Haarausfall, Erschöpfung, Lungenschäden: Was bleibt, wenn Coronavirus geht

Ob eine Infektion mit dem neuen Coronavirus Langzeitfolgen haben kann, ist nicht ausreichend erforscht. Fakt ist jedoch: Immer mehr Genesene berichten von Spätfolgen, lange nachdem sie gesundet sind. Von Haarausfall bis Verwirrtheit. FOCUS Online zeigt, was bislang bekannt ist.

Eigentlich hatte Peggy Goroly Corona bereits hinter sich gelassen. Doch mehr als drei Monate nach Überstehen der Krankheit bemerkte sie, wie ihr büschelweise Haare ausfielen. Im Gespräch mit dem „Business Insider“ erklärt die 56-jährige US-Amerikanerin, dass sie sich in ihrer Hilflosigkeit an eine Covid-19-Hilfgruppe bei Facebook gewandt hatte. In ihrem Post habe sie geschrieben: „Verliert hier noch jemand Haare?“

Die Resonanz sei groß gewesen – viele andere Nutzer hätten dasselbe Problem gehabt. Tatsächlich ist Haarausfall nicht untypisch nach einer schweren Erkrankung. Das Phänomen nennt sich telogenes Effluvium und ist eine Form des diffusen Haarausfalls. Er setzt meist zwei bis drei Monate nach der Erkrankung ein und sollte wenige Monate später auch wieder von selbst verschwinden.

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  • Doch Haarausfall ist längst nicht die einzige Spätfolge, von der Covid-19-Genesene berichten. FOCUS Online gibt einen Überblick – von Kopf bis Fuß.

    Langzeitfolgen von Covid-19: Was bleibt, wenn Corona überstanden ist?

    Laut Robert-Koch-Institut (RKI) geht man davon aus, dass etwa 81 Prozent der diagnostizierten Personen einen milden, etwa 14 Prozent einen schwereren und etwa fünf Prozent einen kritischen Krankheitsverlauf erleben. Die Krankheit könne sich nicht nur in der Lunge, sondern auch in anderen Organsystemen manifestieren.

    Das RKI zeigt sich in Bezug auf mögliche Langzeitschäden durch eine Infektion mit Sars-CoV-2 bisher zurückhaltend und weist auf die Neuartigkeit des Virus und der damit einhergehenden Krankheit Covid-19 hin. Studien hätten jedoch gezeigt, dass manche Erkrankte auch Wochen und sogar Monate nach überstandener Infektion noch Symptome aufwiesen.

    Auch das ordnet das RKI allerdings ein: Ein derartiger Verlauf würde auch bei anderen Infektionskrankheiten mit Pneumonien beobachtet und sei prinzipiell nichts Ungewöhnliches.

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    Jedoch sorgt gerade die Neuartigkeit der Krankheit häufig für Unbehagen. So äußerte kürzlich die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) Zweifel daran, dass Covid-19-Genesene wieder gänzlich fit werden. Bilder aus dem Computertomographen zeigten, dass viele Patienten mehr oder weniger starke Lungenschäden aufwiesen, heißt es.

    „Ein Teil der Patienten wird langfristig Probleme entwickeln. Ich denke schon, dass wir hier sekundär durch Covid-19 auch neue Krankheitsbilder generieren“, meint auch Clemens Wendtner, der in der München Klinik Schwabing die ersten deutschen Corona-Patienten behandelte.

    Lungenschäden: Covid-19 könnte Lungen langfristig schädigen

    Augsburger Ärzte veröffentlichten vor kurzem Bilder nach Obduktionen. Die Lungen mancher Corona-Opfer sahen erschreckend aus – löchrig wie ein Schwamm. Die Mediziner kamen zu dem Schluss, dass diese Schäden nicht durch die Beatmung, sondern am ehesten direkt durch das Virus entstanden waren.

    Was heißt das für die Lebenden? „Es wird vermutet, dass es Spätfolgen geben kann“, sagt Torsten Blum, Oberarzt in der Berliner Lungenklinik Heckeshorn im Helios Klinikum Emil von Behring. „Insbesondere im Bereich der Lunge.“

    Dabei gehe es nicht allein um Covid-Patienten, die lange Zeit an Beatmungsgeräten lagen. „Da wissen wir, dass es Narben im Bereich der Lunge geben kann.“ Wesentliche Fragen beträfen insbesondere die leichteren Fälle. Menschen, die nicht ins Krankenhaus mussten. „Möglicherweise kann dieses neue Coronavirus auch bei ihnen länger anhaltende oder gar dauerhafte Folgeschäden in der Lunge auslösen“, sagt Blum. Konkret heißt das: Luftnot – vor allem bei Anstrengung.

    Weitere Experten rechnen bei schweren Krankheitsverläufen und langer Beatmung mit einem dauerhaft verringerten Lungenvolumen. Forscher in China haben beobachtet, dass Menschen nach schweren Krankheitsverläufen an chronischen Schädigungen des Lungengewebes (Lungenfibrosen) leiden.

    Geruchsstörung: Manche Genesene riechen auch Wochen nach der Infektion nichts

    Den Duft eines Parfüms ebenso wenig wahrnehmen zu können wie den Geruch einer Mülltonne im Sommer, ist ein Phänomen, das Genesene beschreiben, die sonst kaum Beschwerden hatten. Bei der Mehrzahl der Patienten bildete es sich nach zwei bis drei Wochen zurück.

    In einer Untersuchung mit 113 nur leicht erkrankten Patienten zeigte sich jedoch, dass 40 Prozent der Betroffenen auch vier Wochen nach Krankheitsbeginn einen gestörten Geruchs- und Geschmackssinn hatten. In bis zu zehn Prozent der Fälle bleibt die Störung länger bestehen, teilweise verschlechterte sie sich sogar mit der Zeit. Es gibt keine Garantie, dass sich der Geruchssinn wieder völlig erholt.

    Die meisten dieser Covid-19-Patienten können die Geschmacksrichtungen süß, sauer, bitter und salzig auch während und nach der Erkrankung einigermaßen zuverlässig unterscheiden – nicht aber Aromen, für die es ein Zusammenspiel mit dem Geruchssinn brauche. Außerdem berichten Genesene, dass ein unangenehmer, metallischer oder bitterer Geschmack, den sie während der Krankheit im Mund hatten, auch danach immer wieder auftritt.

    Herzschäden: Forscher beobachten entzündliche Veränderungen

    Dass Covid-19 auch das Herz schädigen kann, haben Wissenschaftler der Universität Frankfurt beobachtet. Sie veröffentlichten dazu eine Studie in der Fachzeitschrift „JAMA Cardiology“. Das Team hatte Magnetresonanzaufnahmen der Herzen von insgesamt 100 Patienten ausgewertet, die sich von einer Covid-19-Erkrankung erholten – gut zwei Drittel von ihnen zu Hause, die übrigen im Krankenhaus.

    Bei 78 Patienten waren entzündliche Veränderungen des Herzmuskels oder des Herzbeutels erkennbar – oft trotz eines sehr leichten Verlaufs der ursprünglichen Infektion und bei ansonsten gesunden und oft sportlichen Patienten.

    Was diese Veränderungen langfristig bedeuten, ist allerdings noch unklar. Hierfür planen die Forscher eine Nachverfolgung der Patienten, sagt Ko-Autor Eike Nagel. Die Forscher rechnen damit, dass zumindest bei einigen Patienten ein kleiner Herzschaden verbleibt. Dafür spreche etwa die Erhöhung des Stoffes Troponin – einem Marker für Herzmuskelschäden – bei 71 Prozent der 100 Patienten.

    In einer Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums hieß es Mitte Mai zudem, dass zunehmend verschiedene Herz-Kreislauf-Komplikationen und Folgeerkrankungen zu erwarten seien. Mediziner hatten eine gestörte Blutgerinnung bei Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen beobachtet. Vermutlich sind Entzündungen der Blutgefäße daran schuld. Das verdickte Blut löst Thrombosen aus. Die Folge sind verschiedene Herz-Kreislauf-Komplikationen wie Herzinfarkt oder eine Herzinsuffizienz. Groß ist durch eine höhere Thromboseneigung auch das Risiko für einen Schlaganfall.

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    Als erste hatten Mediziner in China von Herzmuskelentzündungen bei Covid-19-Patienten berichtet. Danach meldeten auch Kliniken aus Europa und den USA solche Beobachtungen. Unklar war, ob das Virus direkt zu Herzschäden führte oder ob die Schwächung des Herzens eine Folge anderer Entzündungsprozesse im Körper war.

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    Fatigue: Häufigste Langzeitfolge von COvid-19 ist anhaltende Müdigkeit

    Anhaltende Müdigkeit und Erschöpfung ist laut einer Studie aus Italien die häufigste Nachwirkung einer Covid-19-Erkrankung. Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, brauchten mindestens drei bis vier Wochen, bis sie sich wieder einigermaßen fit fühlten. Wer Sauerstoff zur Unterstützung der Atmung brauchte, klagt sehr oft über fehlende Kraft und geringe Leistungsfähigkeit.

    Die italienischen Mediziner beobachteten für die in der Fachzeitschrift „Jama“ veröffentlichten Studie 143 Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. 87 Prozent klagten auch 60 Tage nach der offiziellen Genesung über mindestens ein Symptom. Über die Hälfte beklagte eine anhaltende Erschöpfung.

    Neurologische Schäden: Hirnschäden selbst nach milder Erkrankung

    Das neuartige Coronavirus kann auch das Gehirn angreifen. Bei einigen Patienten wurden nach einer Erkrankung schwere neurologische Erkrankungen sichtbar – sogenannte Enzephalopathien.

    „Das drückt sich in Unruhe und Verwirrtheit aus, auch die Leistung des Gedächtnisses kann beeinträchtigt sein“, erklärt Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Zu befürchten sei, dass solche Einschränkungen über längere Zeit bleiben könnten, warnte er.

    Ein weiteres Risiko seien die Langzeitfolgen durch Schlaganfälle, die laut Berlit nicht nur bei schwer erkrankten Covid-19-Patienten bedingt durch eine höhere Thromboseneigung gehäuft beobachtet werden. Welche Symptome zurückblieben, hänge vor allem vom betroffenen Hirnareal ab.

    Wie Covid-19 das Gehirn attackiert, haben wir bei anderen Viren noch nie gesehen

    Britische Neurologen haben zudem Untersuchungsergebnisse in der Zeitschrift „Brain“ veröffentlicht, wonach Sars-CoV-2 selbst bei Patienten mit leichten Symptomen oder bei bereits Genesenen schwerwiegende Hirnschäden verursachen kann.

    Studienleiter Michael Zandi vom University College London sagt. „Wie Covid-19 das Gehirn attackiert, haben wir bei anderen Viren noch nie gesehen.“ Die 40 untersuchten Patienten erlitten Entzündungen im zentralen Nervensystem, eine vorübergehende Gehirnschädigung (Enzephalopathie) mit Delirium oder Psychose, einige auch Schäden der peripheren Nerven mit Lähmungserscheinungen.

    Die britischen Neurologen befürchten, dass die Covid-19-Erkrankung bei einigen Patienten zudem subtile Hirnschäden hinterlassen könnte, die sich erst in den kommenden Jahren bemerkbar machen.

    Nierenversagen: Gefährliche Entzündungen in den Organen möglich

    Ein schwerer Covid-19-Verlauf schädigt auch die Nieren. Laut einer Studie von Forschern des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) sind bei rund 30 Prozent der Betroffenen die Nieren so stark eingeschränkt, dass sie eine Dialyse benötigen.

    Ob sich die Nieren nach der Genesung wieder erholen oder ob Sars-CoV-2 eine langfristige Schädigung der Nieren wie eine Niereninsuffizienz auslöst, konnten die Mediziner zum Zeitpunkt der Studie noch nicht einschätzen.

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    Covid-19: Die häufigsten Symptome

    Wer sich mit Sars-CoV-2 ansteckt, zeigt in den meisten Fällen kaum Symptome und wenn doch, dann sind sie häufig so unspezifisch, dass es schwer ist, Covid-19 von einer normalen Grippe oder Erkältung zu unterscheiden.

    Laut RKI klagen die meisten Erkrankten über Symptome wie Husten (48 Prozent der Betroffenen) und Fieber (40 Prozent der Betroffenen). Auch Schnupfen betrifft immerhin noch 21 Prozent der Menschen, die sich mit Sars-CoV-2 infiziert haben.

    Ein spezifischeres Symptom ist der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns. Er betrifft zwar nur etwa 15 Prozent der Patienten, lässt aber recht eindeutig auf eine Covid-19-Erkrankung schließen. Das berichteten unter anderem der Bonner Virologe Hendrik Streeck und Mediziner aus Italien.

    Weitere Anzeichen sind

    • Halsschmerzen
    • Atemnot
    • Kopf- und Gliederschmerzen
    • Appetitlosigkeit
    • Gewichtsverlust
    • Übelkeit
    • Bauchschmerzen
    • Erbrechen
    • Durchfall
    • Bindehautentzündung
    • Hautausschlag
    • Lymphknotenschwellung
    • Apathie
    • krankhafte Schläfrigkeit

    Ärzte bezeichnen Krankheit als „medizinisches Chamäleon“

    Die Vielfalt berichteter Symptome zeigt, dass die Anzeichen der Krankheit von Mensch zu Mensch offenbar stark variieren und zum Teil unspezifisch sind. Daher bezeichneten Mediziner aus der Schweiz Covid-19 bereits als „medizinisches Chamäleon“.

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