Sicher Autofahren im Alter



Den Straßenverkehr meistern: Mit steigendem Lebensalter fällt das Autofahren oft schwerer. Wie man trotzdem mobil bleibt und die Familie einen Umstieg unterstützen kann

Bremsen auf nasser Straße: Fahrtraining gibt in jedem Alter mehr Sicherheit

Der Körper ist weit nach vorne gelehnt, der Blick fixiert starr die Straße, die Hände umklam­mern das Lenkrad. Wer an ältere Personen am Steuer denkt, hat oft das Bild eines unsicher wirkenden Greises im Kopf – und manche Schlagzeile: "Senior kracht mit Auto in Schaufenster", "Senior fährt gegen Hauswand", "Senior verursacht Domino-Unfall". Gibt es dabei viele Verletzte, gar Tote, stehen ältere Menschen als Unfall­verursacher schnell im Fokus öffent­licher Diskussionen.

Die Zahlen geben Kritikern teilweise recht. 75 Jahre alte oder ältere Autofahrer, die in einen Unfall verwickelt sind, haben diesen laut Statistischem Bundesamt in 75 Prozent der Fälle selbst verursacht – von allen Altersgruppen mit Abstand der höchste Wert. "Das Klischee, dass Ältere viel mehr Unfälle verursachen als Jüngere, stimmt so nicht," sagt jedoch Verkehrspsychologe Professor Bernhard Schlag von der Technischen Uni Dresden.

Junge Fahrer bauen noch mehr Unfälle

Absolut betrachtet sind die 18- bis 24- Jährigen die größere Gefahr. Sie verursachten 2015 rund 41.300 Unfälle, Menschen ab 75 hingegen 15.700. Dennoch: "Irgendwann kommen sensorische, kognitive und motorische Einschränkungen, die für das Autofahren durchaus von Belang sind", sagt Schlag.

Das sei jedoch noch lange kein Grund, gleich den Führerschein abzugeben, oder die Fahrtauglichkeit verpflichtend auf den Prüfstand zu stellen, wie beide großen Automobilclubs (ADAC und AVD) meinen. "Wir sprechen uns nur für eine freiwillige Prüfung aus", sagt etwa Herbert Engelmohr, Sprecher des Automobilclubs von Deutschland (AVD). "Sowieso sollte ja jeder Fahrer vor jedem Fahrantritt die eigene Fahrtauglichkeit überprüfen."

Wenn der Beifahrer Angst hat

Ältere Fahrer kompensieren ihre Einschränkungen bis zu einem gewissen Maß intuitiv, erklärt Experte Schlag. "Sie fahren langsamer, meiden den Berufsverkehr und Fahrten bei Dämmerung und Dunkelheit, nutzen für längere Strecken öfter die Bahn."

Wann aber stößt das Fahren im Alter tatsächlich an Grenzen? Meist erkennen das Außenstehende eher, als es sich der Betroffene selbst eingestehen möchte. Zum Beispiel wenn sie auf dem Beifahrersitz am liebsten mitbremsen würden, weil die Person hinterm Lenkrad spät reagiert. Oder wenn Fußgänger übersehen und Parklücken nicht mehr exakt angepeilt werden. Während der Senior am Steuer diese ersten Anzeichen vielleicht als Kleinigkeit abtut, wird Angehörigen meist angst und bange. Für alle Beteiligten eine extrem schwierige Situation, meint Psychologe Schlag. Vor allem für die Betroffenen selbst.

Nur mit Fingerspitzengefühl kritisieren

"Sie sind ja 50, 60 Jahre Auto gefahren. Subjektiv haben sie eine Mobilitätsgeschichte, die ganz eng und erfolgreich mit dem Auto verbunden ist", betont der Experte. Wer diese Fahrkompetenz infrage stelle, der ernte nicht selten Wut und Abwehr. "Das wird als Angriff auf den generellen Selbstwert wahrgenommen. Als Behauptung, der Mensch sei nicht mehr der, der er einmal gewesen ist." Sich einzugestehen, dass sich manches im Alter verändere, sei ein schwieriger Lernprozess.

Angehörige brauchen Fingerspitzengefühl. Kinder und Enkel können anbieten, Fahrten zu übernehmen. Oder einmal als Beifahrer mitfahren und Rückmeldung geben – "sofern das Vertrauensverhältnis da ist und das am Ende nicht persönlich genommen wird", sagt Schlag und warnt: "Konfrontative Rückmeldungen erzeugen jedoch nur Gegenwehr." Die Angehörigen müssten versuchen, die eigene Einsicht des Betroffenen zu fördern. Das kann im Idealfall den Impuls geben, dass der ältere Autofahrer selbst aktiv wird, sich etwa für ein Training anmeldet.

Fahrtraining für Senioren

Sogenannte Fahrsicherheitstrainings können Senioren dabei helfen, fit für den Straßenverkehr zu bleiben.

In der Regel werden dabei fahrpraktische Übungen mit dem eigenen Auto gemacht, und es wird auf die spezifischen Interessen der Teilnehmer eingegangen.

Solche Trainings für Senioren werden nicht nur von den drei großen Automobilclubs ADAC, AVD und ACE ­angeboten, sondern auch von vielen Fahrschulen, Niederlassungen der Verkehrswacht oder den Volkshochschulen vor Ort.

Das Training hat keine negativen Konsequenzen – der Führerschein kann nicht eingezogen werden.

Übungsrunden drehen

In Studien hat sich gezeigt, dass begleitete Fahrten mit Fahrlehrer deutliche Verbesserungen bringen können. "Dabei war es nicht so wichtig, was trainiert wurde", sagt Schlag. Wichtig war lediglich die professionelle Unterstützung.

Der Verkehrsexperte spricht sich dafür aus, die Mobilität älterer Menschen so lange wie möglich zu erhalten. "Sie bleiben damit unabhängig." Das könne Kosten einsparen und Lebensqualität bringen.

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