Arzneien und Fahrsicherheit: Nichts riskieren



Arzneimittel können die Fahrsicherheit beeinträchtigen. Wann Sie das Auto besser stehen lassen

Getrübte Sicht: Auch manche Medikamente schränken die Sehfähigkeit ein

Nahezu jeder weiß es. Laut einer Umfrage im Auftrag der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ist 99 Prozent der ­Bundesbürger bekannt, dass manche Medikamente die Fahrsicherheit beeinträchtigen. Aber: 16 Prozent setzen sich auch dann hinters Steuer, wenn sie sich wegen der Einnahme eines Arzneimittels nicht fit fühlen.

"Damit gefährden sie sich selbst und andere", warnt Professor Matthias Graw vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München. Und womöglich nimmt die Haftpflichtversicherung den Unfallverursacher in Regress, er bleibt auf den Kosten sitzen. Yasmin Hassan, Apothekeninhaberin aus Saarbrücken, empfiehlt: "Wer ein Medikament einnimmt, sollte sich vorab über mögliche Risiken informieren. In der Apotheke, beim Arzt oder im Beipackzettel."

Die beiden Experten erklären, bei welchen Empfindungen das Auto besser stehen bleiben sollte:

„Ich bin so müde und unkonzentriert“

Besonders Schlaf- und Beruhigungsmittel beeinträchtigen die Fahrsicherheit erheblich – sogar am nächsten Tag. „Der Wirkstoff ist am Morgen noch nicht vollständig abgebaut, die Reste im Körper schränken das Reaktionsvermögen ein“, erklärt Yasmin Hassan. Das gelte auch für rezeptfreie Präparate. ­­Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine reduzieren zusätzlich die Muskelspannung, motorische Fähigkeiten lassen nach, das Auto ist schwerer zu kontrollieren. Apothekerin Yasmin Hassan rät deshalb statt zu synthetischen Schlafmitteln zu pflanzlichen Alternativen, die diese Nebenwirkungen nicht haben.

Auch Arzneien gegen Allergien machen oft müde, deshalb sollte man diese abends nehmen. Schmerzmittel können ebenfalls das Reaktionsvermögen verlangsamen. "Vor allem wenn ein Patient neu auf ein starkes Schmerzmittel eingestellt wird, sollte er aufs Autofahren verzichten", so Graw. Selbst bei rezeptfreien Präparaten wie Ibuprofen ist Vorsicht angebracht. "Problematisch sind vor allem höhere Dosierungen oder wenn Patienten mehrere Arzneien gleichzeitig einnehmen", sagt Yasmin Hassan. Nebenwirkungen verstärken sich eventuell gegenseitig, Wechselwirkungen sind möglich.

"Meine Augen machen Probleme"

"Vor allem ältere Verkehrsteilnehmer sollten regelmäßig ihre Sehfähigkeit überprüfen lassen", sagt Verkehrsmediziner Graw. Nicht nur Erkrankungen wie grauer und grüner Star schränken die Sehfähigkeit und somit die Fahr­­eignung ein, sondern auch bestimmte Arzneien. So können Augentropfen gegen allergische Bindehautentzündung vorübergehend die Sicht trüben, ebenso wie Augengele und -salben. Diese deshalb am besten erst kurz vor dem Zubettgehen auftragen.

Aknemittel mit Isotretinoin oder Kortisonpräparate können bei längerer Anwendung eine Linsentrübung hervorrufen. Und einige Antidepressiva und Antibiotika beeinträchtigen die Anpassungsfähigkeit der Linse an Nähe und Ferne.

Das gilt auch für die im Rahmen augenärztlicher Untersuchungen verwendeten pupillenerweiternden Tropfen. Apothekerin Yasmin Hassan: "Bis deren Wirkung abgeklungen ist, darf der Patient auf keinen Fall selbst fahren."

"Mir ist so schwummerig"

Manche Medikamente gefährden die Fahrsicherheit vor allem zu Behandlungsbeginn. Blutdrucksenker zum Beispiel können in der Einstellungsphase oder bei Dosisänderungen zu stärkeren Blutdruckschwankungen führen – Schwindel und Benommenheit inklusive. "Der Körper braucht Zeit, um sich an die Medikamente zu gewöhnen", sagt Yasmin Hassan. Wenn sich alles eingespielt habe und der Patient sich an die vom Arzt vorgegebene Dosierung halte, könne er in der Regel ohne Probleme am Straßenverkehr teilnehmen.

Auch Epilepsie-Patienten müssen medikamentös gut eingestellt sein, um sicher ein Fahrzeug führen zu können. Ansonsten drohen epileptische Anfälle am Steuer. Mediziner Graw bestätigt: "Wird eine Epilepsie neu diagnostiziert, spricht der Arzt aus medizinischen Gründen ein ärztliches Fahrverbot aus, bis der Patient anfallfrei ist." Daran sollten sich Betroffene unbedingt halten – nicht nur, weil sie bei einem Unfall die Kosten selbst tragen müssen.

"Ich bin verwirrt und desorientiert"

Diabetes-Patienten können mit Kontrollverlust, Verhaltens- und Bewusstseinsstörungen reagieren, wenn ihre Medikamente den Blutzuckerwert vorübergehend zu stark senken. Tipp von Yasmin Hassan: "Unterwegs immer etwas Traubenzucker dabeihaben." Bei den geringsten Anzeichen einer Unterzuckerung die Fahrt sofort unterbrechen und ein bis zwei Täfelchen verzehren.

Verwirrtheit kann auch auf eine Dehydrierung hinweisen: "Vor allem ältere Menschen sollten darauf ­achten, genügend zu trinken", erklärt die Apothekerin. Medikamente gegen Parkinson sowie manche Anti­depressiva und Antihistaminika bereiten mitunter ebenfalls Probleme. Auffallende Verwirrtheit und Orientierungsstörungen können zudem Symptome einer beginnenden Demenz sein. "Um die Fahreignung zu überprüfen, sollten sich ältere Autofahrer regelmäßig verkehrsmedizinisch untersuchen lassen", rät Mediziner Matthias Graw.

"Eine Erkältung hat mich erwischt"

Doch nicht nur chronische Erkrankungen wie Diabetes oder Epilepsie und deren Therapie können die Fahrsicherheit beeinträchtigen. Auch vermeintlich harmlose Erkältungen, grippale Infekte, Heuschnupfen oder ­Magen-Darm-Beschwerden sind mit­unter ein Grund, das Auto stehen zu lassen. "Mit Fieber gehört man auf keinen Fall hinters Steuer", betont Experte Graw. Beim Niesen, Husten oder bei stark tränenden Augen verliert der Fahrer schnell die Kontrolle über sein Fahrzeug.

Rezeptfreie Erkältungsmittel machen es allerdings oft nicht besser.  "Vor allem Kombinationspräparate mit Pseudoephedrin und zentral dämpfende Hustenmittel wie Codein beeinträchtigen das Konzentrationsvermögen und die Fahrsicherheit", warnt Yasmin Hassan. Sie rät, zentral wirksame Hustenstiller erst vor dem Zubettgehen einzunehmen, ebenso wie Antiallergika bei akutem Heuschnupfen.

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