Konkreter, lokaler, positiver: So könnte es mit der Motivation für den Corona-Kampf klappen

Erst Osterruhe, dann doch nicht. Die einen starten Modellprojekte, die anderen wollen einen dritten Lockdown. Mal darf man mehrere Leute gleichzeitig treffen, mal nicht. Ständig gibt es gefühlt neue Regeln in der Corona-Pandemie – und die immergleichen Appelle. Das kann dazu führen, dass die Politik viele Menschen verliert, die es dann im Privaten nicht mehr ganz so genau nehmen. Dabei haben Psychologen, Sportler und Motivationstrainer durchaus Ideen, wie man die Bevölkerung zurück an die Stange bringt.

Seit einem Jahr hören die Menschen die gleichen Botschaften: Abstand halten, Hände waschen, Maske tragen. "Die AHA-Regel ist zu abstrakt", sagt der Marburger Sozialpsychologe Ulrich Wagner. "Wir brauchen präzisere Anweisungen." Niemand könne monatelang in jeder Situation Abstand halten. Besser funktionieren würden Wagner zufolge gezielte Warnungen vor besonders gefährlichen Situationen – und zwar mit möglichst konkreten Beispielen, etwa wenn Kollegen in Innenräumen die Maske abnehmen, um eine Zigarette zusammen zu rauchen. 

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Erziehungssendungen für die Corona-Pandemie

Wagner denkt an so etwas wie "Der 7. Sinn", eine Sendung zur Verkehrserziehung, die jahrzehntelang im Fernsehen lief. "Das war schlecht gemacht und jeder hat es gehasst, aber es hat funktioniert", sagt Wagner. Reale Szenen mit realen Menschen, die zeigen, wie man sich in konkreten Situationen richtig verhält – das würde helfen, glaubt Wagner, "sowas brauchen wir auf allen Kanälen".

"Ich glaube, es fehlt das Positive", sagt Führungskräfte-Coach Kirsten Dierolf. Die Bad Homburgerin ist Präsidentin der International Coaching Federation. "Man hört viele Warnungen, viel Negatives, viel 'Nicht'." Um Menschen für längere Zeit zu motivieren, müsse man Zwischenziele setzen und ein positives Feedback geben – beides sei bisher nicht geschehen.

Auch Dierolf rät zum Blick auf den Straßenverkehr. Die erfolgreichste Methode, damit Menschen sich an ein Tempolimit halten, seien Smileys auf einer blinkenden Tafel. Auf die Pandemie ist das nur bedingt übertragbar, aber Dierolf geht es um die Blickrichtung: Statt aufs Negative zu schauen, sollte man die Erfolge herausstellen und dann mit einer Belohnung locken. Das könnte die Menschen motivieren, noch ein wenig durchzuhalten. 

Absender der Botschaft ist das Problem

"Die Menschen bemühen sich ja, aber sie sehen die Erfolge nicht", sagt auch Sozialpsychologe Wagner. Aus der Lerntheorie wisse man, dass die Menschen umso besser zu motivieren sind, je unmittelbarer sie die Wirkung ihres Handelns erkennen. Er schlägt vor, die Corona-Auflagen zu lokalisieren: die Beschränkungen an die Situation in den Landkreisen koppeln mit der Aussicht auf Lockerungen, wenn sich alle an die Regeln halten. "Damit könnte man die Erfolge des eigenen Verhaltens sehen."

Ein weiteres Problem sieht Wagner im Absender der Botschaften. Die Politik agiere derzeit wenig glaubwürdig. Das Hin und Her um die Osterruhe, die unterschiedlichen Herangehensweisen der Ministerpräsidenten – "man hat den Eindruck, die politisch Verantwortlichen verfallen in eine Handlungsstarre". Gleichzeitig werde alle Verantwortung für das Pandemie-Geschehen auf den Einzelnen geschoben, "die Menschen empfinden das oft als Beleidigung, wenn sie sich jetzt schon so lange an die Regeln gehalten haben." 

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„Wesentlich ist Kommunikation, die die Bevölkerung mitnimmt“

In Frankfurt am Main versucht die Sportjugend, junge Menschen direkt anzusprechen. Der Hafenpark hat sich zum Treffpunkt für Jugendliche entwickelt, sie sitzen zusammen, trinken, tanzen – und vergessen dabei nicht selten die Corona-Regeln. Anfang März eskalierte die Situation, die Polizei räumte den Park. 20 Übungsleiter der Sportjugend mischen sich nun an den Wochenenden als "Botschafter" unter die Menge, um die Jugendlichen zu sensibilisieren.

"Das funktioniert nur auf Augenhöhe", sagt die Vorsitzende der Sportjugend, Petra Preßler, "nicht mit erhobenem Zeigefinger". Im Ton freundlich aber bestimmt, diplomatisch, mit Empathie – so komme man an die Partygäste ran, "nicht wenn ich sage: 'Du musst'." Bei einem Testlauf hatten die Botschafter alle Hände voll zu tun, aber keinen Stress, erzählt Preßler: "Die Leute haben Verständnis für die Maßnahmen, wenn man sie richtig kommuniziert."

Die Initiative "No-Covid" ist für ihren eher restriktiven Ansatz bekannt. Aber auch hier heißt es: "Wesentlich ist eine Kommunikation, die die Bevölkerung mitnimmt." Die Ziele der Maßnahmen müssten klar formuliert sein, man müsse "nachvollziehbare zeitliche Horizonte aufzeigen und Voraussetzungen für Öffnungen benennen". Die Verhaltensregeln müssten "konsistent und begründbar" sein, die Bevölkerung brauche "klare Empfehlungen".

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