Corona und kein Ende: Was über mögliche Langzeitfolgen von Covid-19 bekannt ist

Im englischsprachigen Raum hat das Phänomen längst einen Namen: "Long Covid". Hierzulande ist eher vom "Post-Covid-Syndrom" die Rede. Gemeint sind damit all jene Patienten, die zwar nicht mehr akut an Covid-19 erkrankt sind, aber immer noch mit gesundheitlichen Beschwerden zu kämpfen haben – teils Monate nach der akuten Phase ihrer Infektion. Viele von ihnen berichten über anhaltende Erschöpfung oder Kurzatmigkeit, andere klagen über Konzentrationsschwierigkeiten, Geruchsverlust und Kopfschmerzen.

Eine von ihnen ist Francesca, eine 32-jährige Frau aus London. Sie erkrankte Ende April an Covid-19 und hat auch heute noch Beschwerden, fünf Monate nach der akuten Erkrankung. An ein normales Leben sei nicht zu denken, berichtet sie in einem Online-Beitrag. Bleierne Müdigkeit, Kopfschmerzen und Kurzatmigkeit setzen ihr zu. Ein Einzelfall ist sie damit keineswegs, das zeigen viele weitere Berichte von genesenen Corona-Patienten, die sich immer noch nicht richtig gesund fühlen.

Was ist über die Auslöser der möglichen langfristigen Beschwerden bekannt? Wie viele Menschen sind davon betroffen und wo finden sie Hilfe? Ein Überblick.

Was versteht man unter "Long Covid"?

Mediziner und Wissenschaftler weltweit forschen zu den Effekten, die eine Covid-19-Erkrankung auf den Körper haben kann. Viele Fragen sind noch offen, auch zu den möglichen Langzeitfolgen. Eine einheitliche Definition oder ein klassisches Beschwerdebild gibt es deshalb nicht, bekannt ist aber: Ähnlich wie eine akute Corona-Infektion von Person zu Person ganz unterschiedlich verlaufen kann, unterscheiden sich auch mögliche länger anhaltende Beschwerden.

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO werden diese Symptome am häufigsten genannt:

  • Erschöpfung
  • Husten oder Kurzatmigkeit
  • Verlust des Geruchs- oder Geschmacksinns
  • Kopf- und Gliederschmerzen
  • Durchfall/Übelkeit
  • Brust- und Bauchschmerzen
  • Neurologische Beschwerden/Verwirrtheitszustände

Diese Woche veröffentlichte das britische "National Institute for Health Research" (NIHR) einen Bericht, wonach "Long Covid" nicht ein klassisches Beschwerdebild an sich ist, sondern vielmehr ein Zusammenspiel von unterschiedlichen Syndromen. Je nach Patient und Schwere des Krankheitsverlaufs kommt eher das eine Syndrom zum Tragen – bei anderen auch mehrere Beschwerdebilder auf einmal. 

In dem Bericht werden unter anderem diese Krankheitsbilder genannt:

  • Post-Intensive-Care-Syndrom (PICS)
  • Postinfektiöse Fatigue (Erschöpfungssyndrom)
  • anhaltende Covid-19-Symptome

Laut NIHR zeichne sich mehr und mehr ab, dass Covid-19 für einige Menschen langfristige Beschwerden bedeute. Bei manchen seien die Symptome Teil der Rehabilitation nach einem Klinikaufenthalt. Das trifft etwa auf Menschen zu, die künstlich beatmet werden mussten. "Andere berichten von lebensverändernden Erfahrungen, die auf eine anfängliche Infektion zurückzuführen sind, die sie zu Hause auskuriert haben, wobei die Symptome mit der Zeit schwerwiegender wurden", heißt es in dem Bericht weiter.

Wie häufig sind Langzeitfolgen?

Eine Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 verläuft in den meisten Fällen mild, teilweise sogar völlig ohne Symptome. Da es sich bei Covid-19 um eine recht neue Erkrankung handelt, gibt es bislang nur wenige Daten zu der Häufigkeit von Langzeitfolgen. Laut WHO erholen sich mild erkrankte Menschen in der Regel binnen zwei Wochen. In schwereren Fällen kann die Genesung demnach bis zu sechs Wochen in Anspruch nehmen.

Doch es gibt auch Rückschläge: "Bei einigen Menschen können manche Symptome Wochen oder Monate anhalten oder erneut nach einer anfänglichen Erholung auftreten", heißt es in dem WHO-Update weiter. "Dies kann auch bei Menschen mit leichten Erkrankungen passieren." Betroffene seien während dieser Zeit allerdings nicht ansteckend.

Laut einer Studie an 143 Patienten, die in Italien im Krankenhaus behandelt wurden, litten 87 Prozent 60 Tage nach Krankheitsbeginn noch an mindestens einem Symptom. Am häufigsten wurden Erschöpfung (53 Prozent), Atemnot (43 Prozent), Gelenkschmerzen (27 Prozent) und Brustschmerzen (22 Prozent) genannt. Da sich die Zahlen allerdings auf Patienten mit schweren Verläufen beziehen, dürften die Prozentsätze bezogen auf die Gesamtheit aller Corona-Patienten niedriger liegen. In der italienischen Studie gab im Schnitt nur etwas mehr als eine von zehn Personen an, frei von jeglichen Beschwerden zu sein.

Laut Daten einer britischen Corona-Symptom-App berichten etwa 10 bis 20 Prozent aller Nutzer über Beschwerden, die länger als einen Monat anhalten.

Gibt es Menschen, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind?

Laut WHO kann Covid-19 grundsätzlich auch bei jungen Menschen ohne Begleiterkrankungen zu länger anhaltenden Beschwerden führen. Als besondere Risikofaktoren gelten demnach aber Bluthochdruck, Übergewicht und vorherige psychische Erkrankungen.

Was weiß man über mögliche Auslöser?

Das Bild von Covid-19 hat sich in den vergangenen Monaten stark gewandelt. Ging man anfänglich von einer Lungenerkrankung aus, zeigte sich, dass Sars-CoV-2 vielmehr eine Systemerkrankung ist. Einige Betroffene berichten beispielsweise über neurologische Beschwerden. Auch Herz oder Nieren können bei schweren Verläufen in Mitleidenschaft gezogen werden. Unklar ist allerdings, ob die Beschwerden direkt durch das Virus hervorgerufen werden oder beispielsweise durch entzündliche Prozesse entstehen.

Doch nicht nur die Virus-Infektion belastet den Körper, teilweise ist es auch die Behandlung, die Spuren hinterlässt. Eine künstliche, maschinelle Beatmung, die das Überleben schwer Erkrankter sichert, ist immer auch ein massiver Eingriff in den Körper. Patienten, die über Wochen beatmet werden, müssen danach im wahrsten Sinne des Worte erst einmal wieder "auf die Beine" kommen. Durch hohen Druck und viel Sauerstoff kann zudem die Lunge selbst Schaden nehmen. Nicht umsonst gilt die Beatmungstherapie als eine der Königsdisziplinen in der medizinischen Versorgung. 

Was bedeuten anhaltende Symptome für Betroffene?

Für Patienten sind die Beschwerden oft eine große psychische Belastung: Zu den Sorgen um die eigenen Gesundheit kommt oft noch das Unverständnis des privaten oder beruflichen Umfelds. "Häufig sind meine aktuellen Symptome von anderen nicht nachvollziehbar", berichtete etwa Jana Neugebauer dem stern. Die 27-Jährige hatte nach ihrer Corona-Erkrankung mit anhaltenden Geruchs- und Geschmacksstörungen zu kämpfen.

Wie stehen die Chancen auf eine Besserung?

Pauschale Aussagen sind schwer zu treffen, nicht zuletzt weil sich die einzelnen Krankheitsverläufe so stark unterscheiden und Covid-19 noch ein recht neues Krankheitsbild ist. "Es gibt bislang noch keinen festen Zeitpunkt, wo wir sagen könnten, Covid-19 ist passé, und der Patient ist absolut gesund", sagte Clemens Wendtner, Chefarzt der Immunologie am Klinikum Schwabing in München, im Gespräch mit dem "Bayerischen Rundfunk". Er schätzt, dass mehr als 80 Prozent der Schwerkranken auch nach drei Monaten noch Probleme haben. "Sie können sich weniger stark belasten, haben Konzentrationsschwächen und auch so etwas wie ein 'Foggy Brain'. Das heißt, man kann Dinge nicht so wahrnehmen, wie man sich das wünscht."

Laut Wendtner gibt es jedoch auch Anlass zur Hoffnung: "Bei den allermeisten jungen, fitten Patienten klingt das Krankheitsbild mit der Zeit ab, nur wenige bedürfen einer langfristigen Therapie."

An wen können sich Betroffene wenden?

Der erste Ansprechpartner für Betroffene ist in der Regel der eigene Hausarzt. Er kann bei Bedarf weitere Untersuchungen veranlassen. Einige größere Uni-Kliniken bieten auch spezielle Sprechstunden für Patienten mit Langzeitbeschwerden an, darunter die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) oder das Universitätsklinikum Jena. Weitere Informationen gibt es hier und hier. Eine kurze Übersicht zu Selbsthilfegruppen gibt es hier. 

Quelle: National Institute for Health Research / WHO

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