Coronavirus: Berlin will Klubs mit PCR

Berlin ohne Tanzen zu Technobeats ist wie Bahnfahren zu Ferienbeginn ohne Sitzplatzreservierung: kann man machen, aber etwas fehlt. Die Berliner Senatskulturverwaltung startet jetzt ein Pilotprojekt, das Klubnächte trotz pandemischer Bedingungen wieder erlauben soll. Das klingt nach eineinhalb Jahren Abstand halten und Maske tragen schwer vorstellbar. Doch vielleicht braucht es solche Projekte, um herauszufinden, mit welchen Mitteln eine Annäherung an die Normalität möglich sein könnte.

Das Konzept sieht vor, dass in die teilnehmenden Klubs nur Gäste kommen, die davor einen PCR-Test gemacht haben. Begleitet wird das Projekt vom Klinikum Charité, das wissenschaftlich auswertet, als wie sicher sich die Veranstaltungen im Nachhinein herausstellen.

Der Probe-Tanz soll am Wochenende vom 6. bis 8. August für 48 Stunden stattfinden, teilte die Senatskulturverwaltung mit. Die teilnehmenden Klubs sind Crack Bellmer, Festsaal Kreuzberg, Kitkat, Metropol, Salon zur Wilden Renate und SO36. Insgesamt 2000 Partygäste dürfen teilnehmen und sich flexibel zwischen diesen Locations bewegen – eine »temporäre Sars-CoV-2-freie Kohorte«, wie die Senatsverwaltung es nennt. Dafür müssen sie sich ein Ticket im Vorverkauf sichern, das an einen PCR-Test geknüpft ist. Nur wer negativ ist, kommt rein und muss während der Veranstaltung weder auf Abstandsregeln noch auf Masken achten. Im Nachhinein sollen alle Clubgänger erneut getestet werden.

Keine Unterscheidung von Geimpften, Genesenen und Ungeimpften

»Für das Pilotprojekt wird nicht zwischen geimpften und/oder genesenen und nicht geimpften Personen unterschieden«, heißt es in der Mitteilung. Stattdessen müssten alle Besucherinnen und Besucher die festgelegte Test-Strategie durchlaufen. Die Veranstalter akzeptieren dabei nur die im Rahmen des Pilotprojektes durchgeführten und medizinisch validierten PCR-Tests. Dafür arbeitet die Behörde mit einem Labor zusammen.

Dass auch Geimpfte und Genesene sich testen lassen müssen, ist angesichts vermehrter Impfdurchbrüche eine gute Herangehensweise. Denn sobald ein gemischtes Publikum aus Geimpften und Nicht-Geimpften aufeinandertrifft, besteht ein gewisses Risiko, dass Geimpfte, die dennoch ansteckend sind, das Virus unwissentlich an ungeschützte Menschen weitergeben. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering, aber nicht Null. Sind alle PCR-getestet, erwischt man auch Geimpfte, die möglicherweise infektiös sind.


Auf Twitter äußerte sich SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bereits positiv zum Projekt: »Die PCR Tests werden die Clubs absichern. Das klappt wahrscheinlich. Es darf aber nicht auf Schnelltests übertragen werden. Dann klappt es nicht wegen der hohen Rate falsch negativer.«

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Lauterbach meint damit die höhere Unzuverlässigkeit von Antigen-Schnelltests, die derzeit häufig für den Zutritt zu etwa Friseuren, Sporthallen oder Kosmetikstudios verlangt werden. Antigentests sind nicht so genau wie PCR-Tests und springen nur bei einer korrekten Durchführung und zum richtigen Test-Zeitpunkt an. Und selbst dann liegt die Wahrscheinlichkeit eines falschen Ergebnisses höher als bei der PCR-Testung. Ein negativer Antigentest birgt also immer die Gefahr, dass die getestete Person das Virus dennoch in sich trägt und andere anstecken kann.

Wie fatal das sein kann, zeigte sich kürzlich bei einem Festival in der niederländischen Stadt Utrecht. Mehr als tausend Besucher infizierten sich Anfang Juli beim Verknipt-Festival mit dem Coronavirus – obwohl die Veranstalter angaben, sich an die Hygienemaßnahmen gehalten zu haben: Besucher mussten über die Corona-App nachweisen, dass sie negativ getestet, geimpft oder von einer früheren Coronainfektion genesen waren.




Auch in deutschen Klubs hatte es in den vergangenen Wochen immer wieder Meldungen über Coronafälle gegeben. Teilweise mussten daraufhin mehrere hundert Menschen in Quarantäne. Der Landkreis Lüneburg hat aktuell mit 73,9 die bundesweit höchste Inzidenz, nachdem ein Infizierter bei einer Abifeier andere angesteckt hatte. 92 Fälle sind bisher auf die Feier zurückzuführen.

Offenbar reichen negative Antigentests also nicht aus, um Ausbrüche zu vermeiden. Hinzu kommt, dass die Nachweise leicht gefälscht werden können.

Die Berliner Klubs greifen daher auf die zuverlässigere PCR-Methode aus dem beteiligten Labor zurück. PCR-Tests können schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Infektion nachweisen, ob jemand Sars-CoV-2 hat. Ein negativer PCR-Test ist zwar trotzdem keine Garantie, dass eine Person nicht ansteckend ist. Doch wenn nur PCR-getestete Menschen aufeinandertreffen, unter denen ein Teil zusätzlich vollständig geimpft ist, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich ein Superspreader-Event daraus entwickelt.

Die wissenschaftliche Begleitung wird auswerten können, ob das Event Infektionen hervorgebracht hat. Für gesicherte Aussagen wäre jedoch eine größere Teilnehmerzahl von Vorteil. Problematisch ist, dass sich die Feiernden frei zwischen den Partylocations bewegen dürfen. Die liegen nicht in unmittelbarer Nähe, die Teilnehmer müssen also etwa den Öffentlichen Nahverkehr nutzen oder zu Fuß gehen – etliche vermutlich mit dem obligatorischen Kiosk-Bier. Das wären auch Gelegenheiten, bei denen sie sich infizieren könnten. Da die Party auf 48 Stunden begrenzt ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf diesem Weg andere Gäste anstecken, dennoch sehr gering.

»Wir brauchen eine Perspektive«

Eine Teilnehmerzahl von 2000 Menschen per PCR durchzutesten, ist überschaubar. In der Mitteilung wird jedoch nicht näher erläutert, wie genau die Testung ablaufen soll. Damit ein PCR-Ergebnis eindeutig aussagekräftig ist, müssten sich die Getesteten zwischen dem Abstrich und dem Einlass in den Klub eigentlich isolieren. Ein PCR-Ergebnis kann schon in 90 Minuten vorliegen. Für diesen Zeitraum könnte man etwa Wartebereiche schaffen, in denen die Partygäste auf ihre Ergebnisse warten – noch mit Masken und Abstand.

Inwieweit sich das aufwendige Konzept auf andere kulturelle Veranstaltungen, Festivals oder Tanzlokale ausweiten ließe, ist fraglich. PCR-Tests sind teuer und verhältnismäßig aufwendig, da sie im Labor ausgewertet werden müssen. Dennoch wäre es ein kleiner Hoffnungsschimmer für Kulturschaffende, sollte sich das Party-Wochenende im Nachhinein als sicher erweisen.

»Wir sind sehr froh, dass wir dieses Pilotprojekt durchführen können«, sagte Pamela Schobeß, Vorstandsvorsitzende der Berliner Clubkommission. »Wir brauchen dringend einen Plan und eine Lösung, wie wir aus unserem eineinhalb Jahre andauernden Stillstand zurück ins Clubkulturleben finden.« Viele Klubs, Kneipen, Bars und andere Betriebe der Kulturlandschaft konnten im Lockdown monatelang nicht öffnen. Und noch immer ist das Drinnen-Feiern nur in wenigen Bundesländern wieder gestattet – stets mit der Gefahr, dadurch die Fallzahlen wieder anzutreiben. »Wir brauchen eine Perspektive und gleichzeitig eine Möglichkeit, sichere Veranstaltungen ohne Masken und Abstand zu ermöglichen«, so Schobeß.

Im Hinblick auf die Delta-Variante, die aktuell rund 91 Prozent des Infektionsgeschehens in Deutschland ausmacht und als sehr viel infektiöser gilt als vorherige Corona-Varianten, dürfte sich die Pandemiedynamik in den kommenden Wochen wieder verschärfen. Ob die Politik im Herbst darauf mit weiteren Lockdowns reagiert, bleibt offen.

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