Jeder 2. hat zu wenig: Vitamin-D-Mangel schwächt nicht nur das Immunsystem

Vitamin D ist wichtig für die Knochengesundheit, stärkt das Immunsystem und hebt die Stimmung. Aktuelle Studien zeigen, dass das Vitamin aber noch mehr kann: Eine gute Versorgung verbessert den Zustand der Darmflora und kann sogar beim Abnehmen helfen.

Vitamin D nimmt unter den Vitaminen eine Sonderstellung ein. Wir können Vitamin D zwar – wie andere Mikronährstoffe auch – über die Nahrung aufnehmen, allerdings lässt sich der Bedarf nicht allein über die Ernährung decken. Das Besondere an Vitamin D ist, dass wir es unter dem Einfluss von UV-B-Licht auch in der Haut bilden können.

Im Sommer reicht ein kurzes Sonnenbad aus, um gut versorgt zu sein. Im Winter müssen wir in unseren Breiten jedoch eine Vitamin-D-Durststrecke durchstehen, denn selbst an sonnigen Tagen ist dann die UV-Intensität nicht hoch genug, um die Produktion ausreichend anzukurbeln. Da Vitamin D nur einige Wochen gespeichert werden kann, ist ein Vitamin-D-Mangel in sonnenarmen Monaten eher die Regel als die Ausnahme. Bildschön/Dietzel

Über die Expertin

Michaela Axt-Gadermann ist Ärztin und Professorin für Gesundheitsförderung im Studiengang „Integrative Gesundheitsförderung“ an der Hochschule Coburg. Sie lebt mit Mann und Kindern in der Nähe von Fulda. Zum Thema „Darm“ hat sie zahlreiche Bücher geschrieben sowie ein lizensiertes, von den Krankenkassen anerkanntes Online-Ernährungscoaching („Gesund mit Darm“) entwickelt. Mehr Informationen finden Sie auch auf der Webseite „Gesund mit Darm“.

Vitamin-D-Mangel weit verbreitet

Dass die Vitamin-D-Versorgung der meisten Menschen verbesserungsbedürftig ist, belegen repräsentative Studien des Robert Koch-Instituts. Über mehrere Jahre wurde der Vitamin-D-Status von 6995 Erwachsenen (Alter 18 bis 79 Jahre) und 10.015 Kindern (Alter eins bis 17 Jahre) erhoben. Und die Ergebnisse zeigen, dass es um die Vitamin-D-Versorgung nicht zum Besten steht.

Als zu niedrig oder zumindest suboptimal gelten Serumwerten unter 50 nmol/l (unter 20 ng/ml). Demnach wiesen 45,6 Prozent der Kinder und Jugendlichen zu niedrige Vitamin D-Spiegel auf. Bei den Erwachsenen waren es sogar 56,0 Prozent.

So interpretieren Sie Vitamin-D-Werte richtig

Michaela Axt-Gadermann Zur Tabelle: Die Vitamin D-Werte können in zwei unterschiedlichen Einheiten (ng/ml und nmol/l) angegeben werden. Bei der Beurteilung der eigenen Werte ist es deshalb immer wichtig, auf die Einheit zu achten.

Vitamin D moduliert die Abwehrkräfte

Die Auswirkungen eines Vitamin-D-Mangels betreffen nicht nur die Knochendichte. Bedenklich ist ein langfristiger Mangel auch angesichts zahlreicher Studien, die den Zusammenhang zwischen einer Unterversorgung mit dem Sonnenvitamin und einer Vielzahl von Krankheiten wie Übergewicht, Depressionen, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen belegen.

„Gesund mit Darm“ von Michaela Axt-Gadermann

Dass Vitamin D auch als „Immunmodulator“ fungiert, zeigen die Studien dänischer Wissenschaftler. Carsten Geisler, Professor an der Universität Kopenhagen, wies nach, dass Immunzellen eine Art Antenne ausfahren können, um im Blut nach Vitamin D zu suchen und dieses dann anzudocken. Fehlt das Sonnenvitamin, lassen sich manche Abwehrzellen gar nicht aktivieren.

Vitamin D stärkt demnach das Abwehrsystem nicht nur, sondern wirkt vor allem regulierend auf das gesamte Netzwerk der Immunzellen und Botenstoffe, reduziert Entzündungen und beeinflusst sogar unser Hormonsystem.

Vitamin D verbessert die Darmflora

Neue Daten weisen darauf hin, dass auch das Darmmikrobiom eine wichtige Rolle spielt und offensichtlich viele Effekte des Vitamin D über seine Wirkung auf die Darmflora vermittelt werden. In einer Studie aus Katar erhielten 80 ansonsten gesunde Frauen mit einem nachgewiesenen Mangel drei Monate lang ein hochdosiertes Präparat. Vitamin-D-Spiegel und Darmflora wurden vor und nach der zwölfwöchigen Vitamin-D-Substitution untersucht – mit erstaunlichen Ergebnissen: Die Vitamin-D-Gabe erhöhte die wichtige bakterielle Vielfalt des Darms deutlich.

Insbesondere verbesserte sich das Verhältnis zwischen den Bakterienstämmen Firmicutes und Bacteroidetes. Eine große Anzahl Firmicutes und wenige Bacteroidetes sowie eine geringe Artenvielfalt im Darm werden mit Übergewicht, Diabetes und anderen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Verändert sich das Verhältnis in Richtung schlankmachender Bacteroidetes, dann wird dadurch auch die Darmbarriere gestärkt und Entzündungen gehen zurück.

Die Studie zeigt, dass ein ausreichend hoher Vitamin-D-Spiegel das Verhältnis dieser beiden Bakterien verbessern und insgesamt die Darmgesundheit stärken kann. Gleichzeitig nahm unter der Vitamin-D-Substitution auch die Zahl anderer wichtiger Bakterien wie Akkermansia muciniphilia und Bifidobakterien zu. Eine ausreichend hohe Zahl an Akkermansia muciniphilia wird mit zahlreichen gesundheitsförderlichen Effekten wie einem Schutz vor Übergewicht, niedrigeren Blutzucker- und Blutfettspiegeln und einer besseren Darmimmunität in Verbindung gebracht.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch ein internationales Forscherteam. Die Wissenschaftler glichen die Vitamin-D-Spiegel von 567 älteren Männern mit den Ergebnissen einer Mikrobiomanalyse ab. Auch hier besaßen die Teilnehmer mit den höheren Vitamin-D-Spiegeln die gesündeste Darmflora. Auffallend war, dass sich bei einer guten Vitamin-D-Versorgung viele butyratproduzierende Mikroorganismen nachweisen ließen. Butyrat ist besser bekannt als „Buttersäure“ und zählt zu den kurzkettigen Fettsäuren, die von verschiedenen Darmbakterien produziert werden können.

Butyrat ist wichtig für einen gesunden Darm, gelangt aber auch aus dem Verdauungstrakt in die Blutbahn und entfaltet seine Wirkung über Zellrezeptoren auf Immunzellen und auf Zellen, die im Fett- und Zuckerstoffwechsel eine Rolle spielen. Hohe Butyratspiegel können auf diese Weise das Risiko für Übergewicht, Leberverfettung, Zuckerkrankheit und Entzündungen senken.

Vitamin D erleichtert die Gewichtsreduktion

Nun mehren sich die Hinweise, dass sogar Abnehmen leichter fällt, wenn ein Vitamin-D-Defizit ausgeglichen wird. Studien legen nahe, dass auch dieser Effekt zumindest teilweise auf die Verbesserung der bakteriellen Zusammensetzung der Darmflora zurückzuführen sein könnte. Wie viele Kilo unter dem Einfluss des Sonnenvitamins dahinschmelzen, zeigt die Arbeit einer italienischen Forschergruppe. Die Leiterin der Studie, Dr. Luisella Vigna von der Universität Mailand, weist darauf hin, dass inzwischen zahlreiche Studien die Zusammenhänge zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und einem erhöhten Risiko für Übergewicht belegen.

An der italienischen Untersuchung nahmen 400 übergewichtige und adipöse Personen teil, bei denen ein Vitamin-D-Mangel nachgewiesen wurde. Alle erhielten eine ausgewogene und etwas kalorienreduzierte Diät, wurden aber in drei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe nahm pro Monat 25.000 I.E. (Internationale Einheiten) Vitamin D ein, die zweite Gruppe bekam 100.000 I.E. und die dritte Gruppe hielt sich nur an die Ernährungsempfehlungen, bekam aber keine zusätzlichen Mikronährstoffe.

Vor der Ernährungsumstellung und nach sechs Monaten wurden die Studienteilnehmer gewogen und BMI, Parameter des Zuckerstoffwechsels sowie der Vitamin-D-Spiegel bestimmt. In Gruppe eins und zwei stiegen die zuvor niedrigen Vitamin-D-Spiegel an, deutlicher in der Gruppe mit der höheren Dosierung. Nur mit der hohen Vitamin-D-Zufuhr erreichten die Teilnehmer einen optimalen Blutspiegel. In der Gruppe ohne Vitamin-Substitution zeigten sich keine Veränderungen in der Vitamin-D-Versorgung.

Das sind allerdings Ergebnisse, die zu erwarten waren. Interessant und erstaunlich ist hingegen ein Blick auf den Gewichtsverlust: Während die Teilnehmer aus der Gruppe ohne Vitamin-D-Substitution im Durchschnitt lediglich 1,2 Kilo verloren, lag der Gewichtsverlust mit einer niedrigen Vitamin-D-Substitution bei 3,8 Kilo. Die 100.000-I.E.-Gruppe konnte sich sogar über 5,5 Kilo weniger freuen.

Wie lässt sich ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel erreichen?

In der warmen Jahreszeit genügt bereits ein 20- bis 30-minütiger Aufenthalt im Freien mit unbedeckten Hände und Armen, um die Vitamin-D-Versorgung sicherzustellen. Im Winter reicht die geringe UV-B-Strahlung nicht aus. Über die Nahrung fällt es schwer, ausreichende Vitamin-D-Mengen aufzunehmen. Avocados und fetter Fisch wie Hering, Lachs und Sardinen zählen zu den vitamin-D-reicheren Nahrungsmitteln und müssten schon mehrmals täglich verzehrt werden, um die Spiegel im Winter annähernd hoch zu halten.

Viele Fachgesellschaften raten deshalb zu einer Vitamin-D-Substitution. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung betrachtet eine Menge von 800 Internationalen Einheiten (I.E.) (das entspricht 20 µg) pro Tag als ausreichend. Der Dachverband Osteologie, einer Vereinigung, die sich mit der Gesundheit der Knochen beschäftigt, empfiehlt 800 bis 2000 Vitamin-D-Einheiten (das entspricht 20 µg bis 50 µg).

Wenn Sie Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel substituieren möchten, dann sollten Sie beachten, dass der Vitamin D-Gehalt von Nahrungsergänzungsmitteln oder Nahrungsmitteln in zwei unterschiedlichen Einheiten angegeben werden kann: In „I.U“ (International Units) und in „µg“ (Mikrogramm). Auch die Abkürzung „IE“ (Internationale Einheiten) ist geläufig.

Wie viel Vitamin D wirklich benötigt wird, hängt vom individuellen Blutwert ab. Je niedriger die Werte sind, desto höher sollte die Vitamin-D-Dosis am Anfang sein, um eine schnelle Aufsättigung zu erreichen. Nach ein paar Wochen kann man dann auf eine niedrigere Erhaltungsdosis umsteigen. Wichtig: Sowohl zu niedrige als auch zu hohe Vitamin-D-Werte können schaden. Sprechen Sie vor der Einnahme daher am besten mit Ihrem Hausarzt.

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