Super-Ager sind im hohen Alter überdurchschnittlich fit. Ihre Gedächtnisleistung ist mit 80 Jahren so gut wie bei anderen mit 50 oder 60. Was ist ihr Geheimnis? Forschende identifizierten vor allem zwei entscheidende Faktoren.
Je älter wir werden, umso mehr nimmt die Gedächtnisleistung ab. Das ist ganz natürlich. Eine Ausnahme bildet eine kleine Gruppe: die Super-Ager. Sie sind trotz eines hohen Alters von über 80 Jahren geistig fitter als normale 50- oder 60-Jährige. Klingt nach wahrgewordenem Alterstraum. Doch wie machen sie das? Das haben Forschende um Marta Garo-Pascual vom Alzheimer-Zentrum der Königin-Sofia-Stiftung in Madrid in einer Langzeitstudie untersucht.
So wurden die Super-Ager identifiziert
Zunächst mussten Super-Ager identifiziert werden. Dafür griffen die Forschenden auf eine Kohorte älterer Menschen zurück, die an einer Studie zur Identifikation früher Alzheimer-Indikatoren teilnehmen.
Von 540 Senioren konnten 64 als Super-Ager identifiziert werden. Sie schnitten bei einem Gedächtnistest mindestens genauso gut ab wie 30 Jahre jüngere Menschen mit gleichem Bildungsniveau. Als Kontrollgruppe wurden 55 „normale“ Senioren ausgewählt, deren Leistung ihrem Alter und Bildungsstand entsprach. Alle waren über 79 Jahre alt.
Für die Studie wurden sie über fünf Jahre nachbeobachtet. Einmal pro Jahr fand dabei eine Kontrolle mit MRT-Untersuchung, klinischen Tests, Bluttests sowie Dokumentation von Lebensstilfaktoren statt.
MRT zeigt: Super-Ager haben mehr graue Hirnsubstanz
Schon in den ersten MRT-Untersuchungen konnten die Forschenden einen Unterschied feststellen. So wiesen Super-Ager durchschnittlich mehr graue Substanz im Gehirn auf und zwar insbesondere in Hirnregionen, die für das Gedächtnis verantwortlich sind (medialer Temporallappen, cholinerges Vorderhirn), aber auch in Regionen, die für die Bewegung mitverantwortlich sind (motorischer Thalamus). Die graue Substanz besteht aus Milliarden von Nervenzellen (Neuronen), was auf eine bessere Hirnleistung hindeutet.
Auch in den MRT-Untersuchungen der folgenden Jahre nahm das Volumen der grauen Hirnsubstanz in diesen Regionen bei Super-Agern langsamer ab als bei der Kontrollgruppe.
Diese Erkenntnis ist für Alessandro Cellerino vom Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena am entscheidendsten. „Wir wussten bereits vor dieser Studie, dass Superager in einigen Hirnregionen weniger Atrophie (= Gewebeschwund) aufweisen, aber dies basierte immer nur auf einer einzigen Messung“, sagte er gegenüber „MedScape“.
Besonders in zwei Bereichen schneiden Super-Ager besser ab
Daneben wurden verschiedene Faktoren identifiziert, die Super-Ager von der Kontrollgruppe unterschieden. Die Forschenden um Garo-Pascual setzten dafür einen auf maschinellem Lernen basierenden Algorithmus ein. Von 89 verschiedenen demografischen, lebensstilbedingten oder klinischen Faktoren, die in den Algorithmus einflossen, waren zwei besonders stark ausgeprägt:
- Beweglichkeit/Motorik
- psychische Gesundheit
So schnitten die Super-Ager deutlich besser ab in Tests für Beweglichkeit und Motorik („Up-and-Go“-Test, „Finger Tapping“-Test). Interessanterweise bestand der Vorteil, obwohl sie nicht körperlich aktiver waren als die Kontrollgruppe.
Der genauere Blick in die Studie zeigt aber: Super-Ager waren dafür in der Lebensmitte aktiver also mit 40, 50 und 60 Jahren. Der Grundstein für die spätere Beweglichkeit wird also schon früher gelegt. „Es ist sehr wichtig zu versuchen, körperlich fit zu bleiben, auch wenn es nur Spazierengehen oder die Treppe steigen ist“, betonte Cellerino.
Auch bei Befragungen bzw. Tests („State-Trait Anxiety Inventory“, „Geriatric Depression Scale“) zur psychischen Gesundheit schnitten die Super-Ager besser ab als die Kontrollgruppe: Sie hatten weniger Depressionen und Angstzustände. „Frühere Studien deuten darauf hin, dass Depressionen und Angststörungen bei Menschen aller Altersstufen das Abschneiden bei Gedächtnistests beeinflussen können – und dass sie Risikofaktoren für die Entwicklung einer Demenz sind“, so Cellerino. Um psychischen Problemen im Alter vorzubeugen, rät Altersforscher Cellerino, sozial eingebunden und involviert zu bleiben. „Depression und Ängste sind häufig auch die Konsequenz von sozialer Isolation“, betont er.
Auch in diesen Bereichen war ein Unterschied bemerkbar
Daneben konnten noch andere Variablen identifiziert werden, die „die Gedächtnisfunktion bis ins neunte Lebensjahrzehnt optimieren könnten“, schreiben die Forschenden.
Demnach waren Superager
- mehr an Musik interessiert (aktiv wie passiv),
- verfügten über eine bessere Lesefertigkeit,
- klagen weniger über Schlafmangel (obwohl sie im Schnitt die gleiche Schlafdauer hatten wie die Kontrollgruppe),
- hatten in der Lebensmitte einen aktiveren Lebensstil und
- seltener einen erhöhten Blutzucker oder Bluthochdruck.
Interessanterweise lebten Super-Ager zudem häufiger getrennt oder waren geschieden Das steht im Kontrast zu bisherigen Untersuchungen mit Super-Agern. Die Forschenden führen das auf kulturelle Unterschiede der jeweiligen Studienprobanden zurück.
Wichtig: Es handelt sich um eine sogenannte Beobachtungsstudie. Die Forschenden selbst schreiben, dass deshalb „nicht auf einen kausalen Zusammenhang zwischen den hier berichteten Faktoren und Super-Agern geschlossen werden kann“. Auch konnte der verwendete Algorithmus nur in 66 Prozent Super-Agern von der Kontrollgruppe unterscheiden. Das deute darauf hin, dass es weitere Faktoren und Unterschiede gibt, möglicherweise genetische.
Experte Cellerino resümiert: „Für das Management hohen Alters lernen wir aus der Studie nicht wirklich mehr als das, was wir schon wussten. Aber sie bestätigt, dass die physische und psychische Funktion eng miteinander verbunden sind und dass wir beide erhalten müssen, um gesund zu altern.“
Sieben Tipps für gesundes Altern
Wie können wir gesund altern? Mit dieser Frage beschäftigen sich auch die Forscherinnen und Forscher am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns. Einer von ihnen ist der Mediziner Joachim Steiner. Er forscht an einem Marker im Blut, der unser biologisches Alter bestimmt.
Als Tipps für gesundes Altern nannte er im Gespräch mit FOCUS online die „Klassiker“, die auch zur Vorbeugung von Erkrankungen wie Krebs regelmäßig genannt werden:
- ausreichend Bewegung
- ausgewogene Ernährung
- Gehirntraining
- soziale Kontakte
- kein Rauchen
- wenig Alkohol
- wenig direkte UV-Strahlung
Hier geht’s zum Artikel: „Könnte mit 80 noch 65 sein“ – Mediziner forscht an Marker im Blut, der unser biologisches Alter bestimmt
Quelle: Den ganzen Artikel lesen