Gute Darmbakterien: Probiotika helfen bei der Behandlung von Depressionen

Immer mehr Menschen leiden unter Depressionen – und das nicht erst seit der Pandemie. Eine neue Schweizer Studie zeigt nun, wie Probiotika die Behandlung von Depressionen positiv beeinflussen können. Denn Darm und Hirn sind miteinander vernetzt.

Depressionen zählen zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Laut Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe leiden 8,2 Prozent der Deutschen unter einer chronischen depressiven Störung. Umgerechnet sind das 5,3 Millionen Erwachsene, wobei die Zahlen für betroffene Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Menschen über 79 Jahre, hier nicht mit inbegriffen sind.

  • Lesen Sie auch: Der große Long-Covid-Check: Wer häufig daran erkrankt – und wie schwer

Behandlung mittels Antidepressiva und Psychotherapie

Wie die WHO bereits im Jahr 2017 in einem Bericht offenlegt, steigt die Zahl der depressiven Erkrankungen stetig. Anzunehmen ist, dass die Coronapandemie die Fallzahlen zudem zusätzlich erhöht hat. Umso wichtiger ist es, wirksame Behandlungsmethoden gegen Depressionen weiter zu erforschen. Bislang lag der primäre Fokus hier auf Antidepressiva und Psychotherapie.

Neue Studie belegt unterstützende Wirkung von Probiotika

Eine neue Studie der Psychiatrischen Universitätsklinik in Basel zeigt nun die unterstützende Wirkung von Probiotika im Kampf gegen Depressionen. Probiotika sind medikamentöse Zubereitungen, die lebensfähige Mikroorganismen enthalten, die sich wiederum förderlich auf das Darm-Milieu auswirken können.

Im Rahmen der Untersuchung wurden Probanden, die unter schweren Depressionen leiden, in zwei Gruppen aufgeteilt. Während die erste Gruppe einen Monat lang – zusätzlich zur üblichen Dosis Antidepressivum – ein Probiotikum mit Milchsäurebakterien erhielt, bekam die zweite Gruppe neben dem Antidepressivum lediglich ein Placebo.

Verbesserte Stimmung, normalisierte Gehirnaktivität

Das Ergebnis: Die Probanden, die Probiotika einnahmen, wiesen eine deutlich bessere Stimmung auf als die Vergleichsgruppe. Zudem veränderte sich auch die Gehirnaktivität der Probanden, das zeigen Bilder eines MRT. Bestimmte Gehirnregionen zur emotionalen Verarbeitung sind bei depressiven Menschen anders aufgebaut als die von gesunden Menschen. Nach der Einnahme der Probiotika über einen Zeitraum von 31 Tagen normalisierte sich diese Gehirnaktivität wieder, während sie in der Kontrollgruppe gleich blieb.

  • Auch spannend: Harald Glööckler leidet an Fibromyalgie: Was hinter der unheilbaren Krankheit steckt

Eine Bestätigung für die Forschenden, denn das Psyche und Darm zusammenhängen, steht schon seit einigen Jahren fest: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine zusätzliche Behandlung mit Probiotika die depressiven Symptome verbessert und spezifische gesundheitsbezogene Bakterientaxa erhöht“, schreiben die Studienautoren.

Wechselwirkung von Darm und Gehirn

Die Verbesserung der psychischen Verfassung der Teilnehmenden hängt mit der sogenannten Darm-Hirn-Achse zusammen. Sie beschreibt die Verbindung zwischen dem Nervensystem des Verdauungstrakts und dem des Gehirns – sie stehen im Austausch und können sich sogar gegenseitig beeinflussen.

Da an der Kommunikation zwischen Darm- und Hirn auch Botenstoffe wie Neurotransmitter, Hormone sowie kurzkettige Fettsäuren beteiligt sind, kann sich der Zustand des Darms auch das seelische Wohlbefinden beeinflussen – und umgekehrt. Eine zentrale Rolle spielt dabei der sogenannte Vagusnerv, der die Tätigkeit fast aller inneren Organe reguliert.

Sprich: Geht es uns seelisch schlecht, spüren wir das auch an unserer Verdauung. Gerät die Darmflora infolgedessen (oder auch durch schlechte Ernährungs- und Lebensgewohnheiten) aus dem Gleichgewicht, merken wir das auch auf mentaler Ebene – wir sind angespannt, reagieren empfindlicher auf Stress und sind schlechter gelaunt.

  • Lesen Sie auch: Mit Kartoffeln und Nudeln senken Sie ihr Krebsrisiko um bis zu 60 Prozent

Teufelskreis im Kopf und Bauch

Bekannt ist, dass akute Stress- und Angstsituationen zu Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit oder gar Durchfall führen können. Im schlimmsten Fall können Magengeschwüre entstehen – allein dadurch, dass der Kopf an den Darm sendet, dass es uns nicht gut geht – ein wahrer Teufelskreis.

So kann auch die Wirkung der Probiotika mithilfe der Verbindung erklärt werden. Durch die Einnahme von Probiotika mit Milchsäurebakterien (Laktobazillen) nahm der Anteil an guten Darmbakterien bei den Probanden zu.

Zusammensetzung der Darmflora beeinflusst Psyche

Laktobazillen können – wie auch Bifidobakterien – wichtige Botenstoffe produzieren, darunter GABA und Serotonin, die wiederum entspannend und angstlösend wirken. Die Zusammensetzung der Darmflora kann demnach unsere Psyche und unseren Gemütszustand beeinflussen.

Aber: Nach Absetzen der Probiotika nahm auch die Anzahl der positiven Darmbakterien ab, betonen die Studienautoren. Das deute darauf hin, dass eine langfristige Darmkur notwendig sei, um depressive Symptome begleitend behandeln zu können.

Depressiven Menschen fehlen wichtige Darmbakterien

Eine Studie der Katholischen Universität Leuven in Belgien aus dem Jahr 2015 mit mehr als 1000 Probanden belegt zudem, dass bei depressiven Menschen bestimmte Arten von Darmbakterien fehlen – dazu zählen Coprococcus und Dialister. Ersterer Bakterienstamm besitzt einen Signalweg zum Neurotransmitter Dopamin, dass für mehr Antrieb und Motivation sorgt. Zudem produzieren Coprococcus den Entzündungshemmer Butyrate. Zweitere zählen – wie auch Bifidobakterien oder Laktobazillen – zu den „guten Darmbakterien“.

Auch eine Studie der Chongqing Medical University in China aus dem Jahr 2020 bestätigt die Erkenntnisse der neuen Untersuchung: „Wir wussten bereits, dass bei depressiven Menschen weniger Bakterien vorkommen, die so genannte kurzkettige Fettsäuren produzieren. Gleichzeitig werden Mikroben häufiger, die Entzündungen im Körper auslösen können“, heißt es darin.

  • Das könnte Sie ebenfalls interessieren: Wunderwerk Mikrobiom: Mit 5 Dingen schaden Sie ihm – oft ohne es zu merken

Laut den Studienergebnissen verschiebe sich zudem das Gleichgewicht der Bakterien und die Zusammensetzung von deren Stoffwechselprodukten sowie die Vielfalt an Viren und Pilzen, die ebenfalls im Darm leben.

Fazit: Kein Ersatz für Antidepressiva und Psychotherapie

Der gezielte Einsatz von bestimmten Probiotika kann demnach die Behandlung von Depressionen unterstützen. Ein Antidepressivum oder eine Psychotherapie ersetzen sie aber keinesfalls, das betonen auch die Studienautoren der aktuellen Untersuchung.

Bei einer psychischen Erkrankung wie einer Depression gilt es primär, die Ursache des Problems zu lösen und an aktuellen Gedankenmustern und Verhaltensweisen proaktiv zu arbeiten. Aber: „Mit zusätzlichem Wissen über die spezifische Wirkung bestimmter Bakterien lässt sich möglicherweise die Auswahl der Bakterien optimieren und die beste Mischung einsetzen, um die Behandlung von Depressionen zu unterstützen“, heißt es in der Studie.

Sehen Sie im Video:

Kanzler-Klatsche! Zwei Politiker deutlich vor Scholz

FOCUS online/Wochit Kanzler-Klatsche! Zwei Politiker deutlich vor Scholz  

Quelle: Den ganzen Artikel lesen