversorgung der Lunge mit Sauerstoff", warnte die Zeitung damals.

Eine Rolle dürfte auch Dr. Laurence Kalkstein, ein Klimatologe der University of Miami, gespielt haben. Ihm zufolge könnten Ventilatoren ein "geringfügiger" Faktor für Hitzestress und Dehydration sein. "Wenn eine ältere Person sich einen kleinen Tischventilator direkt vors Gesicht hält, um sich abzukühlen (…), entsteht eine sogenannte Verdunstungsmöglichkeit", sagte er "Slate". "Die Feuchtigkeit des Körpers verdunstet viel schneller, und wenn diese nicht schnell genug wiederhergestellt wird, kann dies ein Hitzeproblem für darstellen."

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„Fenster öffnen immer eine gute Idee“

Zum Verhängnis wurde Kalkstein ein Besuch in dem asiatischen Land im Jahr 2008, um die meteorologische Verwaltung über Hitzewarnsysteme zu informieren. Dabei sagte er einem Journalisten – ohne vom Mythos des "Ventilatorentodes" zu wissen –, dass Menschen bei der Verwendung von Ventilatoren in geschlossenen Räumen vorsichtig sein sollten. Seine Aussage schaffte es in die südkoreanischen Medien.

Heute ist er vorsichtiger mit der Formulierung. Seine Hinweise und der koreanische "Irrglaube" würden erheblich voneinander abweichen. Man müsse bei Ventilatoren nur unter bestimmten Voraussetzungen vorsichtig sein, und die Wirkung hätte nichts mit Erstickung oder Unterkühlung zu tun, so "Slate".

Eine Erklärung, warum der Aberglaube nicht verschwinde, liefert zudem noch Dr. Lee Yoon-song. Medien würden bei der Berichterstattung über die Fakten keine gute Arbeit leisten, wenn sie Geschichten über Todesfälle veröffentlichen, bei denen elektrische Ventilatoren im Spiel sind.

Fazit: Ventilatoren sind nicht der Tod mit Rotorblättern. Es sind andere Ursachen, die zum Tod führen – wenn auch ein Ventilator unter gewissen Umständen zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Nichtsdestotrotz: "Ein Fenster zu öffnen ist meiner Meinung nach jedoch immer eine gute Idee, da es frische Luft hereinlässt und die Feuchtigkeit im Haus verringert", sagte der Arktisbiologe Brian Barnes der Nachrichtenagentur "Reuters".

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