Alles nur ein Missverständnis? Auf einmal sollen Chinas Corona-Impfstoffe doch wieder super sein

China macht keine Fehler. Zumindest keine, welche die Regierung des Landes jemals eingestehen würde. Kritik darf es und kann es nicht geben. Beinahe irre war es daher, als ausgerechnet ein ranghoher Behördenvertreter Chinas am Samstag erstmals öffentlich darüber sprach, dass die dort produzierten Impfstoffe "keine sehr hohe Schutzrate" hätten. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Vor allem der Westen staunte. Kurz darauf dann die Rolle rückwärts. Dass alles sei, ruderte der Direktor des chinesischen Zentrums zur Prävention und Kontrolle von Krankheiten (CDC), Gao Fu, umgehend zurück, "ein komplettes Missverständnis". Was war los?

Bei einer Konferenz in Chengdu hatte Gao Fu darüber gesprochen, dass "die Wirksamkeit der existierenden Impfstoffe nicht hoch" sei. Die Behörden müssten "über Wege nachdenken", meinte er, wie "das Problem gelöst werden" könne. China erwäge daher die Möglichkeit, verschiedene Impfstoffe zu kombinieren, um die Wirksamkeit der einzelnen Vakzine zu erhöhen. Staatsmedien berichteten. Und der Rest der Welt spannte die Ohren auf.  

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Chinas Impfstoff – nicht so gut wie beworben?

Die Idee von Kreuzimpfungen ist nicht neu. Im Zusammenhang mit dem Impfstoff von Astrazeneca ist diese Option zuletzt wieder in den Fokus gerückt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat bereits die Empfehlung ausgesprochen, dass Menschen unter 60 Jahren, die als Erstdosis Astrazeneca erhalten hatten, bei der Zweitimpfung ein anderes Präparat verimpft bekommen sollten. Astrazeneca wird in Deutschland seit kurzem wegen Thrombosegefahr nur noch an Menschen über 60 Jahre verimpft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hingegen sprach sich am Freitag gegen eine Mischung der Präparate aus, es lägen noch nicht ausreichend Daten bezüglich möglicher Risiken vor. Dass aber auch China über eine Kombination der Wirkstoffe nachdenkt, um die Wirksamkeit der eigenen Vakzine gegen Sars-Cov-2 zu verbessern, ist neu. Schließlich kann daraus gelesen werden, dass diese eben nicht optimal schützen.

Ein gefundenes Fressen für Kritiker. Denn gerade im Westen ist die Skepsis gegenüber Impfstoffen aus China nach wie vor groß. Bemängelt wird Intransparenz und eine dürftige Datenlage zu Risiken und (Neben-)Wirkungen. Ein Großteil der bisher veröffentlichten Studienergebnisse stammt nicht aus China, sondern aus anderen Ländern, in denen die Impfstoffe ebenfalls eingesetzt werden. So zeigten klinische Studien aus Brasilien, dass der chinesische Sinovac-Impfstoff nur eine Schutzwirkung von rund 50 Prozent gegen Sars-Cov-2 aufweise. Das Unternehmen selbst gibt an, dass das Vakzin schwere Krankheitsverläufe aber zu 80 Prozent verhindere. Die Wirksamkeit der Sinopharm Produkte liegt bei 72,5 und 79,3 Prozent, die des Vakzins von Cansino bei rund 65 Prozent.

Zum Vergleich: die Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna liegt bei etwa 95 Prozent. Diese Zahlen im Blick hatte Gao Fu bei der Konferenz gesagt, jeder sollte die Vorteile in Betracht ziehen, die mRNA-Impfstoffe der Menschheit bringen können. Und: "Wir müssen sie sorgsam verfolgen und sie nicht ignorieren, nur weil wir bereits mehrere Arten von Impfstoff haben". Chinas Impfstoffe basieren nicht auf der mRNA-Technologie und werden aufgrund herkömmlicher Verfahren produziert.

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Alles nur ein Missverständnis?

Der Wirbel, den die Äußerungen des Gesundheitsbeamten auslösten, war groß. Dass der im Nachgang schnell einlenkte, seine Aussagen revidierte, war hingegen weniger überraschend. Gegenüber der Zeitung "Global Times" sagte er: "Es war ein komplettes Missverständnis" und trat dem Eindruck entgegen, dass er eingestanden habe, dass die chinesischen Vakzine einen niedrigeren Schutz böten. Er habe vielmehr eine "wissenschaftliche Vision" vorgelegt, dass eine Anpassung der Impfabfolge oder die Vergabe verschiedener Vakzine nacheinander auch Optionen sein könnten, den Schutz zu verstärken. "Die Schutzraten aller Impfstoffe auf der Welt sind manchmal hoch und manchmal niedrig", sagte er. Wie ihre Wirksamkeit verbessert werden könne, müsse von allen Wissenschaftlern in der Welt in Erwägung gezogen werden, betonte er in dem Blatt, das vom kommunistischen Parteiorgan "Volkszeitung" herausgegeben wird und als englischsprachiges Sprachrohr dient.

Hätte China tatsächlich zugeben, dass die westlichen Konkurrenzprodukte wirksamer sind, hätte das möglicherweise auch Auswirkungen auf das Einkaufsverhalten anderer Staaten gehabt. Denn obschon die Staatsmedien nicht müde werden, immer wieder ihren Einsatz in der weltweiten Pandemiebekämpfung in den Vordergrund zu stellen, sich als großherzige Spender darzustellen, macht China eine Menge Geld mit seinen Impfstoffen. 

Durch seine Impfstoffpolitik gewinnt China an Ansehen, das könnte in der Zukunft ordentlich nachwirken – sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Länder, die nun von China mit Impfstoffen beliefert werden, könnten, glauben Experten, sich bei künftigen Geschäften erkenntlich erweisen. Auch hinsichtlich dessen kann das Interview von Gao Fu in der "Global Times" als Schadensbegrenzung gesehen werden. 

Der Impfstoff für die ärmeren Länder

Seit Monaten macht China vor allem bei den ärmeren Ländern dieser Welt mit seinen Impfstoffen gut Wetter und poliert sich mit dem Export so wie Russland mit seinem Sputnik V auch das eigene Image auf. Beide Länder verteilen ihre Vakzine freizügig und in Massen. Die chinesische Nachrichtenagentur "Xinhua" berichtete, dass Chinas Impfstoffe in 80 Ländern zum Einsatz kommen. 53 davon bekämen den Impfstoff kostenlos.

Die greifen gerne zu, schließlich ist die Verfügbarkeit von anderen Vakzinen wie die von Biontech/Pfizer und Moderna nach wie vor beschränkt, zudem geht der Löwenanteil der westlichen Impfstoffe nach wie vor an reichere Industrieländer. Auch in einigen europäischen Ländern werden die Vakzine verimpft. Ungarn hatte als erstes EU-Land zugegriffen, einen chinesischen Wirkstoff zugelassen und damit auf ein Go der Europäischen Arzneimittel-Agentur (Ema) gepfiffen. In Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten sind die chinesischen Impfstoffe noch nicht zugelassen. 

China hatte bereits im vergangenen Sommer mit den Impfungen begonnen. Schon Anfang Dezember sollen dort, das berichteten die Medien, rund 1,5 Millionen Menschen mit dem heimischen Impfstoff geimpft gewesen sein. Inzwischen seien insgesamt 161 Millionen Dosen verabreicht worden. Das Land hat das Coronavirus weitgehend im Griff, verzeichnet kaum lokale Infektionen. Bis Juni will Peking, so das Ziel, 40 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen das Virus immunisiert haben. In China leben 1,4 Milliarden Einwohner.

Quellen: dpa, Tagesschau, Capital, Global Times

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