Gewebeschäden bei COVID-19: Spikeprotein lässt Zellen verschmelzen

Neue Studien am Paul-Ehrlich-Institut belegen, dass das Spikeprotein von SARS-CoV-2 nicht nur den Zelleintritt des Virus ermöglicht, sondern auch infizierte mit nicht infizierten Zellen verschmelzen lässt. Die vom PEI neu entwickelten Methoden könnten sowohl für die Grundlagenforschung als auch für das Screening von Wirkstoffen gegen COVID-19 genutzt werden.

Verschmolzene Zellen in den Lungen von an COVID-19 verstorbenen Patient:innen ließen vermuten, dass das Spikeprotein von SARS-CoV-2 nicht nur den Zelleintritt des Virus selbst, sondern auch die Fusion infizierter mit nicht infizierten Zellen ermöglicht. Laut einer Pressemeldung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) untersuchte daher ein interdisziplinär arbeitendes Forschungsteam um Prof. Christian Buchholz, Leiter der Forschungsgruppe „Molekulare Biotechnologie und Gentherapie“, in welchem Umfang die durch das Spikeprotein vermittelte Membranfusion stattfindet. 

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Max-Planck-Institut und PEI

Wie sieht das Spikeprotein von SARS-CoV-2 aus?

Um diesen Prozess zu quantifizieren, entwickelte das Team Assays, die methodisch ähnlich schon bei der Quantifizierung der Zellfusion von HIV eingesetzt wurden. Dabei werde ein sogenannter „Reporter“, der mittels chemischer Reaktionen nachweisbar ist, in zwei Teile, alpha und omega, zerlegt. In einer Zellkultur erhielte ein Zelltyp das alpha- und ein anderer das omega-Fragment. Nur wenn die beiden Zelltypen fusionierten, entstünde wieder ein vollständiger „Reporter“.

Durch diesen Reaktionsablauf fanden die Forscher:innen heraus, dass das SARS-CoV-2-Spikeprotein enorm fusionsakiv ist. Selbst kaum mehr nachweisebare Mengen des Proteins auf der Zelloberfläche reichten aus, um die Zellfusion und damit den Zelltod einzuleiten. Und mehr noch: Laut PEI-Pressemitteilung ermöglichte lediglich der Kontakt von Viruspartikeln, die das SARS-CoV-2-Spikeprotein auf ihrer Oberfläche trügen, mit menschlichen Zellen, dass diese miteinander fusionierten.

Besseres Verständnis neuer Varianten?

Diese ausgeprägte Eigenschaft des SARS-CoV-2-Spikeproteins, das Verschmelzen von Zellen auszulösen, könne dabei eine wichtige Rolle für den Infektionsverlauf und das Andauern der Virusinfektionen spielen – so sei dies beispielsweise auch bei Masern- und Herpesviren der Fall. Neutralisierende Antikörper könnten, so die Vermutung der Forschenden, diese Verschmelzungsprozesse möglicherweise nur bedingt beeinflussen. 

Professor Christian Buchholz erläutert in der Pressemitteilung, dass die von der Forschungsgruppe entwickelten Methoden sowohl für die Grundlagenforschung als auch für das Screening von Wirkstoffen gegen COVID-19 genutzt werden könnten. „Ebenfalls ermöglicht wird ein Vergleich der Prozesse bei den verschiedenen SARS-CoV-2-Virusvarianten. Dies könnte einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis dieser neuen Varianten und ihrer Pathogenität liefern“, erläutert Prof. Christian Buchholz die Bedeutung der Forschungsergebnisse.

Zelluläre Aufnahme des SARS-CoV-2 über ACE2

In der DAZ 22/2020 wurde beschrieben, welche Rolle das Enzym ACE2 bei einer SARS-CoV-2-Infektion spielt: „Die Infektion beginnt für gewöhnlich im oberen Respirationstrakt durch den Kontakt mit Virus-enthaltenden Aerosolen. SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus 2) ist ein behülltes RNA-Virus. Über sogenannte Spike-Proteine bindet SARS-CoV-2 an das membranständige Protein Angiotensin-konvertierendes Enzym 2 (ACE2) in der Wirtszelle und wird gemeinsam mit ACE2 internalisiert. Vermittelt durch die transmembrane Serinprotease 2 (TMPRSS2) kommt es dabei zur Spaltung des Spike-Proteins.“ 

ACE2-Expression konnte in vielen Organen nachgewiesen werden, was die Ursache für Manifestationen von COVID-19 außerhalb der Lunge sein könnte. Mehr dazu lesen Sie in: „Leichtes Spiel für SARS-CoV-2?“ (dm)

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